OÖ. Heimatblätter 1988, 42. Jahrgang, Heft 2

Adalbert Stifters angebliche Reise 1836 ins Salzkammergut Von Fritz Feichtinger Für Josef van Heukelum und Dr. med. Friedrich Lenzenweger hdeinungsverschiedenheiten geben oft Grundlagen für Forschungsarbeiten. Erst die Auseinandersetzung mit einem Thema im Pro und Kontra liefert Denk anstöße zu Gesprächen oder Tätigkeiten, die Ausgangspunkte für weitere Auseinan dersetzungen sein können und gegebenenfalls im Ergebnis einer Forschungsarbeit ihren Niederschlag finden. Für die nun folgenden Ausführungen waren solche Gespräche^ förderlich, wenngleich oft im Sinne einer Meinungsfestigung für einen bereits vorher erarbeite ten Standpunkt, der sich klärend im „Kontra" manifestierte, sodaß die hier vorliegen de Arbeit nur mehr eine Zusammenfassung und Erläuterung der Fakten darstellt und neue Aspekte ergibt. 1. Ausgangsposition Die im Titel angeführte Reise Adalbert Stifters sollte nach Meinung einzelner Gelehrter in zweifacher fftnsicht als „begründet" gelten: Einmal als Anregung für manche Sftftersche Dichtung und zum zweiten als solche für seine „malerische" Tätigkeit. Die aus derartiger Sicht resultierenden Irrtümer sind vielfältig und gipfeln im letzteren Falle in dem Satz Josef Nadlers: Stifter habe „das Salzkammergut als Maler betreten und als Dichter verlassen"^. Diese Äußerung, die sich inzwischen als unhaltbar erwies^, führte zu weiteren Fehlmeinungen und war nur möglich gewor den, weil ein anderer Gelehrter - Gustav Wilhelm - die Salzkammergut-Reise Shfters im Zusammenhang mit literarhistorischen Thesen erstmals erwähnte. 1.1 Zeitgenössische Berichte Auffallend ist, daß zeitgenössische Berichte Adalbert Stifters Reise 1836 ins Salzkammergut nicht erwähnen. Weder bei Heinrich Reitzenbek (dem ersten Biogra phen Stifters") noch bei Johannes Aprent (Stifters Freund und Nachlaß-Heraus geber^) wird sie genannt, und auch Stifter selber verliert kein Wort darüber, obwohl er im Jahre 183 6 einen regen Briefwechsel mit seinen seit kurzem von Wien abwesenden Freunden Adolf Frh. von Brenner und Sigmund Frh. von Handel führte^. Diese beiden Männer, denen Stifter seine intimsten Gedanken anvertraute, kommen in späteren Gesprächen oder Briefen mit keiner Silbe auf diese - mancher Meinung nach so wichHge - Reise zu sprechen. Auch Alois Raimund Hein erwähnt

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