gibt es über 66 Nebenrollen) sind neben der angestrebten historischen Treue gemäß der von Arno Holz entwickelten naturalistischen Grundkonzeption die auffälligsten Parallelen. Auch der dargestellte Zeitraum von ungefähr eineinhalb Monaten ist an nähernd der gleiche — Streichers „Stephan Fadinger" spielt in der Zeit zwischen 17. Mai und 28. Juni 1626, während Gerhart Hauptmanns Stück das Ende des Bauern krieges zwischen Ostern und Pfingsten 1525 darstellt. Wie sehr sich Streicher um Faktentreue bemüht, ist aus dem Quellenvermerk im Anhang des Buches ersichtlich, in dem er die Werke der Historiker Felix Stieve; „Der oberösterreichische Bauernauf stand", Julius Strnadt: „Der Bauernkrieg in Oberösterreich", Franz Kurz: „Geschichte des Bauernkrieges in Oberösterreich", Albin Czerny: „Bilder aus der Zeit der Bauern unruhen in Oberösterreich" und Franz Graf Khevenhiller: „Annales Ferdinandei" zifiert.^^ Die ausführlichen Regieanweisungen zu Beginn der einzelnen Aufzüge sowie die Erläuterungen zu den einzelnen Personen entsprechen ebenfalls dem natu ralistischen Konzept. Diese enge Verbindung des Dichters mit den historischen Ereignissen birgt aber auch einen Nachteil für die Gestaltung der Personen. Die ein fachen oberösterreichischen Bauern sind zu leblosen Sprachrohren von Abstraktio nen geworden, welche — wie etwa am Beginn des Stückes — die Ursachen des Auf standes aufsagen müssen. Was weiters eine genauere Ausarbeitung der einzelnen Charaktere nicht zuläßt, ist die viel zu große Anzahl der Rollen. Im ersten Aufzug gibt es 18 nahezu gleichwertige Rollen; im dritten Aufzug agieren sogar 25 Personen mit annähernd gleichem Rollenausmaß. Bei einer derartigen Fülle von Rollen ist es gar nicht möglich — ja, es wäre sogar äußerst verwirrend —, die einzelnen Figuren genauer zu beschreiben. Nur Fadinger und der Student haben persönliche Züge an sich; doch diese entsprechen denen geistreicher Demagogen und nicht Bauernführern des 17. Jahrhunderts.^^ Am Ende des ersten Aktes nimmt Fadinger den Bauern den Treueid ab, nur der Student schwört nicht im Hinblick auf sein erstrebtes Amt: Student: Fadinger, erspar mir den Schwur. Mein Herz is hei Euch. Das wißt's! Ich aber will Priester werden, ein Priester der großen, menschenerlösenden Liehe, die Jesus seihst mit seinen reinen, heiligen Händen vom Himmel 'runtertragen hat, und kann und darfmi nit mit Blut heflecken. Fadinger: Hast recht. Du sollst nur Priester hleih'n. Du das Evangelium und wir das Schwert. (Auf die Bibel zuschreitend.) So hör' uns denn allmächtiger Gott und sei uns gnädig! (Legt zwei Finger der rechten Hand auf die Bibel.) Von Baierns Joch und Tyrannei Und seiner großen Schinderei Mach' uns o lieher Herrgott frei. VJeil's gilt die Seel und auch das Gut, So soll's auch gelten Leih und Blut. O Herr, verleih uns Heldenmut. " Gustav Streicher, „Stephan Fadinger". Tragödie aus dem oberösterreichischen Bauernkrieg. Linz - Wien - Leipzig 1903, S. 140. '■ Vgl. Friedrich Holzinger, Der oberösterreichische Bauernkrieg, S. 188.
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