OÖ. Heimatblätter 1989, 43. Jahrgang, Heft 4

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^ I OBEROSTERREICHISCHE 43. Jahrgang 1989 Heft 4 Herausgegeben vom Landesinstitut für Volksbildung und Heimatpflege in Oberösterreich Gustav Otruba Linz, seine neue Strafanstalt, die Messingfabrik im Schloß Lichtenegg bei Wels und die Wollenzeugfabrik in Linz in Berichten der „Vaterländischen Blätter" 1812-1816 Maximilian Kosmata Türme und Türmer von Linz Emil Puffer Das alte Linzer Gymnasium in den Augen eines Schülers Georg Wacha Der Gasthof „Zum Schwarzen Bock" in der Linzer Altstadt Vom Stadttor zum Flohzirkus Buchbesprechungen

Medieninhaber: Land Oberösterreich Herausgeber: Landesinstitut für Volksbildung und Heimatpflege in Oberösterreich. Leiter: W. Hofrat Dr.phil. Dietmar Assmann Zuschriften (Manuskripte, Besprechungsexem plare) und Bestellungen sind zu richten an den Schriftleiter der Oö. Heimatblätter: Dr. Alexander Jalkotzy, Landesinstitut für Volks bildung und Heimatpflege in Oö., 4020 Linz, Landstraße 31 (Landeskulturzentrum Ursulinenhof), Tel. 0 73 2 / 27 05 17-23 Jahresabonnement (4 Hefte) S 160,- (inkl. 10% MwSt.) Hersteller: Druckerei Rudolf Trauner Ges. m. b. H., 4020 Linz, Köglstraße 14 Für den Inhalt der einzelnen Beiträge zeichnet der jeweilige Verfasser verantwortlich Alle Rechte vorbehalten Für unverlangt eingesandte Manuskripte über nimmt die Schriftleitung keine Haftung ISBN 3-85393-050-6 Mitarbeiter: Kons. Maximilian Kosmata, Unionstraße 151, 4020 Linz Univ.-Prof. Dr. Gustav Otruba, Marktgemeinde gasse 63/E 17, 1230 Wien Kons. Emil Puffer, Prandtauerstraße 13, 4040 Linz Dr. Georg Wacha, Büchlholzweg 48, 4020 Linz Titelbild: Die Obere Donaulände mit dem Schloß. Aquarell von Joseph Knörlein aus 1823 (Stadtmuseum Linz). Foto: Franz Michalek, Magistrat Linz

Linz, seine neue Strafanstalt, die Messingfabrik im Schloß Lichtenegg bei Wels und die WoUenzeugfabrik in Linz in Berichten der „Vaterländischen Blätter" 1812-1816 Von Gustav Otruba D ie „Vaterländischen Blätter für den österreichischen Kaiserstaat", heraus gegeben von mehreren Geschäftsmännern und Gelehrten (Johann M. Armbruster, Franz Sartori), erschienen seit 1808 wöchentlich bei Degen beziehungsweise seit 1809 bei Strauß in Wien und wurden erst nach 13 Jahrgängen 1820 eingestellt. Die fachkundigen lokalen Berichterstatter dieser wissenschaftlichen, eher konservativen Zeitung betätigten sich auf den Gebieten der Ökonomie, Geographie, des Bildungs wesens, der Musik, Literatur, Geschichte und Kultur und brachten aus nahezu allen Ländern der Donaumonarchie ihre Beiträge.^ Farbige Städte- und Landschafts beschreibungen, Nachrichten über Industriegründungen wechseln mit Schul- und Religionsstatistiken sowie Dichter-, Künstler- und Gelehrtenporträts ab. Zumeist sind diese in Feuilletonform in mehreren Folgen erschienen. Am tJöhepunkt und in der Schlußphase der Napoleonischen Kriege - dem vorliegenden Berichtszeitraum - finden sich neben patriotischen Aufrufen unter anderen eine der frühesten Nachrich ten über die Aufstellung einer der ersten Dampfmaschinen in einer böhmischen Fabrik, aber auch aus dem Lande ob der Enns eine Schilderung der Stadt Linz, einer dort neu eingerichteten musterhaften Strafanstalt, Naturbeobachtungen aus dem Gmundner Land^ wie auch eine Anzeige über die Messingfabrik des Grafen Pilati im Schloß Lichtenegg bei Wels. Spätere Ausgaben zollten der auch heute noch in Linz erscheinenden „Theologischen Monathsschrift" besonderes Lob. Wenn auch Nachrichten über Wien und Niederösterreich in dieser Wochenschrift wesentlich häufiger vorkamen, so finden sich auch immer wieder fJinweise auf die oberösterrei chischen Zustände, somit kann diese Zeitschrift auch hier zur interessanten Quelle für die Wirtschafts- und Kulturgeschichte des Landes werden. Die folgende „Schilderung von Linz" stammt aus der Feder von G. H. Heinse. Dieser wurde bekannt als Verfasser des Büchleins „Linz und seine Umgebung", erschienen bei Eurich in Linz, wobei diese Publikation unter anderen auch Benedikt Pillwein als Quelle für seine „Beschreibung der Provinzial-Hauptstadt Linz", in Kom- ^ Andrea Seidler, Wolfram Seidler, Das Zeitschriftenwesen im Donauraum zwischen 1740 und 1809. Kommentierte Bibliographie, Wien 1988, S. 229. ^ Vaterländische Blätter, Jg. 1813, S. 547-559.

mission 1824 übernommen von Josef Fink in Linz, diente, ein Werk, das sowohl an Umfang als auch an Bedeutung die Schrift des Erstgenannten bei weitem übertrifft und auch noch der heutigen Geschichtsschreibung als Quelle dientd er'!. i ■ ; :|| ■ 4 i- —:—UA 33ater(anbifc^e §ö(dtter für t>cn öftcrretcf)ifd)cn ^aiferftaat. 531i11mccfe/ b en i3. 331ap 1812. Schilderung von Linz'' „Die Hauptstadt von Österreich ob der Enns liegt an der Grenze des Haus ruckviertels, am rechten oder südlichen Ufer der Donau, 48 Grad 18 Minuten 46 Sekunden nördlicher Breite und 31 Grad 56 Minuten, 30 Sekunden östlicher Länge oder 2 Grad, 6 Minuten westlich von Wien. Es ist 27 Klafter höher als Wien und 92 über dem mittelländischen Meere gelegen. Das Clima ist ziemlich gemäßigt; die Kälte steigt selten über 14 bis 15 Grad Reaumur und in den neunzehn Jahren von 1792 bis 1811 erreichte sie nur ein Mal, 1799, die ungemeine Höhe von 20y2 Grad. In demselben Zeiträume stieg die Hitze nur ein Mal, im August 1802, auf 26 Grad, gewöhnlich geht sie nicht über 22 bis 23. Die Lage von Linz hat die Natur sehr begünstiget. Die schöne und mächtige Donau, die nahen, mit lachenden fruchtbaren Tälern abwechselnden Hügeln und die fernen majestätischen Berge geben ihr mannigfaltige Reitze. Schon auf dem niedrigen Standpuncte der Donaubrücke hat man Ansichten wie in wenig größern Städten. ^ Benedikt Pillwein, Geschichte der Stadt Linz. Linz 1824 (Neuauflage, Steyr 1966), S. 55, 69. " Vaterländische Blätter, Jg. 1812, 13. Mai, S. 229-234; 16. Mai, S. 237-239.

Wendet man sich westlich, so beschränkt den Blick das enge Tal, dessen größten Teil das Bett der Donau einnimmt; doch dieses schöne Tal wird jeden, welcher für Natur schönheiten Sinn hat, auf längere Zeit genußreich beschäftigen. Mächtige Felsen, deren Hauptbestandteil Granit ist, umgürten die Ufer. Nackt ragen einige empor, andere sind mit Holz bekleidet. Nicht nur unter ihnen ziehen Reihen von Häusern sich hin, sondern auch zwischen und auf denselben gehen welche hervor, östlich ge wendet erblickt man einige der schönsten Gebäude der Stadt, und das Auge kann den belebten Strom, welcher in der Nähe angenehme Inseln bildet, in etwas weitere Ferne verfolgen. Doch nur zu bald wird auch hier die Aussicht durch den Pfennigberg begrenzt, welcher die Donau zu einer etwas südlichen Richtung nötigt. Dieser ostsüd lich liegende Berg und der Pöstlingberg, nördlich über dem Ufer, sind die beiden höchsten Puncte in der Nähe, ob sie schon, als Berge betrachtet, eine nur geringe Höhe haben. Der letzte erhebt sich 147 Klafter über den Spiegel der Donau, der erste 5 Klafter höher. Nicht leicht kann man, beinahe mitten in einer Stadt, eine so weite Aussicht genießen, als in dem kleinen Garten des Schloßberges. Ein großer Teil der Stadt, besonders der obern Vorstadt, liegt ausgebreitet von dem Blicke, welcher zugleich die nächsten Umgebungen überschaut. Westlich wird die Aussicht von dem Kapuziner berge bald geschlossen, östlich und südlich geht sie so weit, als der Pfennigberg und die Berge bei Ebelsberg verstatten. Über letztere schweift der Blick hinweg, um die Wiener-Landstraße bis nach öd zu verfolgen und mit hohem Genüsse auf einer Kette steiermärkischer Gebirge zu verweilen, welche tief im Süden den Horizont begren zen. Am schönsten ist, wegen des Contrastes, ihr Anblick zu einer Jahreszeit, wo in ; -r -, ;V. Der Linzer Hauptplatz. Kupferstich aus 1822 von Charles Heath nach einem Gemälde von Robert Batty (Stadtmuseum Linz). Foto: Franz Michalek, Magistrat Linz

der Nähe von Linz schon alles grünt und blüht, zum Teil auch reift, während jene Ge birge noch mit Schnee bedeckt oder überfurcht sind. Noch mannigfaltiger und aus gedehnter wird die Aussicht, wenn man vom Schloßberge die fortlaufende Anhöhe hinaufsteigt bis zu dem Wirtshause des Jägermayers. Der Platz, 125 Klafter lang und ungefähr halb so breit, ist mit schönen und hohen Häusern umgeben und würde zu einem der schönsten Plätze in der ganzen Monarchie gehören, wenn er nicht auf der nördlichen Seite etwas uneben wäre, wel ches bei der Lage der Stadt und ihrem Abhänge nach der Donau nicht abzuändern ist. Ihn zieren zwei Springbrunnen und eine Dreifaltigkeitssäule, welche Carl VI. im Jahre 1723 aufführen ließ. Ein nicht minder schöner, in mancher Hinsicht vielleicht schönerer Platz ist die Promenade an den beiden äußeren Seiten des Landhauses. Auch sie umgeben durchgängig schöne Gebäude, und in den Reihen ihrer Platanen und Akazien wandelt man beinahe mitten in der Stadt unter dem lieblichsten Grün. Mehrere angebrachte Bänke dienen zur Ruhe, einige hölzerne Gebäude zum Obdache. Im Jahre 1809 hatte Linz in allem 1243 Häuser, die eigentliche Stadt nicht mehr als 189, sämtliche Vorstädte zählten 912, und 142 lagen vor denselben zer streut, gehörten aber noch zur Gerichtsbarkeit der Stadt. Im Jahre 1811 betrug die Zahl der Häuser 1266, welches zum Teil daher kam, daß einige, welche vorher die Nummer des vorstehenden führten, eine besondere bekamen. Die Bevölkerung betrug im letzten Jahre 18256 Seelen, worunter sich 1366 Fremde befanden; rechnet man hierzu die Besatzung in ihrem schwächsten Zustande, und alle Personen, welche übrigens zum Militär gehören, so kann man die gesamte Bevölkerung füglich zu der runden Zahl von 21000 annehmen; die Zahl der Menschen, welche die Stadt bele ben, steigt aber noch höher, weil man dazu einen Teil der im Marktflecken Urfahr lebenden 2026 Menschen rechnen muß. Dieser den Grafen v. Starhemberg gehörige Flecken hat zwar seine eigene Gerichtsbarkeit, liegt sogar in einem andern Kreise, dem Mühlviertel, kann aber in mehr als einer Hinsicht für eine Vorstadt von Linz betrachtet werden, weil er nur durch die, auf achtzehn Jochen ruhende, 144 Klafter lange Brücke über die Donau davon getrennt ist, und seine Bewohner größten Teils von der Stadt leben und für dieselbe arbeiten. Linz hat drei Pfarrkirchen: die Stadtpfarrkirche, ein durch sein Alter ehrwür diges Gebäude, die den Kapuzinern gehörige Mathias-Kirche für die obere und die Josephs-Kirche im Kloster der Karmeliten für die untere Vorstadt. In der Stadt befin det sich noch die Minoriten- oder Landhauskirche, worin der akademische Gottes dienst gehalten wird, und die Domkirche, welche vormals den Jesuiten gehörte. In der Vorstadt stehen die Kirchen der Ursulinerinnen und Elisabethinerinnen dem all gemeinen Besuche offen. Letztere ist der schönen Karlskirche zu Wien im Kleinen nachgebildet. Seit die Stadt durch den Brand von 1800 das schönste ihrer weltlichen Gebäude, das Schloß verlor, behauptet das, ebenfalls abgebrannte, aber schöner wie der hergestellte Landhaus, den ersten Rang. Am Platze befindet sich das neue Maut haus, dessen nach der Donau gerichtete Seite sich gut darstellet, das Gebäude des Bancalamtes und des Rathauses, welches sich jedoch von anderen schönen Privat gebäuden nur durch den darauf befindlichen Turm unterscheidet. Auf dem Dom-

i. i \ m j !.^v |--'f 1 .Y-,^^x ■». .»e -i-Ci! iLll_ /i.^_.._.:_^_. Die Linzer Altstadt, Sepia-Federzeichnung von Joseph Kenner aus 1824 (Stadtmuseum Linz). Foto: Franz Michalek, Magistrat Linz platze dient ein schönes Gebäude, welches vormals den Jesuiten gehörte, gegenwär tig einem Grenadier-Bataillon zur Kaserne; das Seminarium in seiner Nähe ist dem Gymnasium eingeräumt worden, nachdem das neue Seminarium in der Harrach vollendet war. Das Theater an der Promenade, der Bürgerhof und das Bibliotheks gebäude an der Landstraße, vornehmlich aber der Bischofhof in der Herrengasse ver dienen als schöne Gebäude nicht weniger Aufmerksamkeit, als in der untern Vor stadt das Prunnerstift, die Wasserkaserne von einem gewaltigen Umfange, die weit läufigen Gebäude der kk. Fabrik und das Bräuhaus, welches eines großen Raumes bedarf, weil es das einzige in der Stadt ist. Es verbindet mit einer guten bequemen Ein richtung seltene Festigkeit, ist bis unter das Dach gewölbt und mit starken Pfeilern gestützt. Besonders hoch sind die Gewölbe im Erdgeschoße; die Malztennen im ersten Stock gleichen großen Sälen, und nicht weniger groß, aber niedriger sind die Gemächer im zweiten Stock, wo die reichen Vorräte von Malz und Hopfen auf bewahrt werden. Zu bedauern ist es nur, daß es wegen der Nähe der Donau keine tie fen Keller haben kann, auch kein fließendes Wasser hat. Letzterem Übel könnte mei nes Bedünkens durch ein Schöpfwerk in der Donau, wenigstens für den größten Teil des Jahres, abgeholfen werden. Unter den Privatgebäuden ist das vormals Khevenhüllerische, worin die Erz herzogin Elisabeth ihre letzten Jahre verlebte, vorzüglich wegen seiner Größe bemer kenswert. Überhaupt hat Linz, in der Stadt wie in den Vorstädten, eine Menge wohl-

gebauter, breiter urrd hoher Häuser, welche, wenn man zwischen ihnen hinwandelt, den Wunsch noch lebhafter machen, daß das Pflaster der Straßen im allgemeinen besser sein, nicht hier und da, selbst in der Stadt, gänzlich mangeln, und für die Reini gung derselben etwas mehr als nichts geschehen möchte. Die meisten dieser Häuser sind, das Erdgeschoß mitgerechnet, drei bis vier Stock hoch, einige wenige fünf; viele sind mit Blitzableitern versehen. Ihre Ansicht gewinnt nicht wenig durch die Dächer italienischer Bauart, wie durch den Contrast einzelner, neben ihnen stehender, welche durch ihre Anlage und ihre zum Teil turmähnlichen Erker ihr hohes Alter verkünden. Zur Bequemlichkeit der Fußgänger befinden sich nahe an den Häusern der gangbar sten Straßen Gänge von breiten Steinen, welche jedoch hier und da einer Ausbesse rung bedürfen. Die Vorstädte haben zum Teil in den Fahrwegen Schotter, die meisten an den Seiten Pflaster. Die Beleuchtung, welche auch in den Sommermonaten nicht ausgesetzt wird, erstreckt sich über die Stadt und die besuchtesten Gassen der Vor städte. Linz hat für seine Größe eine beträchtliche Anzahl von Wirtshäusern, deren zwei unter die besten in Deutschland gehören; auch findet man in einigen Wirtstafeln. Die drei Kaffeehäuser sind zugleich wie sämtliche Wirtshäuser Bier- und Weinhäu ser. Besondere Häuser letzterer Art findet man nicht. Liebhaber des Badens finden in einigen Badhäusern in der Nähe der Donau Gelegenheit dazu, doch fehlt es bis jetzt noch an einer Anstalt, in den Fluten der Donau bequem und verdeckt zu baden. Bekanntlich stand Linz unter dem Bistum Passau, bis Joseph der Zweite daselbst 1784 ein eigenes Bistum stiftete. Zur Wohnung des Bischofs überließ das Stift Kremsmünster sein schönes pallastähnliches Haus in der Herrngasse. Das Dom kapitel wurde mit den Klostergütern von Baumgartenberg, Waldhausen und Wind hag dotiert, zur Dotation des Bischofs widmete Joseph die Güter der aufgehobenen Klöster Gleink, Steyergarsten und Mondsee, wovon letzteres durch den Wiener Frie den weggefallen ist. Außer den vier schon erwähnten Klöstern, von welchen die beiden Mönchs klöster nur noch schwach besetzt und dem Aussterben nahe sind, ist hier noch ein Kloster der Barmherzigen Brüder, welches eine Einrichtung auf 48 Betten, doch in Notfällen für 60 Kranke Raum hat. Bei den Elisabethinerinnen befinden sich 32 Bet ten. Die Gebäude beider wohltätiger Orden sind ansehnlich und zweckmäßig ein gerichtet; sie haben auch Gärten und eine sehr gute Lage, daß sie nicht glücklicher hätten gewählt werden können, um den doppelten Zweck zu erreichen, Krankenhäu ser von sehr belebten Straßen zu entfernen und den Kranken zugleich eine reinere Luft zu verschaffen, als sie in jenen Straßen sein kann. In der Stadt leben zwar mehrere Protestanten, doch sind sie nicht zahlreich genug, eine eigene Gemeinde zu bilden; die nächste befindet sich in Thenning. Das Lyzeum, welches unter Joseph dem Zweiten manche Erweiterung erhielt, hat neuerlich die Beschränkung erfahren, daß aus Mangel an studierenden Jünglin gen die juristische Facultät in zwei Jahren eingehen soll. Die chirurgische Facultät beschränkt sich auf Vorlesungen über theoretische und praktische Geburtshülfe. Im Jahre 1810 wurde auch eine Lehrkanzel der Landwirtschaft errichtet und dem Pro-

fessor derselben ein nicht unbeträchtliches Gut in der Vorstadt übergeben, welches davon den Namen ,Musterfeld' bekommen hat. Der Professor kann demnach mit Vorlesungen praktische Übungen verbinden, und weil diese nicht allein von den Stu dierenden, sondern auch von vielen Beamten und Offizieren besucht werden, so läßt sich hoffen, daß dieser neue Lehrstuhl zur höhern Vervollkommnung der Landwirt schaft in OberÖsterreich nicht wenig beitragen wird. Tätig für dieselbe wirktauch der als Physiker und Botaniker berühmte Bischof aus dem Geschlechte Idohenwart, wel cher auf seinen Gütern von in- und ausländischen Ackerbaumaschinen Gebrauch machen läßt.® Das Gymnasium mit inbegriffen befinden sich in Linz ungefähr 400 Studen ten, wovon Lyzeisten den größten Teil ausmachen. Das Lyzeum hat viele, zum Teil reiche Stipendien, deren einige landesherrlich oder ständisch sind, andere Familien stiftungen; einige rühren vom nordischen oder prunnerischen Stifte her. Die Semina risten wohnen gemeinschaftlich in dem Gebäude, welches ihnen der vorige Bischof, der allgemein geschätzte Gall, in der Harrach in der untern Vorstadt gewidmet und dazu sein ganzes Vermögen verwendet hat. Diese Stiftung geht bis jetzt auf 44. Außer der Normalschule sind noch drei Trivialschulen für Knaben und zwei für Mädchen, dann die Schule bei den Ursulinerinnen. Bei der Normalschule befindet sich die Sonntags kunstschule, wo Handwerker und andere Unterricht im Zeichnen erhalten. Die ständische Ingenieurschule hat eine bestimmte Anzahl von Freistellen. Die von den Ständen angestellten Lehrer erteilten im Zeichnen und Reiten, in der französischen und italienischen Sprache Unterricht. Für die Studierenden in Linz ist die öffentliche Bibliothek eine wesentliche Hülfe, ob sie schon nicht unter die vorzüglicheren gehört.^ Sie entstand zuerst aus der Bibliothek der Jesuiten und wuchs durch Ankäufe und Bücher aus den aufgehobenen Klöstern auf mehr als 22000 Bände an. In einem Hause auf der Landstraße, welches vormals dem Kloster Baumgartenberg gehörte, befindet sie sich in einem hellen, wohleingerichteten Lokale, das jedoch etwas zu eng ist. Unter die Merkwürdigkeiten gehört es, daß diese nicht reiche Büchersammlung 500 Incunabeln zählt. Sie besitzt mehrere schätzbare Werke, ist aber freilich außer Stande, viel Neues anzuschaffen, weil sie jährlich nicht mehr als 300 fl. darauf verwenden kann. Das aus drei Indivi duen bestehende Personale unterhält das Stift Kremsmünster, von dessen Geistlichen einer das Amt eines Bibliothekars bekleidet. Im zweiten Stock des Bibliotheksgebäu des befindet sich das Museum, welches ebenfalls aus den aufgehobenen Klöstern zusammengebracht wurde. Man sieht hier eine Menge mathematischer und physi kalischer Instrumente, unter welchen man jedoch wenig Bemerkenswertes findet.^ Zu neuen Anschaffungen fehlt es an Fond, weil dem Professor der Physik zu Experimen ten nicht mehr als 60 fl. angewiesen sind. Merkwürdiger in seiner Art ist das Privat- ® Josef Lenzenweger, Der Kampf um eine Hochschule für Linz. Linz 1963. - Hans Siurmhtrger, Das Graduierungsrecht des Linzer Lyzeums (in: Eröffnungsschrift Hochschule Linz, Linz 1966, S. 63 ff.). ^ Vgl. Pillwein, S. 222. ' Ebd., S. 225.

cabinet des Aufsehers über das Museum, des P. Hösel, welches besonders an elektri schen Werkzeugen sehr reichhaltig ist. Für seine Größe hat Linz schöne Wohltätigkeitsanstalten. Die umfassendste davon ist das Prunnerstift, zu welchem der reiche Kaufmann Prunner 1734 in seinem Testamente 181000 fl. widmete.® Unter Joseph des Zweiten Regierung, welcher sämt liche Stiftungen zu einem gemeinschaftlichen Fond vereinigte, wurde das Haupt gebäude dieses Stiftes zu einem Gebärhause, das Seitengebäude zu einem Irrenhause eingerichtet. Das Beisammenleben in Spitälern und Waisenhäusern findet nicht mehr statt. Die Pfründler in den ersten erhalten etwas Bestimmtes; diejenigen Kinder, welche, wenn noch Waisenhäuser beständen, einen Platz darin finden würden, blei ben bei ihren Verwandten oder werden gleich den Findelkindern untergebracht, und ihre Pfleger beziehen von der Versorgungsanstalt eine festgesetzte Summe. Unstrei tig hat diese Verpflegung der Waisenkinder manches Vorzügliche vor dem Zusam menwohnen in Häusern, wo sie nicht selten verkrüppeln, vorausgesetzt daß man in der Wahl ihrer Pfleger sorgfältig ist. Bekannt mit einem großen Teile von Deutsch land, habe ich nicht selten die Bemerkung gemacht, daß die Pflegeeltern solcher Kin der sehr wenig elterlich an ihnen handelten und ihre Aufnahme als einen Erwerbs zweig betrachteten. Man findet unter solchen Personen gewissenlose, welche die Kleinen in den ersten Jahren der Kindheit schlecht nähren, um von dem Kostgeld mehr für sich zu ersparen, wodurch eine Menge dieser Kinder hingerafft wird; andere gleich schlecht denkenden Personen strengen die heranwachsenden Kinder, um sie mehr zu benutzen, mit Arbeiten an, welche ihre Kräfte übersteigen, wodurch sie oft zu Krüppeln werden. Diesen Übeln läßt sich allerdings vorbeugen, wenn man auf die Auswahl der Verpfleger solcher von der Welt verlassener Kinder die nötige Sorgfalt verwendet. Eine Stiftung von 3000 fl., welche in der Absicht geschah, jährlich zwei Bür germädchen mit 60 fl. auszustatten, besteht noch in ihrem ursprünglichen Zwecke, und der Magistrat bestimmt diejenigen, welche diese Aussteuer bekommen. Linz hat kein allgemeines Krankenhaus, da für seinen nicht großen Umfang die Krankenhäuser der Barmherzigen Brüder und der Elisabethinerinnen hinrei chend sind. In diese kommen die gewöhnlichen Kranken; mit ansteckenden Krank heiten Behaftete finden Verpflegung im Lazaret. Die Unheilbaren oder solche, deren ansteckende Krankheiten sehr langwierig sind, werden aus dem städtischen Lazaret, wie aus allen andern in Oberösterreich, nach dem Siechenhause zu Münzbach gebracht. Dem Militär ist ein besonderes Lazaret vor der Stadt bestimmt.' Zu dem Armeninstitute, wie es gegenwärtig besteht, wurde unter der Regie rung Josephs des Zweiten der Grund gelegt. Der Fond, welcher durch andere Zuflüsse vermehrt wurde und noch fortdauernd durch bestimmte Abgaben von Verlassenschaften Vermehrung erhält, war nicht unbeträchtlich, muß aber, wie an den meisten Orten, vornehmlich auf freiwillige Beiträge rechnen, um den nötigen Bedarf ® Ebd., S. 259. 'Ebd., S. 254ff.

bestreiten zu können. Ein kleiner Teil des Schlosses ist voriges Jahr wieder hergestellt und für Züchtlinge eingerichtet worden, die man aus Baumgartenberg dahin versetz te.^® In Linz herrscht viele Industrie, und überhaupt ist in dem Traun- und Mühl kreise so reger Gewerbsfleiß, daß sie in dieser Hinsicht nur von dem Kreise Unterwie nerwald übertroffen werden. Als Stapelstadt an der stark befahrenen Donau hatte Oberösterreichs Hauptstadt schon längst einen lebhaften Handel; ihre Fabriken blühten aber erst in neueren Zeiten zu dem Flor auf, in welchem sie gegenwärtig ste hen. Die k. k. Wollenzeugfabrik, diese fruchtbare Mutter so mancher neuerer Fabri ken, nenne ich hier nur, weil diese Blätter gelegentlich eine umständlichere Darstel lung derselben geben werden. An privilegierten Fabriken befinden sich in der Stadt eine in Tuch und Casimir, eine in Farchet und Baum wollwaren, eine türkische Kap penfabrik, eine Spielkartenfabrik und eine Fabrik von baumwollenen Strümpfen. Außer diesen zählt die Stadt noch mehrere Fabrikanten von wollenen und baumwol lenen Waren und in der umliegenden Gegend sind nicht nur noch verschiedene pri vilegierte Fabriken, sondern auch schon von älteren Zeiten her eine Menge Weber, besonders im Mühlviertel, wo beinahe jeder Bauer einen oder mehrere Webstühle hat, und wo sich Weber befinden, welche dreissig bis sechzig Stühle beschäftigen. Zwei Lederhandlungen und Gerbereien in der Stadt verdienen wegen des Umfanges ihrer Geschäfte ebenfalls unter die Fabriken gezählt zu werden." Besondere Großhändler sind in Linz nicht, doch machen unter den sieben Spezereihandlungen einige auch bedeutende Geschäfte im Großen und stehen, wenn die Meere offen sind, mit England, Frankreich, Spanien, Holland und Rußland in unmittelbarer Verbindung, beschäftigen sich auch mit Speditions- und Wechselhan del. Schnitthandlungen zählt Linz neun. Eisen- und Geschmeidehandlungen zwei und eine Nürnbergerwarenhandlung. Unter den vier Apotheken befindet sich auch die den Barmherzigen Brüdern gehörige. Buchdruckereien sind vier, der Buchhand lungen eben so viele, unter letzteren Haßlingers und Lurichs die tätigsten. Sie beschäf tigen sich auch mit Musikalienhandel und letzterer vereinigt damit eine Kunsthand lung. Der gesamte Handel von Linz wird nicht wenig begünstigt und belebt durch die Schiffahrt auf der Donau und die beiden jährlichen Märkte, wovon jeder vierzehn Tage dauert. Können sie schon mit den beiden größten Messen in Deutschland, der Leipziger und Frankfurter, nicht verglichen werden, so kommen sie doch mancher andern gleich oder übertreffen sie wohl und sind besonders für den innern Verkehr sehr wohltätig, so wie alle andere Märkte in den österreichischen Staaten, wie dieses in einer Monarchie von 20 Millionen Einwohnern, welche ihren Bedarf an Fabrikund Manufakturwaren, mit wenig Ausnahme, selbst erzeugt, notwendig der Fall sein muß. Auf den Linzer Märkten, welche auch viele benachbarte ausländische Einkäufer ' Das 1800 einem Brand zum Opfer gefallene Linzer Schloß wurde im Jahre 1808 zum Teil wieder in stand gesetzt. Von 1811 bis 1851 diente es als Strafanstalt. Nähert Grabherr, Burgen und Schlösser in Oberösterreich, 3. Aufl., Linz 1976, S. 154. Vgl. PiUwein, S. 280 ff.

besuchen, werden die größten G eschäfte in Tuch, Leinwand, Zwirn, Leder und steieri schen Eisenwaren gemacht. Die Lage an der Donau verschafft Linz einen ziemlich lebhaften Speditionshandel, der auch zu Lande, besonders mit levantinischen Waren, beträchtlich ist. Unter den Vergnügungen der Linzer steht das Theater billig voran, teils weil es sich in seiner Art nicht ohne Vorteil auszeichnet, teils weil es unter allen Unterhal tungen die allgemeinste und beständigste ist. Schon seit dreißig Jahren hat Linz ein stehendes Theater, und es zeugt von großer Neigung dafür, daß es sich in dieser nicht großen Stadt erhalten konnte. Der Brand von 1800 störte es, doch bald erhielt die Stadt ein schöneres. Mit einem Aufwände, den man auf 96000 fl. schätzt, widmeten die Stände von Oberösterreich dem öffentlichen Vergnügen ein Gebäude, welches an der Promenade aufgeführt wurde, und von außen wie im Innern so schön und geschmackvoll als bequem eingerichtet ist. In demselben befindet sich das Theater nach dem Muster des schönsten Theaters in Wien, dem von Schikaneder an der Wien gegründeten, erbauet, doch nach einem etwas zu sehr verjüngten Maßstabe, daher es der immer steigenden Bevölkerung, zu welcher man in dieser flinsicht auch Urfahr mitrechnen muß, bald an Raum gebrechen wird. Dieses Theater ist geschmackvoll ausgeziert, und 22 Decorationen, welche die Stände dazu von einem berühmten Wiener Theatermaler verfertigen ließen, sind so brav gemalt, daß sie auch in den größten Städten gefallen würden. In demselben Gebäude befindet sich der Redoutensaal, dessen flöhe durch zwei Geschoße geht und von welchem man das selbe bemerken muß wie vom Theater. Auch er ist so schön, daß wenige Städte von dieser Größe einen ährJichen besitzen, doch möchte man ihm allerdings etwas mehr Raum wünschen. Die Zimmer auf der linken Seite im ersten Geschosse sind einem Casino eingeräumt. Im Flofe des Gebäudes steht die ständische Reitschule, worin öffentlicher Unterricht erteilt wird und zur Marktzeit Kunstbereiter und Equilibristen ihre Künste zeigen.^^ Neben dem Theater gewährt das Tanzen fast allgemein der nach Vergnügen strebenden Welt die meiste Unterhaltung. So auch in Linz, obgleich hier, wie in Öster reich und im ganzen südlichen Deutschland, weniger getanzt wird als im nördlichen in größeren Städten, wo jeder Freund dieser Unterhaltung, wenn er in der Wahl der Tänzerinnen nicht sehr bedenklich ist, täglich seiner Neigung folgen kann, nur wenige Wochen im Jahre ausgenommen, flier ist dieses nicht möglich; außer dem Fasching und etlichen Bällen zur Zeit der Märkte bietet sich Gebildeten keine Gele genheit zum Tanzen dar, wenn nicht vielleicht zuweilen eine Hochzeit mit einem Ball gefeiert wird. Wohl findet man sonntags an einigen Orten Tanz, allein die Gesell schaft ist von einer Art, daß sie eben nicht zur Teilnahme einladet. Umso allgemeiner ist dieses Vergnügen zur Zeit des Faschings. Redouten und Casinobälle wechseln mit einander ab; die letzteren werden besonders vom Adel und von solchen Personen besucht, welche an der gemischten Gesellschaft auf Redouten keinen Geschmack fin den; sind aber nie so stark besucht als letztere, welche eine, Linz eigene, Belustigung Ebd., S. 316 ff.

- '•» Bat,Theai<ti'uSCkflirnr. Das Theater und Casino. Aquarell von F. Laudacher aus 1837 (Stadtmuseum Linz). Foto: Franz Michalek, Magistrat Linz vorausgeht, ein Kinderball, deren jeden Fasching zwei gehalten werden. Kinder vom niedrigsten Alter, sobald sie nur von ihren Beinen freien Gebrauch machen können, bis an die Grenzlinie zum jungfräulichen und zum Jünglingsalter drehen sich vom Anfange der Redoute von 6 bis 10 Uhr lustig im weiten Saale herum, und die Alteren nehmen als Zuschauer an dem Vergnügen teil. Mit dem Anfange der Redoute ver schwinden die Kleinen zum größten Teile, einige geübtere Tänzer mischen sich aber noch länger unter die Erwachsenen. Bei Redouten dieser Art werden zuweilen über 1000 Billete ausgegeben; zu gleicher Zeit hat aber eine solche Zahl Personen im Saale nicht Platz; denn der Raum wird schon ziemlich beengt, wenn sich auf einmal 500 bis 600 darin befinden. Außer diesen Gelegenheiten zum Tanzen gibt es noch mehrere in mancherlei Sälen, welche sich nach den verschiedenen Volksklassen bis zu der niedrigsten her unter abstufen. Mehrere Familien, auch von der BGasse der gewerbetreibenden Bür ger, geben Idausbälle, um sich in einem kleinen Zirkel näherer Bekannten ungezwun gener freuen zu können, oder auch der gemischten Gesellschaft auszuweichen, die man auf jeder Redoute überall findet, und welche besonders den Strengeren unter

dem schönen Geschlechte anstößig ist, wogegen sie dem größeren Teile des männ lichen einen Reiz mehr gewährt. Der gewöhnliche gesellschaftliche Umgang in Linz gewinnt dadurch sehr, daß das schöne Geschlecht von allen Klassen lebhaften Anteil daran nimmt und in Gesellschaft der Männer die öffentlichen Orte aller Art besucht, doch nicht die Kaf feehäuser. Der Ruhm der Schönheiten von Linz hat sich durch mehrere Reisende all gemein verbreitet, obschon der eigentlichen Schönheiten, nach strengen ästhetischen Regeln, hier nicht mehr sein mögen, als verhältnismäßig in andern Städten." Findet man indeß auch nicht viele griechische Profile, so sieht man doch eine Menge reizvoller, blühender, voller, zum Teil hoher und schlanker Gestalten. Sonst wurden diese Reize vielleicht noch mehr hervorgehoben durch die den Linzerinnen eigene gefällige ICleidung; seitdem sich aber das schöne Geschlecht nach griechi schem Schnitte modelte, ist die Tracht in ganz Deutschland in größeren Städten sich gleich, und die Linzerinnen unterscheiden sich nur noch durch die Goldhauben, welche unter dem Bürgerstande Nationaltracht sind und eine gefälligere Form haben als in manchen anderen Gegenden. Die Frauenzimmer haben meist einen leichten Conversationston. Selbst unter denen vom Bürgerstande findet man zuweilen eine nicht gemeine Bildung, da manche der reichen Bürger ihren Töchtern eine bessere Erziehung geben, sie im Ciavier, Singen, im Französischen und Italienischen unter richten lassen. - Wie überall im südlichen Deutschland findet man auch hier die für das Ganze wohltätige, dem Menschenfreunde erfreuliche Mischung der Stände in öffentlichen Gesellschaften, besonders in solchen, die sich im Freien versammela (Der Beschluß folgt) Innerhalb der Vorstädte befinden sich mehrere Gesellschaftsgärten, wovon jedoch die meisten weniger eigentliche Gärten sind, als mit Bäumen bepflanzte Plätze, welche übrigens eine zur gesellschaftlichen Unterhaltung bequeme Einrichtung und die dazu nötigen Gebäude haben. Einen öffentlichen Garten, welcher diesen Namen wirklich verdient, wird Linz wahrscheinlich nicht eher bekommen, als bis der Mayrederische, welcher schon zum Teil dazu eingerichtet war, dem Publicum gänzlich geöffnet wird. Er wurde von den Jesuiten angelegt und hätte bei seiner Größe hinläng lichen Raum, auch Anlagen im neuern Geschmack mit besonderer fiinsicht auf gesellschaftliche Unterhaltung zu machen. Unter den jetzt bestehenden Gärten hat ein nicht fern vom Kapuzinerkloster gelegener, das fiagerstöckel genannt, für einen Fremden das meiste Interesse, weil er wegen seiner höhern Lage eine weite schöne Aussicht darbietet. Ein nettes Gärtchen unweit des Prunnerstiftes, in welchem ein im Freien stehender ungeheurer Feigenbaum unter dieser Breite allerdings eine Merk würdigkeit ist, bietet zwar keinen Raum zum Lustwandeln dar, doch dazu ladet die schattenreiche Allee ein, welche in der Nähe anfängt, bis zum kaiserlichen Fabrik gebäude führt und in und bei Linz die einzige ist. Eine Nationallustbarkeit der Linzer ist eine Art von Scheibenschießen, welche im Winter stattfindet. Auf Sälen sind zwei bis drei Schießstätten angelegt. Nach kleiEbd., S. 321 ff.

nen Scheiben von ungefähr einem halben Fuß Durchmesser, welche transparent erleuchtet sind und das Ziel nicht in der Mitte, sondern auf einem andern beliebigen Punkte haben, schießt man mit Stachelbolzen aus einer besonderen Art Windbüch sen. Ungeachtet dazu ein sehr gutes Auge erforderlich ist, findet man doch viele geübte Schützen. Die Stadt hat viele schöne Umgebungen, doch nur einen einzigen Ort in der Nähe, wo die Kunst der Natur zu Hülfe gekommen ist. Die Wege nach einigen Belusti gungsorten haben keine andern Reize, als welche das Wandeln über blumige Wiesen oder an üppig grünenden Feldern vorbei, deren Raine zuweilen mit Obstbäumen besetzt sind, oder das Ziel, ein Wirtshaus mit Erfrischungen, darzubieten vermögen. Der eine kleine Stunde weite Weg nach dem Dorfe Zizlau wird durch den Anblick der schönen Traun belohnt, welche sich hier mit solcher Gewalt in die Donau stürzt, daß sie das Wasser derselben gewissermaßen zurück drängt." Nach dem Einflüsse ist ihr helleres Wasser noch lange Zeit sichtbar, bis sich der immer schmäler wer dende blaulichtgrüne Streifen mit dem Wasser der Donau vermischt, welche hier, und nachdem sie weiter unten die Enns aufgenommen hat, selbst eine weit schönere Farbe bekömmt, als sie oberhalb des Einflusses der Traun hat. Am diesseitigen Ufer der Donau ist der Spaziergang nach St. Margarethen der einzige, welcher höhere Reize darbietet, weil er längst dem Ufer der Donau an Felsen hinläuft. Geht man von hier über den Calvarienberg zum Jägermayer, so wechseln mannigfaltige schöne Aussichten miteinander ab. Die angenehmsten Spaziergänge befinden sich über dem nördlichen Ufer der Donau." Sehr nahe sind Buchenau und Hagen, wovon letzteres eine sehr schöne Aussicht gewährt. Schöner in jeder Hinsicht und einladender für solche, welche Gegenden vorziehen, wo Kunst sich mit Natur vereinigt, ist der Spaziergang nach dem Auhof, einem dem Grafen Starhemberg gehörigen Gute. Nordöstlich wandelt man eine Weile dem Ufer der Donau entlang, an dessen entgegengesetzter Seite meh rere der vorzüglichsten Gebäude von Linz schön in das Auge fallen, besonders die kaiserliche Fabrik, die Wasserkaserne und das Bräuhaus. Die hügelichte Gegend links und vorwärts nach Osten vervielfältigt die Ansichten. Nach einer Stunde gelangt man an den aus wenig Häusern bestehenden Ort, dessen Garten von der Liberalität seines Besitzers dem öffentlichen Besuche geöffnet worden ist und für Linz umso anziehender sein muß, da man gar keine ähnliche Anlage in der Nähe hat. Zu einem vollständigen englischen Garten mangelt es ihm an Größe, doch ist seine Anlage so gut, daß er auch in dem größten eine der schönern Partien machen würde. Die Gänge seines Gehölzes gewähren erquickenden Schatten, und das mannigfal tigste Grün wechselt in diesen Anlagen, welche für den Forstkundigen und Botaniker vornehmlich anziehend sind, weil sie alle Arten auch ausländischer Bäume und Gesträuche enthalten, welche im hiesigen Klima fortkommen. Selbst zu dem Stu dium der Forstbotanik geben sie eine sehr gute praktische Anleitung, denn die Bäume sind auf Täfelchen mit ihren Namen bezeichnet. " Ebd, S. 350 ff. Ebd, S. 333 ff. und 342 ff.

Nach dem Auhof werden viele Spazierfahrten gemacht, genußreicher ist aber der Weg zu Fuß, besonders wenn man auf dem Rückwege den kleinen Umweg über Magdalena macht, einem Hügel mit der Pfarrkirche für die umliegenden Ortschaften und Güter und mit wenigen Häusern. Schon auf dem Wege nach dem Auhof, wo man diese Anhöhe links hat, ladet sie freundlich ein, von ihr herab die malerische Gegend zu überschauen. Die Phantasie schafft sich schon im voraus ein Bild davon, doch findet man die Erwartung noch weit übertroffen und sich für die kleine Mühe des hier und da etwas beschwerlichen Weges reichlich belohnt, wenn man auf der Spitze des Hügels der weiten Umsicht genießt. Hier vorzüglich nimmt die Stadt sich gut aus und man übersieht sie beinahe ganz. Bei Magdalena ist der Eingang zu dem bis jenseits des Pöstlingberges und nach Wildberg sich fortziehenden Haselgraben, worin man viele pitoreske Ansichten findet. Auch er belohnt reichlich für einige Beschwerlichkeiten des Weges, und die Berge und Felsen, durch welche der Hasel bach oft mit der gewöhnlichen Wildheit der Waldströme rauscht, bilden einige Par tien, welche sich dem Grotesken nähern. Der ungefähr drei Stunden lange, der Fami lie Starhemberg gehörige Landstrich vom Garten des Auhofes bis zu dem Ausgange des Haselgrabens und Wildberg würde sich mit wenig Mühe und Kostenaufwand in so schöne englische Anlagen umschaffen lassen, daß sie mit den berühmtesten, welche Deutschland besitzt, um den Rang streiten könnten. Der Mühe wert ist es, den Pöstlingberg zu besteigen,'^ welches auf dem näch sten Wege, der über Urfahr unmittelbar dahin führt, und wo man, bevor man den Gipfel erreicht, bei einem Wirtshause vorbeikommt, bequem in einer kleinen Stunde geschehen kann. Auf dem Gipfel des Berges steht eine mit Blitzableitern versehene Kirche, deren Marienbild wenig Wallfahrer mehr herbeizieht. Weil die Feinde im Jahre 1809 hier auf der Spitze Schanzen anlegten und das Holz niederhauten, ist die Aussicht freier geworden. Von den lieblich pittoresken Gegenden gehört sie unter die schönsten, welche man sehen kann, und gibt von der umliegenden Gegend ein Pan orama, welches einer Zeichnung würdig wäre, doch nicht nach allen Seiten gleiche Ausdehnung hat. Das Erhabenste in dieser Partie ist die mächtige Donau mit ihren vielen Inseln. Westlich überblickt man sie bis über Efferding, östlich verfolgt man ihren Lauf bis in die Gegend von Grein, in dessen Nähe der Strudel und Wirbel ist. Ostsüdlich überschaut man die Gegend und die Landstraße nach Wien bis nach Amstätten, vier Posten von Linz entfernt; etwas mehr südlich sieht man den Sonn tagsberg. Ganz nach Süden gewendet schweift der Blick bis in die Gegend von Steyer und Kremsmünster, dessen mathematischen Turm man bei hellem Wetter entdeckt. Darüber hinaus verlieren sich die steyermärkischen Gebirge im Horizont. Nördlich wird die Umsicht durch vorliegende Anhöhen auf wenige Stunden beschränkt; doch wird man Grammerstetten, Helmondsöd usw. gewahr. Noch mehr beengt ist sie nordöstlich, wo sie von dem Pfennigberg und weiter von dem Luftenberg geschlos sen wird. Alle Orte und Schlösser aufzuzählen, welche sich auf diesem erhabenen Punkte dem Auge darstellen, würde langweilig sein und dabei unnütz, weil jeder Ebd., S. 339 ff.

Beschauer sie in Geleitschaft eines guten Führers oder mit einer kleinen Karte, welche unter dem Titel ,Die Umgebung von Linz' bei Artaria erschienen ist, besser finden kann, als es ihm nach der ausführlichen Beschreibung möglich sein möchte. In der Nähe von Linz befinden sich zwei Bäder, wo man freilich keine Vergnü gungen und Lustbarkeiten, wie in großen Badeorten, suchen darf, die aber doch die Unterhaltung vermehren, auch von guten fieilkräften sind. Noch werden sie wenig besucht, haben auch zu zahlreichem Zuspruche weder Raum noch Einrichtung. Kirchschlag, nur drei Stunden entfernt, liegt in einer beinahe geraden Linie nach Nor den. Es hat nur ein einzeln stehendes ffaus, und auf dem höchsten Punkte des Mühlviertels gelegen, ist die herrliche Aussicht daselbst sein vornehmster Reiz. Man findet hier alles wieder, was auf dem Pöstlingberge das Auge entzückt. - Über Buchenau und Ottensheim'' kömmt man in das, fünf Stunden entfernte Bad zu Mühllacken, dessen Gegend die Natur eine Menge schöner Spaziergänge und trefflicher Partien gab, die zum Teil den Charakter des Schauerlichschönen haben. Besonders ange nehm ist der einsame schattige Weg nach dem Ursprünge der ff eilquelle, die in einem schönen Wäldchen aus einem Felsen hervorsprudelt. Auf dem Gipfel eines andern Felsen liegt die dem Grafen von Starhemberg gehörige Burg Oberwallsee, ein mäch tiges Gebäude aus dem Mittelalter, in dessen noch erhaltenen Teilen man sich in jene Zeiten zurück versetzen kann. Auf einigen andern Bergen sieht man noch Trümmer von Burgen, auf welchen einst berühmte Ritter lebten. Wer sich einmal in Linz befindet, wird nicht verfehlen, das kaum drei Stunden weit entfernte, so schöne als berühmte Stift St. Florian zu sehen,'® welches ich hier nur berühre, weil eine Beschreibung desselben zu weitläufig sein würde, auch bereits von Herrn Doktor Sartori in dessen neuesten Reisen geliefert worden ist. - Mehr von Linz und Oberösterreichs Merkwürdigkeiten überhaupt findet man in einem von mir her ausgegebenen Werkchen, welches unter dem Titel ,Linz und seine Umgebungen' bei Eurich in Linz erschienen ist. G. H. Heinse" Das musterhafte neue Strafhaus in Linz" Schreiben des Herrn Pflegers Schleifer in Wallsee an die Redaktion der Vater ländischen Blätter: „Ich besuchte im verflossenen Sommer das neu errichtete Strafhaus für Criminal-Verbrecher in Linz und fand nach wenig Stunden, daß der Ruf, der die innere Einrichtung dieses Hauses als vortrefflich geschildert, beinahe noch zu wenig gesagt hafte. Kein Staat Europas hat ein ähnliches aufzuweisen; diese Behauptung mag kühn scheinen, aber sie ist wahr. Dieses Strafhaus dürfte nur in Frankreich oder in " Ebd., S. 396 ff. Ebd., S. 364 ff Vaterländische Blätter, Jg. 1812, S. 568-571; vgl. auch PiUwein, S. 274 ff. ; ein weiterer Artikel erschien in: Vaterländische Blätter, Jg. 1814, S. 363 f. und 371 f.; vgl. Anm. 10.

England errichtet worden sein, längst schon hätten Reisebeschreibungen und öffent liche Blätter ohne Zahl sich in die Wette beeifert, es als eine Anstalt zu schildern, die einzig in ihrer Art, in den andern gemeinen Winkeln des Erdkreises ewig nur ein frommer Wunsch bleibt. Die nachfolgende umständliche Beschreibung, die ich dem Herrn Verwalter des Strafhauses, Joseph Hopfauer, verdanke, macht es überflüssig, hier im Wesent lichen noch etwas hinzu zu fügen. Ich überlasse es der Redaktion der Vaterländischen Blätter, diese Beschreibung wörtlich oder in gedrängterem Auszuge bekannt zu machen. Es ist darin nichts übergangen, als daß der verdienstvolle Herr Regierungs rat, Graf August von Auersperg, der Schöpfer der Einrichtung dieses Strafhauses ist, der seinen ganzen warmen Enthusiasmus für Menschenwohl und Menschenwürde mit allen seinen hellen Ideen von der reinsten Humanität dem eben genannten Ver walter Joseph Hopfauer mitzuteilen wußte. Unermüdlich ist dieser zu allen Stunden des Tages wie der Nacht, unterstützt von einem braven Adjunkten (Hafner), beschäftigt, das Haus und die ganze Einrich tung in seiner schönen Ordnung und Reinlichkeit zu erhalten. Segen und Gedeihen seinem Eifer! Und Dank, des Vaterlandes wärmsten Dank dem Monarchen, der eine der Menschheit so teure Schöpfung entstehen hieß und das stattliche Schloßgebäude in Linz dazu anwies. Howards Ideal ist kein schöner Traum mehr; - nicht zufrieden, den Verbrecher bloß zu züchtigen, ihn im dumpfen feuchten Gewölben durch seinen eigenen Athem zu vergiften, durch elende Nahrung langwierig auszuhungern, durch freien Verkehr mit ruchloseren Bösewichtern den letzten Rest seiner Moralität zu Grunde zu richten, hat unsere landesväterliche Regierung eine Anstalt vollendet, wodurch die beleidigte Gesetzgebung Genugtuung erhält, die den verderbtesten Wüstling an Ordnung, Fleiß und Arbeit gewöhnt, die den Unwissenden, Rohen zu unterrichten, zu bilden weiß, die den verwahrlosten Zögling des Lasters zurückführt in die Arme der Tugend und so dem Vaterlande seinen Bürger bestraft - aber auch gebessert wieder gibt. Schleifer, Pfleger zu Wallsee." Schreiben des Herrn Verwalters Hopfauer an den Herrn Pfleger Schleifer: „Ihrer Aufforderung gemäß eile ich, Ihnen eine detaillierte Beschreibung der innern Hausordnung und Arrest-Polizei des hiesigen Criminal-Strafhauses zu über senden. Das schöne Locale des Linzerschlosses, welches Sr. Majestät zu einem Straf haus für Oberösterreich einrichten zu lassen geruheten, ist Ihnen ohnehin bekannt; von der außerordentlichen Reinlichkeit und Nettigkeit, dann der frischen reinen und gesunden Luft haben sie sich aus Erfahrung überzeugt, und werden gefunden haben, daß in allen den verschiedenen weitschichtigen Gemächern des Hauses nicht der mindeste üble Geruch zu finden sei, welchen man sonst in dergleichen Straförtern anzutreffen pflegt und welcher bei geringerer Nachsicht unter der Menge von so ver schiedenen rohen Menschen fast unvermeidlich wäre. Von jedem neuankommenden Sträfling, männlichen sowohl als weiblichen Geschlechtes, wird sogleich das Nationale und die Beschreibung aller mitgebrachten eigentümlichen Kleidungsstücke aufgenommen; dann wird der Arrestant durch den Schließer, die Arrestantin aber durch dessen Weib, in die Waschküche geführt, wo

■ öp Die Obere Donaulände mit dem Schloß. Aquarell von Joseph Knörlein aus 1823 (Stadtmuseum Linz). Foto: Franz Michalek, Magistrat Linz sie sich ganz nackt ausziehen und baden müssen. Nach dieser Reinigung bekommen sie neue frische Hauswäsche und Hauskleidungen, sodann werden sie dem Verwalter in der Kanzlei vorgeführt, wo der im Hause befindliche Seelsorger schon sich einge funden hat, der ihnen bei dieser Gelegenheit eine tröstende Lehre gibt und sie zur Arbeitsamkeit und Besserung ermahnet; nach diesem werden sie erst den übrigen Arrestanten beigesellt. Da in einem jedem Schlafarreste eine gedruckte Vorschrift für die Sträflinge angeheftet ist, so kann sich jeder Neuankommende von der Ordnung des Hauses und seinem zu beobachtenden Betragen selbst Kenntnis verschaffen. Das aufgenommene Nationale sowohl als die beschriebenen, mitgebrachten Kleidungsstücke werden in das in der Kanzlei vorhandene Protokoll eingetragen und die Kleidungsstücke in der Monturskammer auf die betreffende Nummer auf gehängt. Die nämliche Nummer hat der Arrestant auf seiner Hauskleidung, Hemd, Hosen und Schamperl (Jacke) angemerkt. Die Kleidung der männlichen Arrestanten

besteht in langen Hosen von weißem Bauerntuch, in dergleichen übereinander geschlagenen Schamperln, in einem Hemde und Schuhea Im Sommer haben sie weißleinene Gattjen, welche ihnen wöchentlich samt dem Hemd mit frischer Wäsche gewechselt werden. Die Weiber haben weißleinene Röcke, weiße Schürzen und Kor sette vom weißen Bauerntuch, im Sommer aber weißleinene Korsette. Alle diese Stücke samt den Hemden bekommen sie alle Samstage frisch gewaschen. Gesamte Hauswäsche müssen einige eigens dazu bestimmte Arrestantinnen waschen, welches jede Woche drei Tage nacheinander geschieht. Ebenso wird auch alle neue Haus wäsche im Hause selbst verfertigt; die Verwalterin, welcher samt dem Verwalter die Wirtschaft des Hauses anvertrauet ist, schneidet neue Wäsche zu, und die weiblichen Züchtlinge nähen selbe. Die männlichen Sträflinge sind im ersten und die weiblichen im zweiten Stocke; sie können auf keinen Fall zusammen kommen, auch nicht einmal einander sehen, weil jedes Geschlecht einen abgesonderten Hof hat, selbst nicht in der Kirche, weil die männlichen Sträflinge unter dem weiblichen Chor soweit zurückknieen, daß es unmöglich ist, hinab zu sehen. Jedes Geschlecht hat eigene reinliche Schlafarreste, in welchen mitten im Zimmer eine Laterne mit einer Öllampe herab hängt, welche die ganze Nacht brennt, damit die außerhalb stehende Schildwache durch das an der Türe angebrachte Glasfenster jede Bewegung der Arrestanten wahrnehmen könne. Ihre Betten bestehen aus Stroh, über welches ein zwilchenes Strohtuch geschlagen ist, zwilchenen mit Stroh gefüllten Kopfpölstern, einer Decke von weißem Bauerntuch, mit einem weißen Leintuch überschlagen. Alle sechs Wochen bekommen sie frisch gewaschene Bettwäsche und Stroh; die Kranken bekommen frische Betten und andere Wäsche, dann Stroh, so oft sie solches nötig haben. Die Kost der Gesunden besteht in Suppe mit zwei Knödeln oder aufgeschnit tenem Brot, dann in einem Zugemüse oder Hülsenfrüchten. Die Portion von Suppe sowohl als Zugemüse besteht in einem großen Seitl; nebst dem bekommt jeder Arre stant täglich ein Pfund gut ausgebackenes Brot von Kornmehl; alle Sonntage bekom men sie eine gute Rindsuppe samt Vi Pfund Fleisch, zwei Knödeln und Zugemüse. Die Kranken bekommen die vorgeschriebene Krankenkost, welche des Tags dreimal in einer guten eingekochten Rindsuppe besteht. Der Kranke wird gleich in das eigene Krankenzimmer gebracht und von dem beim Hause angestellten Arzt und Wundarzt behandelt. Die Medikamenten werden ihnen von den in jedem Krankenzimmer auf gestellten Krankenwärtern gereicht, welche die Kranken auch pflegen müssen. Die Reconvalescenten bekommen auf Anordnung des Arztes eine bessere stärkende Kost. Die Arbeit der männlichen Sträflinge besteht in Wollkämmen und die der weib lichen in Baumwollspinnen, in Stricken von Strümpfen und orientalischen Kappen. Die Arbeiten werden auf Rechnung der Verleger betrieben und der Arbeitslohn dem Strafhausfond verrechnet. Der Sträfling hat von seinen verrichteten Arbeiten eine bestimmte Belohnung, welche ihm aber bis zu seinem Austritte aufbewahret und dann erst, in Beisein des Seelsorgers, bar auf die Hand bezahlet wird, welcher sodann auch dem Austretenden eine heilsame Lehre und tröstende Ermahnung mit auf den Weg geben muß. Es gibt aber noch eine andere Art Belohnung, welche dem Sträfling, der sich durch besondern Fleiß über seine gesetzte Arbeit auszeichnet, zu Gutem

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