und klar, ohne Psychoanalyse oder Psychopathologie (Kubin war nie in einer Nervenheilanstalt!) krampfhaft bemühen zu müssen. Er hatte auch, was vielen seiner Beurteiler fehlt: Humor! Nicht Zynismus oder Ironie, sondern einfach Humor und war daher nie verletzend, sondern immer in einer starken Menschlichkeit liebenswürdig. Es scheint mit völlig unangebracht zu sein, wenn in einer nur dem Gedenkjahr 1988 zuzuschreibenden Empfindlichkeit bemerkt wird, daß neben dem Ge burtsort Kubins (geb. 1877!) Leitmeritz (Litomerice) an der Elbe in Nordböhmen das zwei Kilometer entfernte „spätere Konzentrationslager Theresienstadt" liegt, „dessen grauenvolles Geschehen" (S. 9) mit den Traumphantasien Kubins in Beziehung gesetzt wird, aber das eine mit dem anderen nichts zu tun hat. (Träume haben bei Kubin nie Aggres sionen im Wachzustand ausgelöst und schon gar keine lebensbedrohenden oder -vernichtenden Tätlichkeiten.) Ein Wissenschafter vom Range Seipels sollte mehr reeller Sachlichkeit und weniger spekulativen, effekthascherischen Konstruktionen verpflichtet sein. Der „Katalog" der Handzeichnungen weist einige Merkwürdigkeiten auf: Seipel verwendet nicht die in aller Welt bei Katalogisierung graphi scher Blätter gebräuchliche Millimeterangabe bei Blattgrößen, sondern das Zentimetermaß. Die in einem Katalog unüblichen „Bildbeschreibungen" versuchen den „Darstellungsinhalt aufzuschlüs seln", geben aber nur das wider, was ohnehin zu sehen ist, und geraten in weithergeholten - mit der jeweiligen Darstellung nicht unbedingt identen - Bezügen kunstgeschichtlicher, psychologischer, soziologischer oder philosophischer Provenienz weitschweifig und langatmig, was besonders in einer Zeit des raschen Informationsflusses zu be dauern ist. Die gut gegliederten Sachinformatio nen (Legenden) lassen Verweise auf bereits ver öffentlichte und in anderen Publikationen erschie nene Zeichnungen vermissen. Eine Zeittafel zur Kurzinformation wäre wünschenswert gewesen. GesiaUung: Was die Gestaltung des Buches betrifft, so ist der Text trotz der schwachen Typographie (Ver hältnis des Satzes zu den Stegen; Kopflinie!) eini germaßen gegliedert, wenngleich die Zweispaltig keit das Lesen nicht erleichtert, doch ist der Tafel teil zwar durch eine gedachte Kopflinie durch gehend zusammenhängend mit unschönen und patzig wirkenden kurzen und dicken Linien am oberen und unteren Blattrand verunziert. Die Drucke der Farbtafeln sind von hervorragender Qualität und unterstreichen den „Bilderbuch"- Charakter der neuen Kubin-Publikation, die für Geschenkzwecke sehr geeignet ist, wenngleich manche Fragen offen bleiben mußten. Mit dem „repräsentativen Querschnitt", den Wilfried Seipel im neuen Kubin-Buch vorstellt, ist ein guter Anfang in der Aufarbeitung und Fortset zung der von Alfred Marks begonnenen Sichtung und Katalogisierung des zeichnerischen Werks von Alfred Kubin im Oberösterreichischen Lan desmuseum Francisco Carolinum gesetzt worden, und der Interessierte darf auf einen baldigen Ab schluß eines vollständigen Werkverzeichnisses aller Kubin-Zeichnungen hoffen. Fritz Feichtinger Erich Widder: Kirchenkunst im europäischen Osten. Eichstätt: Franz-Sales-Verlag 1987. 162 Text- und 311 Bildseiten. Leinen, DM 69,-. ISBN 3-7721-0094-5. Mit kirchlicher Kunst im europäischen Osten assoziiert man vornehmlich Sakralbauten der orthodoxen Kirchen, Ikonostasen, Ikonen. Das Titelbild des Schutzumschlages, die Mariä-Himmelfahrts-Kathedrale in Zagorsk, weist ebenfalls in diese Richtung. Dem Autor ging es aber schon bei der ersten,noch wesentlichwenigerumfangrei chen Auflage seines Werkes, die 1970 unter dem Titel „Kirchenkunst im Osten" im OD. Landesver lag herausgekommen ist, um die gesamte kirch liche Kunst in jenem Teil Europas, der dem soge nannten „Ostblock" zuzurechnen ist. Warum hier allerdings die Deutsche Demokratische Republik ausgeklammert ist, bleibt unklar. Das verwundert zudem umso mehr, als z. B. Hohenfurt, Rosenberg und Goldenkron in Südböhmen entsprechend dargestellt werden - ist das wirklich „europäischer Osten"? Diese Frage erhebt sich desgleichen für alle anderen behandelten Gebiete in der Tsche choslowakei, Polen, Ungarn, Rumänien und Jugo slawien, die kulturell eindeutig zu Mitteleuropa gehören. Unter „Ostkirche" versteht man die seit der Trennung des Römischen Reiches in eine westliche und eine östliche Hälfte im Osten entstandenen kirchlichen Gemeinschaften (die Patriarchate von Alexandria und Antiochia), die, zusammen mit außerhalb dieser alten Reichsgrenzen entstande nen Kirchen, alle in das morgenländische Schisma 207
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2