Es darf hier ein weitverbreiteter und vielfach wiederholter Irrtum berichtigt werden, der mit der Entstehung dieser Erzählung (ursprünglich: Der heilige Abend, erschienen zu Weihnachten 1845 in der Zeitschrift: „Die Gegenwart" in Wien) in Zu sammenhang gebracht wird: Stifter war 1845 nicht in Hallstatt, und die Anregung zu „Bergkristall" er hielt er nicht an Ort und Stelle durch Friedrich Simony. Aber schon Gustav Wilhelm (vgl. Anm. 8; hier der „Vierte Teil. Bunte Steine". Einleitung, S. 25) führt aus: „...die Anregung zu dieser Erzählung verdankt Stifter einem Aufenthalt in Hallstatt im Sommer 1845..." Doch Stifter selber schreibt in einem Brief an Gustav Heckenast am 21. 9. 1845 (SW XVII, S. 149/60/): „... Gereiset bin ich nirgends ... wir ha ben blos Gmunden gesehen..." und auch Hein (Hein-Jungmair, S. 247 ff.) berichtet nicht davon. Stifter war 1845 drei Monate (Juli, August, Sep tember) in Oberösterreich, mietete sich in einem Bauernhaus nahe Linz ein, um an den „Schwe stern" zu arbeiten, besuchte zwischendurch Ober plan, seine Mutter und Geschwister, denen er seine junge Frau Amalia erstmals vorstellte, und machte wahrscheinlich einen Abstecher nach Kremsmün ster und von dort über den Almsee (Scharnstein) den erwähnten Besuch von Gmunden, das ihn „wieder entzükte", weil er es ja schon von seiner Reise mit den Friedberger Freunden 1829, von Bad Hall aus besucht, kannte (vgl. SW XVII, S. 336). Gustav Wilhelm nimmt aber irrtümlich an (SW XVII, S. 386 f.): „... Wahrscheinlich war ja Stif ter während des Sommers nicht bloß in Gmunden, sondern tiefer im Gebirge und traf damals in Hall statt mit Friedrich Simony zusammen." Dieser Friedrich Simony, Dachsteinforscher und (1851) Professor der Wiener Universität, ist die Schlüsselfigur zum Hallstattkomplex. Gustav Wil helm setzte fort (s. o. Einleitung S. 25): „Das geht aus einem Brief des Geographen Friedrich Simony an Emil Kuh ... hervor, der eine lebendige Schilderung des ... Zusammentreffens mit Stifter enthält ...In der Begegnung mit den zwei Kindern, die auf dem Rück wege von einer Alpe Erdbeeren gesammelt und unter einem Felsen sich vor dem Unwetter geschützt hatten, und in der Schilderung die Professor Simo ny von seinem ersten winterlichen Besuche des Karlseisfeldes und dem Eindringen in eine Gletscherhöhk entwarf - auch ein von ihm aufgenom menes Bild [Zeichnung, d. Verf.] zeigte er seinem Gaste -, liegen offenbar die Keime dieser Erzäh lung, an der Stifter zu derselben Zeit arbeitete, als er seine ,Zwei Schwestern' auf dem Gebirge ansie delte ..." Wilhelm gibt zwar zu: „...Die Handlung läßt sich nicht mit Sicherheit in einem bestimmten Al pentale lokalisieren..." und weist mit Recht darauf hin, daß Stifter die Schilderungen Simonys (die dieser bereits 1843 veröffentlicht hatte) „wahr scheinlich bald nach ihrem Erscheinen kennenge lernt" hatte. Sie waren in Friedrich Witthauers „Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode" Nr. 225-230 vom II. bis 18. Novem ber 1843 abgedruckt worden (also genau in der gleichen Zeitschrift, in der Stifters Erstdruck seiner Novelle „Der Condor" 1840 herauskam), der Titel war: „Drei Dezembertage auf dem Dachsteingebir ge"- Simony war seit 1840 (!) sommers über in Hallstatt und hatte bereits 1842 seine „Ersteigung des hohen Dachsteins vom Carl-Eisfeld aus" (vgl. Wiener Zeitung Nr. 268 vom 28. 9. 1842, S. 1.982 ff., unter: Landeskunde) der Öffentlichkeit in spannender Schreibweise vorgestellt. 1844 folg ten dann, abermals bei Witthauer, die Forschungs ergebnisse der „Zwei Septembernächte auf der ho hen Dachsteinspitze" (Wiener Zeitschrift... Nr. 116-125.10.-22. Juni). 1844 hatte Stifter Simo ny bei Metternich kennengelernt (vgl. Anm. 7), des sen Sohn Richard von ihm unterrichtet wurde. Metternich war Förderer Simonys, und die Zeich nungen, die Simony auf dem Dachstein und der „Eishöhle" angefertigt hatte, waren im Hause Met ternichs zu sehen. Stifter hatte sie mit Sicherheit dort gesehen, ebenso, wie er mit dem „Böhmen" Si mony als Landsmann (beide stammten aus dem selben „Kronland") lebhafte Unterhaltung gepflo gen haben mochte. Und aus einer solchen Unter haltung mag auch die Anregung zu Stifters er wähnter Erzählung entsprungen sein, sodaß Stifter durchaus nicht in Hallstatt gewesen sein muß. Wie schon erwähnt, hatte Stifter mit Sicherheit auch Si monys Bergbeschreibungen gelesen und Teile da von in seine Erzählung als Sachinhalte übernom men. Gustav Wilhelm zitierte in den „Anmerkun gen" zu Teil IV („Bunte Steine", S. 266 ff.), „Bergkri stall", seitenlange „Vergleiche" der Texte von Si mony (Drei Dezembertage...) und Stifter und schreibt: „... Eine Vergleichung der Erzählung mit Si monys Schilderung... ergibt eine große Reihe von wesentlichen Übereinstimmungen (S. 266), die Stifters Kenntnis und Verwertung dieses Artikels be weisen... Auch die Benennung der Erzählung scheint auf diese Quelle zurückzugehen. Simony
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