rin klassenkämpferische Schuldzuweisungen vor nehmen und den Mythos von „Februarhelden" und „Arbeitermördern" aufwärmen, wird es kaum möglich sein, auf diesem schwierigen, weil nach wie vor emotionsbeladenen Gebiet Fortschritte zu erzielen. Vieles in diesem Beitrag ist leider nur Fort schreibung traditioneller Parteigeschichte. Eine interessante, den Problemkreis „Wider stand" umfassend behandelnde Studie bietet H. Hummer im Kapitel „Region und Widerstand. Am Beispiel des Salzkammergutes" (S. 111-179), der ebenfalls eine umfangreiche Dokumentation Kammerstätters zugrunde liegt. In der Definition des Widerstandes als „jegliche Opposition im Drit ten Reich - auch wenn es sich um einen vereinzel ten Versuch handelt, anständig zu bleiben" (K. Stadler), liegt der Schlüssel zum Verständnis der strukturgeschichtlichen Behandlung des The mas durch Hummer, der damit geradezu ein Musterbeispiel regionalgeschichtlicher For schungsarbeit leistet. Wer sich für die methodisch theoretische Seite interessiert, dem sei besonders der „Anhang" (S. 167 ff.) zur Lektüre empfohlen. Am deutlichsten kommt der von Interviews geprägte Charakter der Dokumentationen Kam merstätters im Beitrag R. Kannoniers über die „Mühlviertier Hasenjagd" und den Todesmarsch der ungarischen Juden (S. 181-214) zum Aus druck. Die Erzählungen wirken direkt, erschüt ternd, erschreckend, man kann den Mut der einen bewundern, die Niedertracht der anderen als ab schreckendes Beispiel verachten. Aber weniger als in Hummers Beitrag findet man Antwort auf die Frage, warum die Menschen so oder so handelten: darin äußert sich der methodische Unterschied der beiden Beiträge. Kannonier betont schon in der Einleitung, daß der Hauptzweck seines Beitrages im Weitergeben von Auszügen aus Kammerstät ters Materialsammlung liege, um hineinzuführen in das Thema „Umgang mit der Vergangenheit" und Anstoß für ähnliche regionale Untersuchun gen in anderen Gebieten zu sein. Der Rezensent stimmt mit dem Autor der Maxime Kammerstät ters zu, es gehe nicht darum, durch diese Material sammlungen (neue) Verfolgung auszulösen: „... mit neuer Gewalt kann etwas Krankes nicht ge sund werden. Es geht darum, diesen Schutt der Ideologie des Rassenhasses zu beseitigen." Der vierte Autor des Buches, Franz Kain, handelt „Vom Literarischen in der heutigen Ge schichtsforschung" (S. 215-229). Es ist nicht unin teressant zu lesen, wie der Literat Kain die Histori ker und ihre Produkte sieht, und seiner Anregung, Kammerstätters Materialsammlungen doch auch in literarischer Hinsicht „anzubohren", kann man nur ein erfolgreiches Echo wünschen. Gerhard Marckhgott Robert Stadler - Michael Mooslechner: St. Johann/Pg. 1938-1945. St. ]ohann/Pg.: Baur-Offsct-Druck 1986. 159 Seiten. S 150,-. „Bezogen auf die Jahre 1938-1945 war St. Jo hann in seinem ganzen Gefüge Bestandteil von Nazi-Deutschland. Es war das nationalsozialisti sche .Markt Pongau'. Für uns war es wichtig darzu stellen, wie sich die Wirklichkeit des nationalsozia listischen Regimes in all ihren Ausprägungen auf lokaler Ebene widerspiegelte." Mit diesen Worten umreißen die Autoren das lokal eng begrenzte, in haltlich aber sehr komplexe und anspruchsvolle Ziel ihrer Arbeit. Um es gleich vorwegzunehmen: Sowohl der Hauptteil des Buches unter dem Titel „Das nationalsozialistische .Markt Pongau'" als auch der zweite Teil „Der 2. Juli 1944 in Goldegg: Widerstand und Verfolgung" erfüllen den oben zi tierten Anspruch in ganz ausgezeichneter Weise. Sowohl die den Verhältnissen in St. Johann ent sprechende Gewichtung der Kapitel als auch der angenehme Stil ermöglichen es auch dem Nichtfachmann, sich ohne asketische Lesearbeit ein Bild vom nationalsozialistischen Alltag eines „durch schnittlichen" österreichischen Marktes zu ma chen. Die Einbeziehung sowohl schriftlicher, vor allem ungedruckter Materialien als auch münd licher Berichte ist wegen der geschickten Verbin dung der beiden Quellenarten zu einem anschau lichen Ganzen hervorzuheben. Es wird der häufige Fehler vermieden, sich in allgemein-politischen Darlegungen zu verlieren; sogar die fürchterlichen Vorgänge im Kriegsgefangenenlager Pongau sind so in die Gesamtdarstellung eingefügt, daß die anderen Aspekte nicht „erschlagen", sondern er gänzt und vervollständigt werden. Zu wünschen übrig läßt die Qualität der Foto reproduktionen und die Gestaltung der Grafik zur Bevölkerungsbewegung des Marktes. Aber diese kleinen, wohl auch technisch-finanziell bedingten Mängel wiegen gering gegenüber dem hohen In formationswert des Buches, das einem Leserkreis weit über Salzburg hinaus bestens empfohlen wer den kann. Gerhard Marckhgott
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