Gustav Heckenash - im Texte, den er auch selbst macht, ist er oft so ähnlich mit mir, daß ich meinte, er müsse mir den Gedanken gestolen haben..." (SW XVII, S. 141), womit Stifter die schriftstellerischen Qualitäten Simonys uneigen nützig zugab. Eine weitere Überlegung, die Simony zum Urheber der Kinderhegegnung macht, ist der deut liche Hinweis auf volkskundliche Gegebenheiten (Tracht, regionalbedingte Ausdrucksweise und Begriffsbildungen), die Stifter sicher nicht kannte, abgesehen vom Kernstück der Erzählung „Bergkri stall", dem Eishöhlen-Erlebnis, das Stifter aus den „Drei Dezembertagen" übernommen hatte und das Simony - aus seinem eigenen Bericht - im Brief wiederholte. Aus dem bisher Gesagten muß abgeleitet wer den, daß der Brief von Friedrich Simony an Emil Kuh vom 19. August 1871 Simonys Phantasie dar legt und keine beweiskräftige Quelle für den Auf enthalt Stifters 1845 in Hallstatt ist. Vielmehr liegt der Schluß nahe, daß Stifter erst 1846 Simony auf seiner Reise nach Bayern besucht hatte, denn sein Reißepaß war am 4. Juli 1846 in Wien ausgestellt worden (vgl. STA Prag, Inv.-Nr. 3216, des Prager Stifter-Archivs). „Bergkristall" ist in der Entste hung also nicht mit einem Aufenthalt Stifters in Hallstatt 1845 in Zusammenhang zu bringen, son dern entstand mit Sicherheit bereits 1844. Biographische Notiz Adalbert Stifter wurde am 23. Oktober 1805 in dem Böhmerwaldorte Oberplan als ältester Sohn eines Leinenwebers und Flachshändlers geboren, kam nach dem Tode des Vaters (1817) in das Stiftsgym nasium von Kremsmünster (1818-1826) und studierte Jus an der Universität Wien (1826-1830). In diese Zeit fielen seine ersten konkreten Versuche der Schriftstellerei (angefangen in Kremsmünster) und der Beginn seiner Hauslehrertätigkeit (ab 1828), die ihm zwanzig Jahre lang eine geringfügig gesicherte Ein nahmequelle bieten sollte, da er seine Universitätsstudien nicht „graduiert" abgeschlossen hatte. Eine aus diesen Ungereimtheiten sich komplizierende Liebesgeschichte mit dem Friedberger Bürgermädchen Fanni Greipl führte zum Bruch und später zur kinderlosen Ehe mit der Modistin Amalia Mohaupt (183 7). Erst nach 1840 zeigten sich die ersten Früchte der Schriftstellertätigkeit, doch war das Haushaltsbudget nie überfüllt. 1848 übersiedelte Stifter nach Linz (7. Mai), wurde Landesschulinspektor für die Volksschu len (1850) und starb am 28. Jänner 1868. Neben einer größeren Anzahl von Novellen („Studien") und Erzählungen („Bunte Steine" u. a.) schrieb er einen Bildungsroman („Nachsommer") und einen histori schen Roman („Witiko"). Im Zusammenhang mit der gegenwärtigen Ökologie-Bewegung und den Naturschutzbestrebungen scheinen Stifters einfache, klare Schilderungen einer unberührten Natur wieder an Aktualität und Bedeutung zu gewinnen; preisgünstige Taschenbuch-Ausgaben seiner Werke erleichtern den Zugang zur Stifter-Lektüre, durch die gerade im Gedenkjahr 1988 (120. Todestag) die Erinnerung an den großen österreichischen Dichter aufgefrischt werden könnte.
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