Hawel schildert manche Taten von Gendarmeriebeamten so lebendig, als wäre er dabeigewesen. Das läßt vermuten, daß die Aufzeichnungen des seinerzeitigen Postenführers Georg Molterer, die Hawel zur Verfügung standen, schon sehr aus führlich waren. Dann weist Hawel auf die Neuaufstellung des Postens in Feldkirchen a. d. D. am 1. Jänner 1904 hin, dessen Agenden ebenfalls zuvor von Ottensheim erledigt wurden. Und unmittelbar vor dem Hinweis auf den Ausbruch des Ersten Weltkrieges erwähnt er in der Chronik noch das Geständnis der Armenpfründnerin L., die auf dem Sterbebett angibt, den Brand von 1899 aus Rache gelegt zu haben. Mit dem Ersten Weltkrieg beginnt die Glanzzeit Hawels als Lokalchronist. Weder Schulmeister noch Pfarrer noch Gemeindechronist berichten so ausführlich wie er. Fast Tag für Tag schreibt er ein, was sich in seinem Rayon, zu dem damals außer Ottensheim noch die Gemeinden Walding, Goldwörth, St. Gotthard und Puchenau gehört haben, zuträgt. Er schildert die Begeisterung der Bevölkerung zu Kriegsbeginn: 31 Juli 1914: Nach Verlautharung der Adobilisierungs-Kundmachung haben sich sogleich Leute, auch auswärts, gruppenweise auf den Plätzen und Straßen aufgestellt und die Ereignisse besprochen. In den öffentlichen Lokalen ertönten bis spät in die Nacht hinein patriotische Lieder. Viele junge Männer drängen sich zum Einrücken, können aber nicht auf genommen werden, weil man nicht weiß, wohin mit ihnen. Hawel schreibt auch von der Hysterie der Zurückgebliebenen, die plötzlich in jedem, der einen fremdklingen den Namen trägt, den Feind sehen und jeden Unbekannten als Spion betrachten. Einmal glauben sie, nach der Frühmesse ein feindliches Flugobjekt zu sichten, das in Rich tung Linz zieht. Das unheimliche Licht im Morgennebel wird von Gendarmerie-Wacht meister Ferdinand Hawel als der Morgenstern agnostiziert. Wir erleben in Hawels Niederschrift auch die baldige Ernüchterung, die nicht mit dem ersten Gefallenen kommt, sondern mit den weniger werdenden Nahrungs mitteln und Gütern des täglichen Gebrauchs, und die schließlich zu Kriegsverdros senheit und zum Wunsch nach baldigem Frieden führt. Daneben erfahren wir auch etwas vom unerschütterlichen Patriotismus der Ottensheimer, der sich bis zum Ende bei jedem siegreichen Vordringen im Feindesland in enthusiastischem Jubel aus drückt und mit Beflaggung der Markthäuser und Böllerschüssen gefeiert wird. Hawel läßt uns die Liebe zum Kaiserhaus mitspüren. Er und der ganze Markt sind erschüttert, als sie erfahren, Kaiser Karl wäre beinahe ertrunken. Beim darauf folgenden Gottesdienst zum Dank für seine Errettung sind nicht nur die Honoratio ren und die Schulkinder anwesend, es drängen sich förmlich alle Gläubigen. Gottes dienste mit schulfreien Tagen gibt es zum Geburtstag des Kaisers, zum Namens fest des Kaisers, zum Geburtstag der Kaiserin, zum Namensfest der Kaiserin, zum Hoch zeitstag der beiden usw. Revolutionäre Gedanken, die in den Städten schon im Ver borgenen glimmen, sind in Ottensheim und auf dem Lande noch undenkbar; Hawel würde jedes Schimpfen auf den Kaiser und jeden Widerstand gegen die Obrigkeit aufdecken und ahnden. 12. April 1915 wurde in Ottensheim die erste Brotkarte ausgegeben. Für eine Woche 490 g Brot oder 350 g Mehl. 178
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2