OÖ. Heimatblätter 1987, 41. Jahrgang, Heft 4

Zivilmaurer, 1.739 Handlanger, dazu kamen Schmiede, Schlosser, Tischler, Binder, für die Erd bewegung (1,5 Millionen Kubikmeter Erdreich!) mehr als zweitausend Deichgräber (sollte es nicht besser Teichgräber heißen?) aus dem böhmischen Raum, Die Geschützherstellung erfolgte in Maria zell, Transport und Montage erforderten wieder heimische oder angeworbene Kräfte. Über Ver pflegung, Unterbringung, medizinische Betreu ung, Arbeitszeiten, Feste usw. wird reiches Mate rial geboten. Ohne lokale Bezüge geht Christoph Teppenbergs Aufsatz „Mannschaftsmenage. Über das Essen und Trinken in den Kasernen der k. u. k. Armee" (S. 90-113) in ähnliche Richtung. Mehrere Beiträge zur Geschichte des 20. Jahrhunderts schließen sich an. Mit ausführlichen Literatur berichten ist für den scheidenden Generaldirektor des österreichischen Staatsarchivs und Betreiber des Archivneubaus in Erdberg, Hofrat Dr. Neck, eine facettenreiche Festschrift entstanden. Georg Wacha Hubert Hummer - Reinhard Kannonier - Brigitte Kepplinger (Hrsg.): Die Pflicht zum Widerstand. Festschrift Peter Kammerstätter zum 75. Geburts tag. (=VeröffenÜichungen des Ludwig-Bolizmann-lnsHluis für Geschichte der Arbeiterbewegung Linz, hrsg. v. Karl R. Stadler.) Wien: Europaverlag 1986. 241 Seiten. ISBN 3-203-50989-X. Peter Kammerstätter ist in der oberösterrei chischen Zeitgeschichte ein Begriff. Der jüngst ver storbene Linzer em. Ordinarius für Zeitgeschichte, Karl Stadler, faßt im Geleitwort Kammerstätters Aktivitäten zusammen: „... als Referent in Schulen und jugendgruppen, als Führer durch das ehemali ge KZ Mauthausen und auf den Pfaden der Parti sanen im Salzkammergut, als Ghronist der ,Zeit ohne Gnade' und Entdecker immer neuer Doku mente zur Geschichte von Widerstand und Verfol gung in unserem Lande." Es ist sehr zu begrüßen, daß sich das Boltzmann-Institut für Geschichte der Arbeiterbewegung der Aufgabe unterzogen hat, Leben und Anliegen dieses Mannes einer hoffent lich breiteren Öffentlichkeit in Buchform vorzu legen. Der erste Teil des Buches (S. 11-60) ist eine Biographie Kammerstätters, erarbeitet mit Metho den der „oral history" und so gekonnt dargestellt, daß bei aller Straffung und Kürzung der Eindruck des Erzählens und unmittelbaren Erlebens nicht verlorengegangen ist. „Klassenkampf" und „Wi derstand", vielstrapazierte Schlagworte, werden als praktische Konsequenz einer Überzeugung be greifbar, die nicht aus Theorien angelernt, sondern aus Erleben und Erfahrung erwachsen ist. Der Be griff „Pflicht" bedeutet hier nichts anderes als die Treue zu sich selbst, und deshalb ist zumindest die ser biographische Abschnitt des Buches sicher mehr als ein „antifaschistisches Lesebuch" (S. 10). Im nächsten Kapitel versucht B. Kepplinger, Vorbedingungen und Ablauf des 12. Februar 1934 auf der Grundlage einer umfassenden Material sammlung Kammerstätters darzustellen. Es ist hier nicht der Ort, auf die alten Kontroversen darüber einzugehen, was damals im einzelnen „wirklich" geschehen ist. Nur ein Beispiel: Kammerstätter er innert sich (S. 28), zu Mittag des 12. Februar 1934 „als einsame Wache, mit einem Gewehr am Schnürl" beim Petrinum gestanden zu sein und erst beim Auftauchen einer Soldatengruppe „von ca. 17 Mann" fünf oder sechs Freunde herbeigerufen zu haben, mit denen zusammen er ins Petrinum eingedrungen und nach ihrer Gefangennahme als einziger wieder entkommen sei. Eine zeitgenössi sche Darstellung der anderen Seite (Jahresbericht des Kollegium Petrinum 1933/34, S. 9 ff.) berichtet demgegenüber, um das Haus seien schon einige Zeit vor dem Eintreffen der unbewaffneten Solda tengruppe eine größere Gruppe Schutzbündler postiert bzw. unterwegs gewesen, drei eingedrun gene Schutzbündler seien festgenommen worden, sechs nachdrängende Bewaffnete hätten das Haus sofort wieder verlassen. Interessant sind in diesem Fall nicht die differierenden Zahlenangaben, son dern die daraus resultierende Tendenz der beiden Darstellungen: Entsteht bei Kammerstätter der Eindruck einer mehr oder weniger zufälligen Ein zelaktion einiger mutiger Schutzbündler gegen eine überlegene Gruppe regulären Militärs, so schildert der Petriner Bericht die Abwehr einer be waffneten Truppe des Schutzbundes durch eine Handvoll unbewaffneter, beherzter Soldaten. Kei ner der beiden Berichte ist „falsch", das beweist schon die Übereinstimmung in den Grundzügen; aber jede Seite hat eben „ihre" Augenzeugen, ihre Beweise, ihre Überzeugungen. Wenn auch in den letzten Jahrzehnten - nicht zu Unrecht - die Sichtweise der Sozialdemokraten stark gegenüber der „amtlichen" Darstellung an Publizität gewonnen hat, so scheint doch ein ge meinsames Verständnis der Ereignisse noch im mer weit entfernt. Solange sich Wissenschafter fin den, die mit solcher Selbstsicherheit wie die Auto-

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