geschrieben, aus ihm spricht die „Wertschätzung der alten tschechischen Kulturüber lieferung". Der Befund der vorgelegten Rezeptionsanalyse möge nicht nur eine inhalt liche Differenzierung der erbaulich-moralisierenden Leseart erbracht, sondern auch ihre Zeitbedingtheit und ihre zeitliche Begrenzung deutlich gemacht haben. Was den „Witiko" betrifft, werden im wesentlichen zwei kritische Alternativen angeboten, die nur mehr angedeutet werden können. Einerseits tritt man der Transponierung des „Witiko" ins Überzeitliche mit einer verstärkten Einbettung in den historisch-politi schen Kontext seiner Entstehungszeit entgegen. „Witiko" stellt sich dabei als Auf arbeitung bedrängender zeitgeschichtlicher Fragen dar, die Stifter allerdings keinen glatten und harmonischen Lösungen zugeführt hat. Andererseits konzentriert sich das Interesse auf die ästhetische Struktur, vor allem auf ihre Spannungen und Brüche, vor denen die Ausschlachtung des „Witiko" für politische Weisheiten und ewige Wahrheiten unangemessen erscheinen muß. Dem Absolutheitsanspruch histori scher Gesetzmäßigkeit und göttlicher Weltordnung begegnet man demnach im „Witiko" lediglich in Form einer Option, ihr Nachweis anhand der dargestellten Er eignisse bleibt hingegen fragmentarisch; damit aber werden Ordnung und Gesetz als „mythologisches Zitat" (fians Joachim Piechotta) entlarvt. Abschließend sei noch auf einen letzten Vortrag verwiesen, und zwar auf „Aspekte der deutsch-böhmischen Stifter-Rezeption 1918-1938" von Dr. Peter Becher, Adalbert-Stifter-Verein, München. August Sauer begann 1901 die erste kritische Gesamtausgabe der Werke Adalbert Stifters. Nach Sauer war Stifter aus innerster Überzeugung Deutscher. Als ein weiteres Zeichen der Rezeption Stifters möge die Enthüllung des Stifterdenkmals in Oberplan im Jahre 1906 dienen. Bei Otto Pick wurde Stifter 1922 in dem Werke „Deutsche Literatur aus der CSR" zitiert. 1928 führte Pfitzer den Begriff „Sudetendeutscher" in das Sprachgut ein, Stifter war ein sudetendeutscher Dichter. 1928-1931 erschien die Zeitschrift „Witiko". Es herrsch te eine politisch versöhnliche Stimmung. 1935 gründete Konrad Henlein die „Sude tendeutsche Partei". Mit der Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage in der CSR trat auch eine Radikalisierung auf politischer Ebene ein. Herbert Cysarz sieht in der sudetendeutschen Dichtung ein übervölkisches Element. Die Rezeption Stifters in den späten dreißiger Jahren wurde auf Schlagworte eingeengt, die der Radikalisie rung Vorschub leisteten und Stifter verzeichneten.
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