fünfseitigen „Rückblick" Ernst Jüngers und einen Kurztext von Kubin selbst, einen Brief Hermann Besses sowie eine zweispaltige Seite Bibliogra phie; den letzten Textteil bilden auf 28 Seiten (zweispaltig in Satzblöcken) anschließend an die Farbtafeln „Katalog und Bildbeschreibungen". Das Buch ist flott, informativ und gescheit ge schrieben. Doch geht auch Seipel den Weg der „Buchvermehrung" (aus vielen Büchern mach ein neues) und läßt Kubin selber häufig - zu häufig - zu Wort kommen („Aus meinem Leben"), wählt entsprechende Passagen, ohne dessen eigentliche Pole - Traumbereich und Bauernland - heraus zuarbeiten. Die hochgradige Sensibilität während der Arbeit des Meisters konnte sich nur in der Stille der Abgeschiedenheit des ländlichen Raumes (Innviertel und zeitweise auch Böhmerwald) durch lange Spaziergänge wieder beruhigen. Viel zu sehr wird auf abgegriffene Klischees des „Grauenhaf ten", „Abgründigen", „Dämonischen" (Klappen text) eingegangen, die für Kubin bedingt relevant sind, nur insofern, als sie Traumgebilde und Traumerlebnis waren, die in wachem Zustand am Zeichentisch zu Bildern fixiert wurden. Alfred Kubin „litt" sehr oft unter seinen Träumen (wie er mir bei mehrmaligen Besuchen in seinem Schlöß chen Zwickledt persönlich mitteilte), was auch die enge Bindung zu Ernst Jünger ausmachte, der - heute 93jährig - als Quelle seiner dichterischen Aussage häufig Traumerlebnisse heranzieht^. Die „Verrücktheiten" in der Bilderwelt Kubins wurden von der Allgemeinheit nicht als Ausdruck des Wesens eines genialen Künstlers erkannt, sondern im Begriffsbild „normaler" Bürger mit deren Stel lenwert gemessen, und das führte zwangsläufig zu teilweiser Ablehnung. Das äußere Leben Kubins war sehr einfach, auf seine bäuerliche Umwelt bezogen, und er scheute sich nicht, im dunkelgrauen Wetterfleck mit der „Milchpitsch'n"bei den Bauern Milch oder Most zu holen oder mit den Bauern in Wernstein, Zwickledt oder im nahen Schardenberg am Wirts haustisch zusammenzusitzen, kartenzuspielen, zu plaudern und sie in ihrer Schläue oder ihren Schwächen zu beobachten, um ihnen - verwandelt - in seinem künstlerischen Werk Eingang zu ver schaffen. Viele Personen, die Kubin kannten oder mit ihm befreundet waren, leben noch in Wernstein am Inn, wie der 74jährige Volksschuldirektor Her mann Pöppl, der Arzt Dr. Alois Beham, die Male rin Johanna Dorn u.a., von denen viele zu den „Nährvätern" Kubins zählten, die den „Zauberer von Zwickledt" mit sehr realen Dingen (Lebens mitteln, Gebrauchsartikeln) in schwierigen Zeiten versorgten und dafür mit Zeichnungen „honoriert" wurden. Kubin war, nach den Schilderungen der Wernsteiner, mit der Landschaft und den Men schen seiner ländlichen Abgeschiedenheit aufs engste verbunden, nahm am täglichen Leben in Wernstein fühlbaren Anteil und verarbeitete viele ernste und heitere Begebenheiten und Vorfälle daraus in seinen - wie man sagt - über 20.000 Zeichnungen.Wie mir Hermann Pöppl am 22. Au gust d.J. in Wernstein erzählte, war Alfred Kubin ein dynamischerMensch, der auf langen und wei ten Spaziergängen in der näheren und weiteren Umgebung von Zwickledt oder Wernstein in stän diger Bewegung war, Motive sammelte oder an Ort und Stelle Skizzen anfertigte. In Wernstein war davon die Rede, wenn Kubin nicht mehr geht, wird er bald sterben. Tatsächlich wurde Kubin 1957 bettlägerig und starb kaum zwei Jahre später. Auf seinem Grab an der Kirchenmauer in Wernstein brachte man eine von „modernen" Künstlern ge staltete Grabplatte aus poliertem Granit an, die das ganze Grab bedeckt. Auf die Frage des Pfarrers an eine Bäuerin aus der Umgebung, wie es ihr gefalle, sagte sie: „Aua kau 'r nimma!" (Heraus kann er nicht mehr.) Im künstlerischen Schaffen hatte Kubin einen festen Tagesplan, den er durch nichts aus dem vor gefaßten Ablauf bringen ließ, und zeigte auch hier in eine bemerkenswerte Parallele zu Ernst Jünger, der gleichermaßen seinen Tagesrhythmus unter keinen Umständen unterbrechen zu lassen dulde te. Im Schaffensprozeß war Kubin unerbittlich in höchster Konzentration, einer Art Trancezustand, der ihn die in einem Topf vor ihm auf dem Tisch neben dem Fenster stehenden Zeichenfedern so auf das Blatt aufsetzen ließ, wie er sie gerade in die Hand bekam. Besucher hatten nur eine Chance, wenn sie ihm vorher schrieben und er als Antwort - meist auf einer Korrespondenzkarte - einen „Termin" vereinbarte, der genauestens eingehalten werden mußte. So gesellig Kubin sein konnte, in seiner Kunst war er von einer harten Konsequenz; seine Maxime lautete: „Einsamkeit ist die beste Ge sellschaft des Künstlers." Aus solcher Sicht wird Leben und Schaffen Kubins unkompliziert, einfach ^ Mitteilung an den Rezensenten bei einem einwöchigen Aufenthalt 1966 in Wilflingen, dem Wohnort Ernst Jüngers und seiner Frau Liselotte in der Oberförsterei des Schlosses Staufenberg. 206
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2