OÖ. Heimatblätter 1988, 42. Jahrgang, Heft 2

Gesellschaft nicht erfüllten. Schließlich sind die Verfasser dieser Schriften ein frühes Beispiel für das bürokratische Element in der österreichischen Literatur, das Claudio Magris neben ihrer Über nationalität als für sie bezeichnend herausgestellt hat und das später im Stil von Grillparzer, Stifter, Kafka oder Doderer zutage tritt. In den Memoiren des - insbesondere von Anton Bruckner - gefürch teten Eduard Hanslick ist ja schon davon die Rede, daß im vormärzlichen Österreich jedermann Beamter war, der einen Hang für Kunst und Litera tur hatte. Anzuerkennen bleibt noch, daß im Nach wort die Besonderheit der staatlichen Entwicklung Österreichs, für welche die Bürokratie ein essen tieller Bestandteil war, im Gegensatz zur zersplit terten Staatlichkeit Deutschlands sehr anschau lich gemacht wird. Josef Demmelbauer Joseph von Eichendorff: Pohtische und historische Schriften / Streitschriften. (= Werke. Bd. V.) München: Winkler-Verlag 1988. 630 Seiten. In der anspruchsvollen Reihe der Weltlitera tur liegt seit diesem Jahr der fünfte und abschlie ßende Band einer allen editorischen Ansprüchen genügenden Eichendorff-Ausgabe vor. Die beiden ersten Bände enthalten das allgemein bekannte Werk des Dichters, sie sind bereits 1970 erschie nen. Band IV aus dem Jahre 1980 enthält neben einer Nachlese der Gedichte erzählerische und dramatische Fragmente, darunter die Beschrei bung der Studentenzeit des Dichters in Halle und Heidelberg, sowie die Tagebücher. Schon Band III hatte, Eichendorffs Schriften zur Literatur zusam menfassend, nicht zum Klischee des verträumten, untüchtigen „Taugenichts" gepaßt. Einen völlig an deren Eichendorff vermittelt der Abschlußband der Werkausgabe. Politische und historische Schriften, ja Streitschriften von Eichendorff? Was legitimierte ihn dazu? War er etwa gar ein Vorläu fer "jener Schriftsteller von heute, die ihre Reputa tion auf künstlerischem Gebiet auf den politischen Bereich übertragen, ohne in diesem von vornher ein legitimierter zu sein als mit diesem Bereich Ver traute? Das Bild vom wander- und waldseligen Dich ter der „Mondnacht" hat den Juristen Eichendorff, der seine juristischen Studien in Wien mit Aus zeichnung absolviert und fast 30 Jahre in preußi schem Staatsdienst zugebracht hat, an den Rand des Vergessens gedrängt. Er hätte Landrat in seiner schlesischen Heimat werden wollen, was ihm nicht gelang. Hauptsächlich war er mit der weltan schauungsträchtigen Materie des Staatskirchen rechts befaßt und stand - wenngleich nicht an poli tisch herausragender Stelle - mitten in den reli giös-politischen Auseinandersetzungen seiner Zeit. Die erste - staatskirchenrechtliche - Abhand lung im vorliegenden Band V gilt den Folgen der Säkularisation der Kirchengüter in Deutschland. Ihr folgen Schriften zu preußischen Verfassungs fragen sowie zur Pressegesetzgebung mit einem Entwurf eines Pressegesetzes, dies vor dem Hinter grund der Zensur. Von den historischen Schriften ist am be kanntesten „Die Wiederherstellung des Schlosses der deutschen Ordensritter zu Marienburg", wo der Konflikt mit den Polen früh schwere kriegeri sche Ausmaße gewann. Eichendorffs katholisch konservatives Geschichtsverständnis tritt uns, gleichsam als die Summe seines politisch-histori schen Denkens in seinem letzten Werk, in der 185 7 kurz vor seinem Tod begonnenen, Fragment ge bliebenen Biographie der hl. Hedwig (Bd. V, S. 392 ff.) entgegen. Sie beginnt so: „Es walten im Leben der Menschen seit dem Sündenfalle zwei geheimnisvolle Kräfte, die be ständig einander abstoßen und in entgegengesetz ten Richtungen feindlich auseinandergehen. Man könnte sie die Zentripetal- und die Zentrifugal kraft der Geisteswelt nennen. Jene strebt erhaltend nach Vereinigung mit dem göttlichen Zentrum al len Seins, es ist die Liebe; während die andere ver neinend nach den irdischen Abgründen, zur Ab sonderung, zur Zerstörung und zum Hasse hinab führt. Der Kampf dieser beiden Grundkräfte, je nachdem im Wechsel der Zeiten die eine oder die andere die Oberhand gewinnt, bildet die Weltge schichte, deren große Aufgabe eben der endliche Sieg jener göttlichen Grundkraft: ist." Daß seine Sorge um die neuere Entwicklung, beginnend mit der Reformation und von der Fran zösischen Revolution auf den Siedepunkt ge bracht, nicht die Frucht romantischer Schwärme rei für das Mittelalter als das goldene Zeitalter ka tholischer Gläubigkeit war, sondern durchaus Be züge auf das Denken der Gegenwart besitzt, zeigt etwa das von Eichendorff unbeeinflußte, aber mit seinem politisch-historischen Denken überein stimmende und dieses weiterführende geschichtsphilosophische Werk des Staatsrechtlers und Poli tologen Eric(h) Voegelin (1901-1984), der in drei großen Wellen den Abfall von Gott verlaufen sieht; in der Reformation, der Französischen Revo-

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