OÖ. Heimatblätter 1989, 43. Jahrgang, Heft 3

Erfindung, ihr zuliehe wandelt er hehaglich spielend den wirklichen Thathestand}^ So formuliert Gustav Freytag in der Abhandlung über „Die Technik des Dramas" seine Gedanken zum Verhältnis zwischen Historiographen und Dichtern. Weiters schreibt er: Auch der geschichtliche Stoff ist durch den Historiker bereits vermittelst einer Idee geordnet, bevor der Dichter sich seiner bemächtigt. Die Ideen des Geschichtsschreibers sind allerdings nicht poetische, aber sie wirken bestimmend und bildend auf Theile des \Nerkes, welches durch sie hervorgerufen wirdP- In diesen beiden Zitaten sind nicht nur die Grundprobleme des Geschichts dramas, sondern die der gesamten Geschichtsdichtung angesprochen. Zum einen wird das unterschiedliche Bestreben von Historiker und Dichter genannt; zum anderen wird auf die Tatsache der Subjektivität aufmerksam gemacht, das heißt, daß selbst der mit wissenschaftlichen Methoden vorgehende Historiker - durch die Notwendigkeit der Auswahl und Ordnung der Fakten - nicht zu absoluter Objektivität kommen kann. Im Bereich der literarischen Rezeption von „Geschichte" wird das Verhältnis von geschichtlicher und poetischer Darstellungsform nicht nur selbst literarisch produktiv; hier führt eine spezifische Konfrontation von historischer Realität und poetischem Bewußtsein sowie die daraus resultierende geschichtsdramatische Konzephon wieder auf die Frage nach dem Verhältnis von Geschichte als Realität und Geschichte als Darstellung. Die mehr oder weniger bewußten Veränderungen von Geschichte, die der Dichter aus literarischen Gründen vornimmt oder vorneh men zu müssen meint, werfen das Problem auf, ob und wie sich poetische Wahrheit im Geschichtsdrama konstituiert, ob und wie sie sich zum Beispiel selbst gegen die geschichtliche Wahrheit zu konstituieren vermag. Auch Adalbert Schmidt schließt sich hier mit einer sehr ähnlichen Sichtweise an, indem er im Nachwort seiner Anthologie über die Bauernkriege in der Literatur folgendes schreibt: In des Dichters Hand liegt die Wahl der Perspektive, er kann durch entspre chende Verkürzungen, durch Weglassen des Unwichtigen das Dargestellte verwesentlichen und vertiefen und so Profile schaffen, die eine höhere Wahrheit haben als ihre originalen Entsprechun gen.^^ Und weiters hebt auch A. Schmidt die dichterische Überzeugungskraft gegen über der wissenschaftlichen Haltbarkeit hervor: Die Dichtung analysiert den Menschen nicht, sondern sie stellt ihn dar. Ihre Darstellung kann Ergebnisse wissenschaftlicher Analyse enthalten, die sich der Dichter angeeignet hat, sie kann auch ohne solche Erkenntnisse allein aus privater Erfahrung und Intuition schöpfen - das ist ohne Belang. Denn nicht auf die wissenschaft liche Haltbarkeit, sondern auf die dichterische Uberzeugungskraft ihres Menschenbildes kommt es anV Ebenso fächert A. Schmidt die Palette der Darstellungsgegenstände möglichst breit auf: Der geschichtliche Gegenstand... kann einer historischen Einzelperson gelten oder dem Zeitbild einer Epoche mit erfundenen Gestalten. Die Darstellung kann auf Chronikalisches oder Psychologisches, auf Ideengeschichtliches, Kultur- oder Sozialgeschichtliches abgestimmt sein.^^ " Gustav Freytag, Die Technik des Dramas. Leipzig 1901, S. 15. Ebenda, S. 14. " Adalbert Schmidt, Der Bauernkrieg in literarischer Sicht. In: Oö. Hbl., 29. Jg., H. 3/4, Linz 1975, S. 134. Ebenda, S. 133 (= Wolfgang Binder, Das Bild des Menschen in der modernen Literatur. Schriften zur Zeit im Artemis-Verlag, Heft 31, Zürich 1969.) Ebenda, S. 133.

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