OÖ. Heimatblätter 1988, 42. Jahrgang, Heft 3

Am 19. ließ Windischgrätz mit Ernst die Vorstädte angreifen. Bis 30. waren 34 Vorstädte übergeben. In einigen Vorstädten wurde aber grausam gemordet, besonders in der Leopoldstadt. Sie steckten die weißen Friedensfahnen aus und ließen das Militär einmarschieren. Hernach haben sie von allen Fenstern herausgeschossen und geworfen. Nun gab es kein anderes Mittel mehr, als daß die Servianer in den Sturm hinein mußten. Es wurde nicht ein Kind verschont. Alles, was erwischt wurde, wurde ermordet und verbrannt. Besonders in den Vorstädten, wenn von einem Haus heraus geschossen wurde, blieb nicht ein Mensch im ganzen Haus verschont. Am 31. wurde die Hauptstadt bearbeitet, welche wir in einem Tag eingenommen hatten. Das schlechte Gesindel zündete die Burg an, wo ein Teil verbrannte. Als die Kroaten hörten, daß die kaiserliche Burg brennt, waren sie nicht mehr zu halten. Mit Kanonenschüssen zerschossen sie das Burgtor und stürmten in die Burg hinein. Bei den Gutgesinnten gab es ein Vivatrufen vor Freude. Die Studenten und die Nationalgarde wuß ten jetzt nicht, wo ein und aus. Sie warfen ihre Waffen weg. Die Studenten warfen ihre Hüte samt den Federn über die Bastei in den Stadtgraben. Sie sind gelaufen, was sie nur konnten. In den Häu sern sind sie in den Kellern zusammengekrochen, aber man hat sie schon herausgetrieben. 14 Tage war die Stadt bewacht, und es wurde alles genau untersucht. Die Kommandanten und Rädelsführer wurden alle erschossen. Man fand auch das übergegangene Militär, welche auch ihre Strafe beka men. Wir mußten aber immer auf2 Seiten kämpfen. Vor uns die Wiener, hinter uns Kossuth mit der ungarischen Armee. Die Ungarn und Wiener waren dreimal stärker als unsere Armee. Aber wir hielten uns immer tapfer. Dreimal probierte Kossuth, unsere Armee anzugreifen, und den Wienern zu Hilfe zu kommen. Er wurde aber immer geschlagen. Am 30. Oktober mußten wir um Mitter nacht gegen die Ungarn, die schon gegen Wien vorrückten und bei Schwechateine Bataille (Gefecht) hatten. Wir waren bis 2 Uhr nachmittags im Feuer, und die Ungarn mußten retirieren. Am 12. November mußten wir nachts auf und nach Ungarn marschieren. Mein Herr mußte die Batterie übergeben und das Kompaniekommando der 9. Kompanie übernehmen. So sind wir am 12. Dezember nach Wien zur 9. Kompanie gekommen. Wie es mit den Ungarn weitergeht, weiß man noch nicht. Wien ist noch besetzt - von ca. 30.000 Mann. Die Armee und auch Jelasic und Windischgrätz sind in Ungarn. Man hört, daß am 16. der Angriff ist. Liebste Eltern, ich möchte, daß ich Euch alles mündlich erzählen könnte, was seit 13. März in Wien alles geschehen ist. Wien hat das vielleicht noch nie erlebt. Es verging fast keine Woche, wo wir nicht alarmiert wurden und ein Kampf war. Aber jetzt das Schauerlichste. Das ganze Zivilvolk war über uns, und wer nicht zur Waffe greifen wollte, den stachen sie nieder. Gutgesinnte mußten viel leiden. Die Studenten drohten ihnen schon, daß, wenn sie den Sieg erringen, sie ermordet wer den. Dies wäre auch geschehen. Viele sind unschuldig um ihr Leben gekommen und viele durch das Feuer verunglückt. Vom 29. bis 30. Oktober war Wien bei Nacht traurig anzusehen. Alles war blut rot vor Feuer, und Tag und Nacht das Donnern der Kanonen. Mit der Freiheit ist es schon zu weit gekommen. Der ehrliche Mensch traute sich nichts mehr zu sagen, und der schlechte Kerl hat her umgeschrien, daß er selbst nicht gewußt hat, was er sagt. Es sind eine Menge Flugschriften heraus gekommen. Der beste Leser wäre nicht imstande gewesen, alle zu lesen, welche täglich gedruckt wur den. Am Ende standen aber nichts als Dummheiten, abscheuliche Sachen und Lügen darin. 174

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