feld der europäischen politischen Mächte eine klei ne Macht ist; „das Eigengewicht ihrer staatlichen und autoritär-staatlichen Problematik ist relativ gering; alles, was über sie gesagt wird, muß beglei tet sein von einem abwägendenBewußtseinihrer ideengeschichtlichen und machtpolitischen äuße ren Bedingtheit". Das heißt: Österreich wird, ob es will oder nicht, vom breiten Strom autoritären Denkens und Staatshandelns mitgetragen. Vor diesem Hintergrund ist auch die Tätigkeit der anschlußfreudigen österreichischen Schrift steller, die den alten „großdeutschen" Traum zu verwirklichen trachteten, zu sehen. Primär war es wohl die alte Paulskirchenromantik, an der sie sich berauschten, anders als Hofmannsthal, der am 20. Juni 1928 seinem Freund Josef Redlich, Staats lehrer und Historiker, in die USA schrieb: „Ihre Worte: Wir haben ein Vaterland und eine Aufgabe und eine Geschichte gehabt und müssen jetzt weiterleben - dies ist die bewunde rungswürdig scharfe und treffende Charakteristik des seelisch-politischen Zustandes, der dem Österreicher auferlegt worden ist. Wohl denjeni gen, die sich durch den Traum vom Anschluß an Deutschland und einem Größer-Deutschland Trost bieten können. Solche Hoffnungen beruhen auf völligem Mißverständnis der deutschen Ge schichte und auf seltsamer Selbsttäuschung über die Unfertigkeit der durch die Weimarer Verfas sung im Reich geschaffenen Verhältnisse." In diese geistesgeschichtliche „Großwetter lage" muß die von Amann kenntnisreich vorge nommene Analyse des Literatursystems, in das die Autoren gestellt waren, eingebettet werden. So wertvoll etwa Amanns Untersuchungen über die Abhängigkeit der Autoren von deutschen Ver lagen sind (siehe das V. Kapitel, „Der Kampf um die Futterkrippe"), ganz sind ihre ideologischen Ab hängigkeiten nur zu verstehen, wenn auch die damals herrschenden Ansichten über Staat und Nation ins Blickfeld gerückt werden. Alles in allem: ein anregendes Buch, das Zeitgenossen der behandelten Schriftsteller kritischer lesen werden als die „Spätgeborenen", zu denen der Autor zählt. Die 720 Anmerkungen und das Literaturverzeich nis weisen dem an Fragen der Zwischenkriegszeit Interessierten die vielfältigsten Wege zur Informa tion. Schon dies wäre ein ausreichender Grund zum Kaufund Studium dieses Buches. (Wem in der Kindheit „Von der Maas bis an die Memel" einge hämmert wurde, dem fällt auf S. 127 auf, daß es richtig zu heißen hat: Memelland.) Josef Demmelbauer Helmut Seitz: Tatort Geschichte. Historische Schauplätze in Bayern. 2. Auß. München: Ehrenwirth-Verlag 1988. 224 Seiten. DM26-. ISBN 3-431-02662-1. Geschichte beginnt Leben zu gewinnen, wenn man sich am - wenn auch schon veränderten - Ort eines historischen Ereignisses das Geschehen in vergangener Zeit vergegenwärtigen kann. Einge lernte, trockene Daten und Fakten verdichten sich dort viel leichter und lassen vor dem geistigen Auge ein historisches Geschehen ablaufen - mit einiger Phantasie kann dies geradezu zu einem Film geraten. Dieses Erlebnis will der Autor mit seinen in einem Buch zusammengefaßten Episoden der blau-weißen Geschichte vermitteln, wobei er den Bogen von den Anfängen des bayrischen Herzog tums bis in die Jetztzeit spannt. Einerseits gibt er der geschichtlichenWahrheit die Ehre, zieht aber andererseits manches Überkommene in Zweifel oder erzählt gar mit einem Augenzwinkern unter vorgehaltenerHand. So wird Geschichte nicht nur lehrreich, son dern interessant, ja sogar unterhaltsam, und der Leser wird nicht nur aufhorchen, sondern auch schmunzeln können. Der Autor führt ihn zu den „angeblichen" Schauplätzen und beschwört dann in bayrisch-handfester Art, im Ausdruck nicht eben zimperlich, quasi als Moritatensänger Ereig nisse in vergangenen Zeiten, die zum Teil auch über Bayern hinaus für die Weltgeschichte von Bedeutung waren, herauf. Mögen die Oberschrif ten der einzelnen Kapitel auch reißerisch erschei nen, so machen sie doch den von der heutigen, aber gar nicht neuen Medienpraxis der Publikumswirk samkeit geprägten Leser neugierig, und er wird auch nicht enttäuscht. Aufgrund der gemeinsamen geschichtlichen Vergangenheit der beiden benachbarten Länder ergeben sich zwangsläufig auch Verbindungen zu unserer Heimat: etwa in der Episode um die Schlacht bei Gammelsdorf, in welcher der Versuch des Österreichers Friedrich des Schönen vereitelt wurde, das niederbayrische Teilherzogtum zu annektieren, oder die Gefangennahme eben dieses Friedrich durch Ludwig den Bayern in der Schlacht von Mühldorf, oder durch die Liebes geschichte der schönen Barbara aus Augsburg mit einem Habsburger-Kaiser, welcher ihrer Familie „viel Leid" „doch trost und heyl der Christenheit" brachte; der aus dieser Liaison entsprossene kai serliche „Kegel" vernichtete nämlich vor Lepanto 212
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