OÖ. Heimatblätter 1988, 42. Jahrgang, Heft 3

Gerichtsgebäude auf der Bahnhofstraße. Damals ist Hawel schon elf Jahre Posten kommandant und seine Glanzzeit als Chronist, nämlich die Zeit des Ersten Weltkrie ges, ist bereits vorüber. Im Ersten Weltkrieg fühlt sich Hawel als Soldat der Heimat, der hier in seinem Rayon auf Zucht und Ordnung zu sehen hat, Ungerechtigkeiten oder gar Verbrechen hintanhalten und auf eine strikte Einhaltung der Gesetze und der Verteilungsvor schriften für Lebensmittel achten muß. Er schreibt immer wieder, daß auch die ärme ren Volksschichten durch gerechte Verteilung die zum Leben notwendigen Güter bekommen sollen. Wachtmeister Ferdinand Hawel ist von seiner Wichtigkeit als Gendarmeriebeamter überzeugt. Er vertritt noch gediegenes monarchistisches Beamtentum. Der Gendarm ist zu Hawels Zeiten eine Respektperson, er gehört zu den Honoratioren des Marktes. Hawel ist ein strenger Vorgesetzter: Einen seiner Beamten ermahnt er wegen des Umgangs mit einer liederlichen Frauensperson, und als die Ermahnung nichts nützt, sorgt er für seine Entlassung wegen moralischer Unfähigkeit zum Gendarmen. Einen russi schen Kriegsgefangenen läßt er strafweise zwei Stunden anbinden, weil er trotz wiederholter Ermahnungen bei Hawels Verlautbarungen vor der Gruppe der Gefan genen nicht aufpaßt. Hawel nennt sich selbst einmal Chronist und ist sich seiner Bedeutung als solcher bewußt. Er will nach der Rückkehr von einem mehrwöchigen Krankenstand das nachtragen, was seine Vertreter seiner Meinung nach ausgelassen haben und was er für die Heimatgeschichte für bedeutsam hält. Er will seine Chronik vervoll ständigen. Leider ist er nicht dazugekommen. Man fragt sich heute: Woher hat er seine Informationen geholt? Er hat die Leute gefragt, auch nach den Details, nach Zentimetern, Kronen, Hellern, Namen, Orten, und er hat dann auch präzise berichtet. Er hat Zeitungen gelesen, die Augen offengehalten, Stimmungen in der Bevölkerung beobachtet und zu deuten gesucht, und er ist - wenn man seine Anteilnahme an der Bierqualität und an den schwanken den Bierpreisen ins Kalkül zieht - sicherlich auch ins Wirtshaus gegangen, um dort zu erfahren, \yie es in Ottensheim steht. Seine Chronik enthält kein Geschwafel, keine Andeutungen, keine unbe stimmten Vermutungen, kaum subjektive Ansichten, keine Verleumdungen, sondern Fakten, die er, dort wo es notwendig ist, immer mit gebührender Distanz und mit Respekt vor der Intimsphäre des einzelnen festhält. Wer heute Gendarmeriechroniken für seine Forschungen verwendet, braucht ebenfalls Taktgefühl und Respekt, auch vor den Außenseitern der Gesellschaft. Darum heißt es in einem jüngeren Befehl des Landesgendarmeriekommandanten^ daß die Gendarmeriechroniken zur wissenschaftlichen Auswertung nach vorher gehender Anmeldung nur unter der Bedingung zur Verfügung gestellt werden, daß Abschriften auf der Dienststelle erfolgen und dabei die Bestimmungen des Daten schutzgesetzes beachtet werden. Die Reproduktionen wurden vom Verfasser der Redaktion zur Verfügung gestellt. ' Befehl des Landesgendarmeriekommandanten vom 27. September 1983. 182

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2