OÖ. Heimatblätter 1988, 42. Jahrgang, Heft 2

Österreicher zu ihrer jüngsten Vergangenheit, daß in der Diskussion der Frage nach Schuld oder Ver hängnis im Jahre 1938 zwar alle jene ideologischen Gruppen oder Bevölkerungsschichten Stellung beziehen können, die im Widerstand gegen den Nationalsozialismus oder als Opfer der Un menschlichkeit des Systems das Recht auf Ankla ge wie auf Sühne erworben haben, daß aber in dem Prozeß der Weltgeschichte, vor dem Tribunal der Nachwelt, zu dem dieses Bedenkjahr 1988 gewor den ist, jenen, die den Marsch ins Großdeutsche Reich vorbereitet, den Weg geführt oder die Mit läufer verführt haben, und den anderen, die in fal scher Gläubigkeit oder weil ihnen jene Einsicht fehlen mußte, die die Nachgeborenen zu besitzen glauben, mitgetan haben und damit vielleicht auch mitschuldig wurden, keine Möglichkeit der Erklä rung und schon gar nicht der Rechtfertigung gege ben wird. Was immer auch - selbst wenn ihnen im Rahmen der Gedenkveranstaltungen die Möglich keit gegeben worden wäre - ehemalige National sozialisten in dem Versuch der historischen Ein ordnung ihres Tuns und Verhaltens von 1938 sa gen würden, es wäre geprägt von der Notwendig keit des Sich-verteidigen-Müssens." Angesichts des organisierten Massenmor dens, für das Auschwitz ein entsetzliches Sinnbild in der ganzen Welt geworden ist, versteht man, daß alle, die eine großdeutsche oder wie Srbik eine „ge samtdeutsche" Lösung anstrebten, kein Gehör fin den, einer historisch objektiven Einordnung ihres Denkens und Tuns ist allerdings damit nicht ge dient. Freilich wiegt dies auch heute noch gering gegenüber dem Gewicht des Schreckens und Ter rors jener Zeit. Daß Srbik nicht nur eine wissen schaftliche Größe, sondern auch ein achtbarer Mensch war, zeigt sein Eintreten für den jüdischen Historiker Hans Rothfels, dessen Vorlesungen der Verfasser dieser Zeilen vor etwa 30 Jahren in Tü bingen kurze Zeit hörte. Srbiks Brief an ihn aus dem Jahre 1949 ist übrigens der einzige, der aus der Nachkriegszeit in diesen Band aufgenommen wur de, und daher auch der einzige darin, der eine Rechtfertigung des Schreibers enthält. Vor allem jüngere Menschen sollten ihn lesen, um die Älteren nicht nur verurteilen, sondern auch beurteilen zu können. Auf fast 650 Seiten steigen über 30 Jahre der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf, in engem Kreise, aber von weiter Denkwirkung. Man möch te wünschen, daß sich auch ein Herausgeber der politischen und musischen Korrespondenz Srbiks annimmt. Josef Demmelbauer Helfried Valentinitsch (Hrsg.): Recht und Gesclüchte. Festschrift Hermaiui Baltl zum 70. Geburtstag. Graz: Leykam-Verlag 1988. 664 Seiten. S 490,-. Wer nach 1970 Jus zu studieren begonnen hat, dem wird die „österreichische Rechtsgeschichte" des Grazer Rechtshistorikers Hermann Baltl zu mindest dem Titel nach bekannt sein. Dieses „von den Anfängen bis zur Gegenwart" reichende Lehr buch hat 1986 bereits die 6. Auflage erfahren, ein schlagender Beweis für seine Brauchbarkeit, übrigens auch für einen breiteren, an der Rechtsge schichte unseres Landes interessierten Leserkreis. Einer akademischen Gepflogenheit Rechnung tra gend, haben an die dreißig Wissenschafter, vor nehmlich aus der Historikerzunft, zum 70. Ge burtstag Baltls ihre Beiträge zu einer Festschrift zu sammengetragen. Die darin behandelten Themen gehören nicht nur der Rechtsgeschichte im enge ren Sinn an, sondern auch der Wirtschafts- und Sozialgeschichte sowie der allgemeinen politi schen Geschichte. Die Literatur- und Geistesge schichte ist im Beitrag von Herwig Stiegler vertre ten, wo das Haupt der historischen Rechtsschule, Savigny, der „Troubadour der Pandekten", im Ve xierspiegel der Satire Heinrich Heines, der ja Dok tor jur. war, erscheint. Im Hinblick auf die Vielzahl und Vielfältigkeit der Beiträge seien primär die erwähnt, welche Be züge zu Oberösterreich aufweisen: In der der allgemeinen politischen Geschichte zuzuordnenden Untersuchung über die Pragmati sche Sanktion von 1713, einer auf dem Grundsatz der Untrennbarkeit der Königreiche und Länder der österreichischen Monarchie aufgebauten Erb folgeregelung, derzufolge Maria Theresia und ihre Nachfolger die Herrschaft über die österreichi schen und ungarischen Länder ausübten, zeigt W. Brauneder die in der Erklärung der Provisori schen Landesversammlung für öberösterreich vom 18. November 1918 zum Ausdruck kommen de Vorstellung, die österreichische Monarchie sei bis zu ihrem Zusammenbruch vor allem auf die Pragmatische Sanktion gegründet gewesen. Weil die auf ihr basierende bisherige staatliche Gemein schaft aufgelöst sei, erklärte die provisorische Lan desversammlung ... „den (übrigen) Ländern ... als Glied des Staates Deutsch-Österreich zur Seite zu treten". So wurde das alte Band der Pragmati schen Sanktion durch ein neues ersetzt. Allgemein bekannt ist, daß auf Gesamfstaatsebene die Frauen erstmals bei den Wahlen für die konstituierende Nationalversammlung am 16. Fe bruar 1919 wahlberechtigt waren. Dorthin führte

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