OÖ. Heimatblätter 1989, 43. Jahrgang, Heft 3

Wesen" nicht aufgesetzt, da er in Stifter wohl ein Vor- und Gegenbild zu der von ihm als ordnungsfeindlich empfundenen Moderne sieht (Henz, a. a. O.). Anstoß zum Nachdenken gibt die Beobachtung Friedrich Heers: „Die groß artige Landschaftsschilderung im ,Tod des Vergil' Hermann Brochs erinnert sehr präzise an Stifters Landschaftsschilderung im ,Witiko"' (Heer, 1961). Was aber von der Herstellung solcher Beziehungen zu halten ist, beweist doch schon der Umstand, daß Stifter die Klassikerrolle nicht einfach zugeschrieben wird, sondern daß er tat sächlich im Kontinuum einer österreichischen Literatur einen wichtigen Platz ein nimmt. Zu den Versuchen, die Bedeutung Stifters in der Geschichte der österreichi schen Literatur zu bestimmen, zählen auch einige wenige, die Stifter der weiterwir kenden Barockliteratur zuordnen, indem bei ihm das Weiterwirken der „Idee einer überindividuellen Seinsordnung" festgestellt wird (Suchy, 1959). „Die entscheidende Epoche einer österreichischen Literaturentwicklung eigenständiger Art tritt aber besonders bei Grillparzer und Stifter ein. Bei den österreichischen Klassikern müßte man zu den Ergebnissen bei der Erforschung der geistigen Eigenart gelangen können" (Rieder, 1967). Hieher gehören auch Formalisierungen wie die vom „Genie-Schub der Grillparzer, Nestroy, Raimund, Lenau und Stifter im Vormärz" (Hilde Spiel, im „Anschluß" in der FAZ, 1978). Der Zusammenstoß zwischen Hebbel und Stifter taucht in den Veröffent lichungen erstaunlich oft auf, ohne jedoch genau analysiert zu werden. Karl August Horst sieht in der Kontroverse einen Beweis für die „Verständnisschwäche" des Deut schen „im Umgang mit österreichischer Dichtung" (Horst, 1955). Kurt Ackel spricht zwar vom „Austausch geistiger Güter" zwischen Deutschland und Österreich, fährt dann jedoch fort: „Aber wenn der Vertreter österreichischer Geistigkeit und der Ver treter deutscher Geistigkeit von den gegensätzlichen Grenzen ihres Wesens zusam mentreffen, Stifter und Hebbel, dann stehen das sanfte Gesetz und die Welttragik einander brückenlos gegenüber" (Ackel, 1956). Generell wird Stifter für den Konservativismus vereinnahmt, wie z. B. ein Satz von W. G. Sebald zeigt: „Gewiß halten Autoren wie Grillparzer, Stifter, Hofmanns thal, Kafka und Bernhard den Fortschritt für ein Verlustgeschäft" (Sebald, 1985). Die Belege für solch ein ästhetisches Stifter-Bild lassen sich unschwer um jene zahlrei chen Passagen vermehren, in denen Stifter als Vertreter des Gedankens des „ordo" dargestellt wird. Hieher gehören auch das Maßhalten und die Entsagung. Strelka sieht diese Idee des Maßes am Zusammenstoß zwischen Hebbel und Stifter exemplifiziert (Strelka, 1961). Ein Bezug zum Maßhalten wird auch hergestellt, etwa von Adalbert Schmidt: „Auch in der Kunst erscheint Stifter alles, was sich im Ungeheuerlichen, im Absonderlichen ergeht, was von jedem Maß abweicht, als Schwäche, wenn es auch wie Kraft aussehen soll" (Schmidt, 1969). Weitere wichtige Züge dieses Stifter-Bildes sind darin zu sehen, daß Stifter geradezu als Erzieher seines Volkes zu betrachten ist (Schmidt, 1969). Der Inhalt der Lehre Stifters ist mit den Worten Friedrich Heers die „verdeckte, behutsame Mah nung zur Mitmenschlichkeit" (Heer, 1957). Diese Haltung wird dennoch nicht ver-

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