OÖ. Heimatblätter 1989, 43. Jahrgang, Heft 3

„Brüder von Sleyr und Kirchdorf" waren Wilhelm (später Bezirksvorsteher in St. Florian) und Karl; dazuzurechnen waren die drei Schwestern Maria, Barbara und Rosa. Vermutlich schon damals -1853 - hatte das Verhältnis Josef Schiedermayrs zu Karolina Barghesi (Barketzi) längere Zeit bestanden und ihn zum „schwarzen Schaf" in der Familie gemacht, denn wenige Monate nach der Geburt des Kindes (7. August 1855) und der eventuellen Absicht von Dr. Josef Schiedermayr, die BCindesmutter zu ehelichen, dürften die Brüder Jo/iann und Karl einen Plan entwickelt haben, die Ehe zu verhindern und die „Schande" zu vertuschen. Eine Notiz des Domherrn in der Linzer Stadtpfarrchronik ist bemerkenswert: „...1855. Dezember 3. Dekret als Vormund des Weisen Wilhelm Schiedermayr. 10. b Inventur in S Florian. 11. Reise nach WienBeym zum Minister d Justiz für den kranken Bruder Joseph. - ..." [Hervorhebung v. Verf.] Alle drei Eintragungen befinden sich am unteren Rand der Seite 23 und bezie hen sich auf rein familiäre Angelegenheiten. Das Vormundsdekret war für den Nef fen (geb. 1850 in Steyr), dessen Bruder Johann und die Eltern Wilhelm und Theresia - wie erwähnt - an der Cholera in St. Florian innerhalb einer Woche (19.-25. September 1855) verstorberf'^ waren; damit im Zusammenhang stand wohl auch die „Inventur in S(t.) Florian". Für den „Fall" Schiedermayr sicher am interessantesten ist die Bemerkung über die Reise am 11. Dezember zum Minister d(er) Justiz für den „kranken Bruder Joseph". Was hatte der Justizminister - damals Carl Frh. von Krauß^^^ - mit der „Krank heit" eines ihm unbekannten (?) Juristen zu tun, wenn es nicht darum ging, diese „BCrankheit" als berufsunwürdig hinzustellen und eine Suspendierung des Betroffenen zu erwirken? War Josef Schiedermayr tatsächlich krank (geisteskrank?), oder wurde er nur so bezeichnet, um ihn „aus dem Verkehr" zu ziehen? Letzteres scheint der Fall gewe sen zu sein, und offensichtlich hatte der Domherr die Suspendierung des Bruders beim Minister erreicht, denn schon knapp dreiviertel Jahre später, am „20. August 1856", wurde für „Josef Schiedermayr Doktor d Rechte, [Alter] 822 [= Geburtsjahr], ledig, Linz Dom u. Stadtpfarr Kapellmeist Sohn, klein, [Haare] dunklbraun, [Augen] grau, [Besondere Kennzeichen] keine, [Spricht] deutsch" vom Gemeindevorstand der Stadt Linz ein Heimatschein^^^ ausgestellt, dessen Emp fänger aber nicht der Genannte war, sondern, wie die Anmerkung lautete: „In Folg Weisg des G.Vorstandes dem H. Stadtpfarr erfolgt.""'' Was soviel wie die Übergabe an den Stadtpfarrer (zu ergänzen: Stadtpfarradmini strator) auf Weisung des Gemeinde-Vorstandes bedeutet. Stadtpfarradministrator (abge kürzt im landesüblichen Sprachgebrauch „Stadtpfarr'Ver) war aber 1856 niemand anderer als der Bruder des Dr. Josef Schiedermayr: Dr. Johann Bapt. Schiedermayr, Dom herr und Domscholaster, der über seinen „kranken Bruder" ein Vormunds- und Ver fügungsrecht erhalten haben mußte.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2