OÖ. Heimatblätter 1989, 43. Jahrgang, Heft 3

Museums Francisco Carolinum in Linz. 1849 übersiedelte der 3Ijährige Mediziner nach Kirchdorf an der Krems, wurde dort Bezirksarzt und gründete bereits Anfang des Jahres 1852 die Liedertafel, deren erster Chormeister er wurde. Auch bei Gemein deratswahlen (als Ersatzmann) und bei der Gründung der Sparkasse war er betei ligt.'® Im Kreise der Sangesbrüder der Liedertafel und durch seine berufliche Tätig keit als Bezirksarzt verband ihn enge Freundschaft mit dem Apotheker Jakob Rau scher, dessen Tochter Emilie er im Februar 1864'® heiratete. Im Mai 1866 übernahm Dr. Karl Schiedermayr die Vormundschaft über Bertha Barghesi^° und reichte für das 19 Jahre alte, minderjährige Mädchen in dieser Eigenschaft um die Heiratsbewil ligung im November 1874 beim Vormundschaftsgericht in KirchdorP^ ein, nachdem er bereits Ende Juli 1874®^ nach Linz übersiedelt war. Wichtig scheint mir noch zu bemerken, daß Karl Schiedermayr bei der Liedertafel Kirchdorf den jungen Lehrer Alois Weißgärber^' kennengelernt hatte, der sein Nachfolger als Chormeister wurde und auch der Ehemann der Bertha Barghesi. Karl Schiedermayr starb 1895®^ in Kirchdorf an der Krems. Seine Mitwirkung im „Fall" dürfte von besonderer Bedeu tung sein. Das letztgeborene der Schiedermayr-Kinder war der 1821 zur Welt gekom mene }osep¥^ (2.), der die Juristenlaufbahn einschlug. Er studierte an der Wiener Universität^® von 1840/41 bis 1847 und promovierte zum Dr. jur. am 6. Juli 1847;®'' sein Studienfortgang war durch besonderen Fleiß ausgezeichnet, und doch scheint er in der Rechtspraxis nicht fußgefaßt zu haben, zumindest nicht in Oberösterreich, da sein Name und eine berufsbezogene Tätigkeit im Schematismus®® nicht aufzufinden waren. Möglicherweise lebte er mehrere Jahre in Wien,®' wo er auch die junge Witwe (?) Karolina Barghesi (Bargezzi, Barketzi) kennengelernt haben mochte und längere Zeit mit ihr liiert gewesen sein dürfte. Dieser Umstand hatte ihn möglicherweise zum „schwarzen Schaf" in der Familie Schiedermayr gemacht Immerhin ist Dr. Josef Schie dermayr Ursache und Anlaß für den „Fall" und gleichzeitig Hauptbeteiligter und Opfer. Er starb mit nur 53 Jahren in Linz (8. Dezember 1874).^° Er ist auch die Schlüs selfigur um die Tochter von Karolina Barghesi, und sein Verhalten trägt viel zur Tat sachenfeststellung bei, so sehr auch versucht worden ist, Tatsachen zu vertuschen. 3.2 Karolina Barghesi Wenn auch Karolina Barghesi^' (1828-1893) in die beiden Familien Schie dermayr und Weißgärber als Randfigur nicht eingebunden gewesen sein dürfte - es gibt keine Hinweise darauf-, so war sie doch die Zentralgestalt um die Vaterschafts gerüchte zu ihrer Tochter Bertha BarghesT^ (1855-1923), die sie unehelich in Wien gebar, wie die Geburtsmatrik ausweist. Sie wohnte in der JosefstadU® Wann sie nach Wien kam, konnte bislang nicht festgestellt werden. Ein 1989 im Wiener Stadt- und Landesarchiv aufgefundenes Dokument^^ weist sie in Ems (Graubünden/Schweiz) geboren, evangelischer Religion und „Witwe" aus, während sie in der Geburtsmatrik der Tochter als „ledig" eingeschrieben ist. Zwischen beiden Dokumentseintragungen liegt allerdings ein Zeitraum von 25 Jahren. Nachdem beide Eintragungen in offiziel len Dokumenten vorgenommen worden waren und der Beginn der „Witwenschaft"

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