OÖ. Heimatblätter 1988, 42. Jahrgang, Heft 3

Bald treffen die ersten Kriegsgefangenen, serbische, russische, italienische, in Ottensheim ein. Sie müssen bei der Schloßherrschaft, in der Brauerei und bei den Bauern arbeiten, werden von ungarischen Soldaten bewacht und unterstehen der Oberaufsicht der Ottensheimer Gendarmerie. Je länger der Krieg dauert, desto mehr Gefangene versuchen zu flüchten und sich nach Hause durchzuschlagen. Sie werden von den Gendarmeriebeamten aufgegriffen und wieder in die Kriegsgefangenen lager eingewiesen. Wiederholt führt Hawel solche Aktionen in der Gendarmerie chronik an. 14. August 1914: Die zwecks Anhaltung von verdächtigen Automobilen und fremden Luft fahrzeugen verrichtete ununterbrochene Straßenpatrouille auf die Überwachung der hierortigen Wasserleitung ausgedehnt. Hier kommen seine Aufschreibungen wieder einmal an die Grenzen unfrei willigen Humors: Wie stellt er sich die Anhaltung fremder Luftfahrzeuge vor? Manchmal schreibt er auch von den Flugmaschinen, die entlang der Donau fliegen, und denen er gemäß des Befehls der vorgesetzten Dienstbehörde Vorpaßhaltung leisten muß. Hawel erwähnt die Schwierigkeiten der Ottensheimer Brauerei, die gleich zeitig das Elektrizitätswerk Ottensheim betreibt und die zum Beheizen des Dampf kraftwerkes keine Kohlen mehr bekommt. Er schreibt über die Revolte der Ottens heimer Frauen, denen die Behörde plötzlich verbietet, selbst zubereiteten Teig beim Bäcker ausbacken zu lassen, und denen es gelingt, einen Kompromiß herbeizuführen. Am 17. Jänner 1916 berichtet Hawel darüber folgendes: Die Genossenschaft der Bäcker des Gerichtsbezirkes Ottensheim hielt im Gasthofe „Zur Post" eine Jahresversammlung ab, welchen Anlaß ungefähr 200 Frauen benützten, um gegen die Weigerung der Bäcker, im Hause zubereiteten Brotteig gegen Vergütung auszubacken, ziemlich willenskräftig aufzutreten. Um 9 Uhr vormittag, als sich die ersten Genossenschaftsmitglieder ein gefunden hatten, begann der Anmarsch der Frauen aus allen Bevölkerungsschichten des h/larktes und der Umgebung. Trotzdem ihnen der Eintritt verboten wurde, drangen dieselben in die Gast lokalitäten, worauf eine sehr erregte Auseinandersetzung mit den Bäckermeistern begann und die letzteren von den Frauen umrungen und bedroht wurden. - Erst das Einschreiten des Gefertigten konnte die erhitzten Gemüter einigermaßen beruhigen und die Frauen veranlassen, den Gasthof zu räumen. - Die langjährige Ortsgewohnheit, den selbst zubereiteten Brotteig zum Bäcker zum Aus backen zu bringen, wurde durch Einigkeit der Frauen in dem Sinne erhalten, daß eine Bäckermei stersgattin, deren Gatte das Gewerbe mit Kriegsbeginn eingestellt hat, sich verpflichtete, gegen ein Trinkgeld nach freiem Ermessen der Parteien weiterhin hausgemachten Brotteig zum Ausbacken zu übernehmen, wobei die Parteien das zum Heizen des Backofens nötige Holz sich selbst verschaffen müssen... Natürlich will man nach der Lektüre der Gendarmeriechronik Näheres über den Mann wissen, der das geschrieben hat. Er selbst, seine zwei Frauen und seine Kinder liegen auf dem Ottensheimer Friedhof begraben. Seine Lebenszeit ist auf dem Stein mit 1874 bis 1951 angegeben. Seine erste Frau Irma hat von 1881 bis 193 7 gelebt, sein einziger Sohn Ferdinand Hawel von 1915 bis 1927. Seine zweite Frau Klara, 1888 geboren, hat ihn um mehr als ein Vierteljahrhundert überlebt und ist 1978 im Alters heim Gramastetten gestorben. Seine Tochter Frieda (1908-1986) war Lehrerin, 180

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