OÖ. Heimatblätter 1989, 43. Jahrgang, Heft 3

ausländischer Rundfunksender bis zu eindeutig politisch motivierten Aktivitäten. Allerdings bleibt die Frage, ob der vom Verfasser in diesem Zusam menhang zugrunde gelegte weite Begriff von Wi derstand und Verfolgung tatsächlich so selbstver ständlich ist, oder ob er nicht zuletzt zu einer ge wissen Unterbewertung des ausdrücklichen, ge zielten und organisierten Widerstandes führt, der viel seltener und auch gefährlicher war. In die Darstellung und Dokumentation miteinbezogen wurde die Vorgeschichte der national sozialistischen Machtergreifung, weil „der Natio nalsozialismus keinesfalls einem Elementarereig nis gleich ,vom Himmel gefallen ist', sondern ihm eine politische Entwicklung und eine Entwicklung der politischen Kultur vorausgegangen sind, auf die zu verzichten völlig ungeschichtlich wäre" (Einleitung). Dabei haben sich leider einige sach liche Ungenauigkeiten eingeschlichen, so wenn vom „christlichsozialen Bundeskanzler" Schober die Rede ist (S. 28), oder wenn als Charakteristika des bürgerlichen Lagers eine österreichische und katholische Grundhaltung angegeben werden (S. 35), wo doch die Großdeutschen und der Land bund genauso zu ihm gehörten. Zudem weisen die angeführten Prozentzahlen für die bei den letzten demokratischen Gemeinderats-, Landtags- und Nationalratswahlen vor der Machtergreifung im Bezirk Freistadt auf die einzelnen politischen Gruppierungen entfallenen Stimmen Widersprü che auf (S. 28 ff.). - Jedoch kann das den Gesamt eindruck, den man bei der Lektüre dieser Publika tion gewonnen hat, nicht schmälern: Ein wichtiger Beitrag zu einem sorgfältigeren, weniger vergeß lichen Umgang mit unserer Geschichte. Franz Eichinger Bilder aus Böhmen / Obräzky z Chech. Eine aufforderung zur grenzüberschreitung, zum aimähem und besuchet^ f— Publication PN° J, bibliotkek der provinz, herausgege ben von der ARGE Region Kultur) linz-großwolfgers/ weitra: vertag für literatur, kunst und musikalien rkhard pils 1989. 112 Seiten mit 12 Schwarzweißfotos. Das vorliegende Buch, entstanden anläßlich der tschechischen Kulturtage im Mühlviertel (Frei stadt) im April 1989, versucht den nachbarschaft lichen Beziehungen zwischen Böhmen und Mühl viertel in ihren verschiedenen Aspekten und Nuancen nachzugehen. Es stellt den ersten Band einer Reihe dar, dem im nächsten Jahr ein zweiter folgen soll, der der Sprache und den Anliegen der böhmischen Nachbarn selbst mehr Raum widmet. (Übrigens sind dafür Mitarbeit und Anregungen aller Art sehr erwünscht.) Vorerst ging es einmal darum, „den boden für eine annäherung in unse rem land zu bereiten, und eine auseinandersetzung einzuleiten, die über leichtfertige aussagen und vorschnelle Schlüsse hinausreicht" (Maria Arnreiter, anstelle eines Vorwortes). Ein Großteil der Beiträge beschäftigt sich mit den historischen Ereignissen, Umständen und Be dingungen, die das Verhältnis zu unserem nord östlichen Nachbarn bestimmt und belastet ha ben... bis heute; einer, der von Franz Steinmaßl, trägt den bezeichnenden Titel „Brücken und Brüche". In knappen Zügen werden unbeachtete Details zu tage gefördert, so wenn z.B. von Konrad von Waldhausen, einem sozialengagierten Prediger im Prag Karls IV. und Vorläufer von Jan Hus, die Rede ist. Aber auch viel Vergessenes und Verdrängtes. Dies gilt insbesondere von den zeitgeschichtlichen Ausführungen des Buches, wo einige Feststellun gen aufhorchen lassen: Die 1918 gegründete Tschechoslowakische Republik war bis zuletzt bemüht, sich als demokra tischer Staat inmitten von Diktaturen zu behaup ten. Zur Festigung des jungen Staates hätte es aber des Ausgleichs mit den Minderheiten, vor allem mit der deutschsprachigen, bedurft. Daß er nicht zustande kam, hat wesentlich mit dem durch Kriegsschäden, veraltete industrielle Produktions strukturen und nationale Spannungen verursach ten wirtschaftlichen und sozialen Abstieg der sudetendeutschen Bevölkerung zu tun, der viel fach ideologisch im „Volkstumskampf" verarbeitet wurde, weshalb hier dann die Nationalsozialisten einen günstigen Nährboden für ihre Propaganda vorfanden. Gegenüber der tschechoslowakischen These von der Kollektiv(mit)schuld der Sudeten deutschen als Begründung für ihre spätere Aussie delung bleibt allerdings auch festzuhalten, daß die se, gemessen an der Bevölkerungszahl, überhaupt den größten Blutzoll im antinazistischen, von ka tholischen und linken Gruppierungen getragenen Widerstand aufweisen. Was einem in dieser Publikation entgegentritt, ist eine überaus konkrete Geschichte - gesehen im Medium des persönlichen Erlebens und Erleidens, bezogen auf regionale Gegebenheiten und das all tägliche Leben der Menschen. Da finden slowaki sche und mährische Volkslieder genauso Platz wie Kochrezepte böhmischer Köchinnen. Der Kindheits erfahrungen widerspiegelnde Auszug aus Gertrud Fusseneggers „Lebensbericht" vermittelt ein an schauliches Bild der „guten alten Zeit" mit ihren

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