OÖ. Heimatblätter 1989, 43. Jahrgang, Heft 3

Sommer 1844 dürfte er vom IX. in den VIII. Bezirk übersiedelt sein und wohnte von nun an in der Josefstadt auf Nr. 149. Das wäre nicht weiter beachtenswert, wenn nicht auch Karolina Barghesi im VIII. Bezirk, Nr. 221, gewohnt hätte, nur vier Häuserblocks entfernt (!). Zur gleichen Zeit aber war auch der dritte und älteste Bruder des Josef, Johann Baptist, in Wien, und zwar als Dr. theol. und Spiritual-Direktor der höheren geist lichen Bildungsanstalt St. Augustin (1841-1845). Wir wissen nicht, wie Johann Bap tist Schiedermayr auf diesen „Auszug" reagiert hatte, aber gleichgültig dürfte ihm dieser Umstand nicht gewesen sein, denn er war nach dem frühen Tod seines Vaters, des Dom- und Stadtpfarrorganisten, als ältester Sohn gewissermaßen traditions gemäß das Oberhaupt der Familie, deren Ordnung ihm am Herzen liegen mußte. Er hatte neben der Mutter auch die drei Schwestern und die Brüder Karl und Josef - der eine kurz promoviert, der andere noch Student - zu versorgen. Zudem hatte er ab 1845 mehrere hohe kirchliche Aufgaben zu bewältigen, die ihm, nach Linz zurück gekehrt, zufielen. Johann Baptist Schiedermayr istsomit die dritte und vielleicht wichtigste Per son im Kreise der Beteiligten, denn er hatte aufgrund seiner Stellung im Domkapitel der Linzer Diözese sicher den meisten Einfluß auf den Gang der Entwicklung im Geschehen um seinen Bruder Josef und dessen Freundin Karolina Barghesi. Der Domherr Schiedermayr - Mitglied des Bischöflichen Konsistoriums und vom klerikalen Schrifttum als „Mann der Vorsehung" und „leuchtendes Gestirn der Diöcese" apostrophiert - handelte diesem Rufe entsprechend rasch. Denn wenige Monate nach der Geburt des „unehelichen" BGndes, Bertha, seines Bruders Josefreiste er nach Wien. War er vom „Feuer des Paulus" und der „Liebe des Johannes erfüllt? Hatte er die Kindesmutter gesprochen? Sicher aber wußte er, daß sie Schweizerin war und durchaus nicht katholisch, da ja in der Taufmatrik des Kindes in der Rubrik katholisch „angeblich" notiert war, und tatsächlich war sie evangelischer Konfession, was für den glaubenseifrigen Domherrn Grund genug war, einzuschreiten, selbst wenn es seinen Bruder nicht gestört hatte. Oder wußte dieser auch nicht von der Reli gionsverschiedenheit? Es mußte also etwas geschehen. Hatte der Domherr die Eintragung seines Bruders Josef als „Vater" eines unehelichen Kindes in das Taufbuch von Maria Treu in Wien-Josefstadt nicht verhindern können, so wollte er doch, so gut es ging, einer ehelichen Verbindung seines Bruders mit einer ausländischen Protestantin „hilfreich entgegentreten. Als bischöflicher Konsistorialrat war er in enger Beziehung zum kirchlichen Ehegericht, dem er wenig später selber als „Rath" angehören sollte. Sicher von dieser Seite gut beraten, fuhr er am 11. Dezember 1855 nach Wien zum Minister der Justiz wegen seines „kranken" Bruders Josef, der sich zu diesem Zeitpunkt noch in Wien aufgehalten haben mußte. Der Besuch beim Minister konnte nur den Zweck haben, den Bruder als krank und damit berufsunfähig darzustellen. Aber nur eine schwere Krankheit - eine mit wenig Aussicht auf Heilung - konnte eine Berufsunfähigkeit bewirken - eine Gei steskrankheit. Josef mußte geisteskrank erklärt werden und so für seine Handlungs fähigkeit nicht zurechnungsfähig gelten. Auch war damit ein Ehehindernis geschaf-

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2