OÖ. Heimatblätter 1988, 42. Jahrgang, Heft 2

rungen hat, braucht ein Kritiker nur negativieren und verreißen, was immer leicht möglich und mit etwas Geist und Witz auch recht unterhaltsam für das Pu blikum - für den Künstler oft zutiefst ver letzend - zu lesen ist. Das allein zeigt schon die Unredlichkeit einer solchen Kritik auf: Der eine muß bekennen, der andere nur negahvieren. Verlangt man dann aber, wie bei den oben angeführten Berechnungs- oder Übersetzungsbei spielen, auch hier die bessere Gegenlei stung des Kritikers, herrscht großes Schweigen im Blätterwald. Max Liebermann, stets auf Kriegsfuß mit den Kunstkritikern, sagte einmal: „Ich glaube, man kann ein großer Kunstge lehrter sein ohne das mindeste von Kunst zu verstehen." Und als man ihm wieder einmal eine pointierte Aussage über die Kunstkritiker entlocken wollte, meinte er: „Ach, die sind mal gar nicht so übel, wer sollte denn sonst, nach unserem Tode, unsere schlechten Bilder für unecht er klären?" Und Pablo Picasso bekennt: „... und den Kritikern habe ich die lächer lichsten Gedanken vorgesetzt, die mir durch den Kopf schössen. Je weniger sie kapierten, umso größer ihre Bewunde rung..." Unverstandene und unverständliche Lobhudeleien mit phantastischen Wort schöpfungen und Wortkombinationen bilden eben auch nicht die Idealkrihk. Allgemein bekannt sind ja auch die groben Fehlurteile, die selbst so einem ge bildeten Mann wie Idanslik im Falle Bruckner unterliefen, oder die Tatsache, daß van Gogh zeit seines Lebens nur ein einziges Bild, noch dazu lediglich eine Kopie nach Corot, verkaufen konnte. Wo waren da die feinsinnigen, alles besser wissenden Kritiker? Man bedenke ferner, daß ein Kritiker oft nach einem einzigen Konzert oder nach einem Blick in eine Ausstellung schon ein absolutes Urteil über Formen abgibt, um die ein Künstler, möglicher weise, ein Leben lang gerungen hat und die dem Kritiker bis dato unbekannt wa ren. Es liegt auf der Hand, daß da nicht al les auf Anhieb stimmen muß. Die Liebe auf den zweiten oder dritten ist häufig dauerhafter als die auf den ersten Blick. Soll und darf es, nach all diesen Prä missen, nun überhaupt keine Kunstkritik geben? Nein, dieser Meinung bin ich nicht, ist mir doch voll bewußt, daß gekonnte Kritik nicht nur bei Bauobjekten Unfälle und bei Übersetzungen grobe Mißver ständnisse vermeiden hilft, sondern auch auf dem Gebiet der Kunst befruchtend und fördernd wirken kann. Wogegen verwahre ich mich denn dann? Da die Kunst, zum Unterschied von den zwei Beispielen aus Technik und Philologie, keine eindeutigen Gesetze be sitzt und daher immer viele unwägbare subjekhve Shmmungsmomente für die Kritik bestimmend sind, dürfte auch der beste und routinierteste Kunstkritiker nie ein Urteil von allgemein gültigem Geprä ge fällen, wie dies leider selbst bei drittklassigen Kritikern laufend passiert. Es müßte eingangs jeder Kunstkrihk immer betont werden, daß es sich dabei nur um eine persönliche Meinung han delt. Der persönliche Geschmack sei je dem Menschen zugestanden, doch darf ein schlechter Kritikergeschmack nicht einseitig zu Lasten des Künstlers gehen. Wollte er ganz exakt sein, müßte der Kri tiker sagen: „Heute und nach meinem heutigen Wissensstand beurteile ich das vorliegende Werk so und so." Und je

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