OÖ. Heimatblätter 1987, 41. Jahrgang, Heft 4

vermutete, daß sich das Gipsmodell der Bruckner-Büste (heute im Historischen Museum der Stadt Wien, Karlsplatz) noch in dem Atelier, das Zerritsch nach dem Tode Tilgners (16. 4. 1896)^ übernommen hatte, befände. Es war dort, und Forster konnte aus nächster Nähe, so wie beim Sarkophag in St. Florian, Bruckners Züge stu dieren und jetzt auch zeichnen. Zwei Jahre dauerte die Auseinandersetzung mit dem Meister, dessen Musik Forster seit jungen Jahren durch die Aufführungen des St. Florianer Kirchenchores kannte und die er jetzt intensiver in sich aufnahm, wo immer er dazu in Wiener Kon zerten Gelegenheit hatte. Unter den Erinnerungen an das Sarkophag-Erlebnis und die Atelierbesuche bei Fritz Zerritsch entstand das Tonmodell für die Bruckner-Büste. Ein Marmorblock wurde Forster von der Akademie zur Verfügung gestellt. Als er die Arbeit begann, ließ er den Kopf Bruckners (nackter Hals, Brust- und Schulteransatz) in aufrechter - antiken Vorbildern nachempfundener - Haltung - streng achsial - aus dem Block, der eine würfelartige, bossierte Basis bildet. Der Kopf ist leicht überlebensgroß, die Züge in streng geschlossenen, klaren Formen gebildet, die durch die glatte Behand lung und die gelblich-rötliche Farbe des Marmors einen lebensähnlichen Charakter erhalten. Der Bruckner-Biograph Max Auer^ lieferte in der Beschreibung von Bruck ners Äußerem eine anschauliche Skizze. ... Bruckner war... (um 1886) von guter Mittelgröße (etwa 173 bis 175 cm) und überragte so seine künstlerischen Zeitgenossen VJagner, Brahms und Hugo VJolf beträchtlich. Durch seine mächtige Brust und die aufrechte, fast stolze Haltung wirkte er geradezu imponierend. Dadurch, daß sein Körper etwas zur Fülle neigte, erschien er kleiner, als er tatsächlich war. Sein Kopf mit der gewaltigen Nase, dem bartlosen Gesicht und den stets kurzgeschorenen, ehemals blonden [wohl eher braunen? Verf.] nun ergrauten Haaren glich dem eines römischen Imperators. Der Blick seiner blauen Augen aber strömte ... Güte und Unschuld aus ... Erst in den neunziger Jahren waren in seinem Antlitz Spuren physischer Leiden zu bemerken. Die Büste Tilgners zeigt uns Bruckner schon als alten, kranken Mann... Eine solche naturnahe Darstellung war für Forster nicht maßgebend. Er baute sein Bruckner-Bildnis viel eher aus dem Musikerlebnis auf, begnügte sich nicht mit fotografischer Porträttreue, sondern strebte nach geistiger Durchdringung und Bele bung des Materials. Ist die Tilgner-Büste - ein Vergleich sei gestattet - zu einer Zeit (1891) entstanden, als Bruckner ein 68jähriger, „kranker Mann" war, so stellte Forster Bruckner in die männlich-reifen Jahre seines Lebens. Die Tilgner-Büste hat in der Profilansicht eine deutliche, ja verblüffende Ähnlichkeit mit Bruckners Totenmaske und wirkt durch die Seitwärtsdrehung des Kopfes (vom Bildhauer als kompositori- ^ Ebenda, S. 132. ^ Max Auer: Anton Bruckner. Sein Leben und Werk. Wien: Amalthea 1947. S. 401 f.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2