OÖ. Heimatblätter 1987, 41. Jahrgang, Heft 3

Die Welt, sie fühlt die Ordnung als Bedürfnis Und braucht nur ihr entsetzlich Gegenteil In voller Blöße nackt vor sich zu sehn, Um schaudernd rückzukehren in die Bahn. Sein Gegenbild ist „Der Aufstand der Massen" mit seiner der Seinsordnung entfremdeten Bindungs- und Orientierungslosigkeit. Ihre exemplarische künstlerische Ausformung erhielt die „organische" Stän destaatstheorie in Hofmannsthal „Das Salzburger Große Welttheater". Die Figuren des Spieles sind entsprechend der Überlieferung des Barock theaters Gott, Welt, Engel, Tod, ein König, ein Reicher, ein Bettler, die Schönheit, die Weisheit. Das Moderne an dem Spiel liegt in der Gestalt des Bettlers, der seinen Platz unter den „Erniedrigten und Beleidigten" verlassen will, der sich durch eine unge rechte Ordnung, die er als Gewalt benennt, seines Lebensrechtes beraubt sieht: Der Weltstand muß dahin, neu werden muß die Welt, Und sollte sie zuvor in einem Flammenmeer Und einer blutigen Sintflut untertauchen... Der Bettler begnügt sich nicht mit sozialer Besserstellung, gegen die auch das statisch-ständische Denken nichts einwendet; er will aber nicht mehr in der bestehen den Ordnung bleiben, er will „Ordnung machen". Hinter ihm steht das Bild der russi schen Revolution. Josef Redlich, Staatsrechtslehrer, Politiker, der letzte kaiserliche Finanzminister, Freund Hofmannsthals und Bahrs, der zu dem kleinen Kreis jener gehörte, denen Hofmannsthal sein „Welttheater" selbst vortrug, schrieb im Herbst 1920: Daß die westliche Zivilisation nicht das letzte Wort der menschlichenKultur ist, weiß ich.. aber daß der Bolschewismus es ein wird, der das bessere Menschentum schafft, davon glaube ich kein Wort. Weder Expressionismus noch Aktivismus, noch Bolschewismus werden uns erlösen: wenn sie auch alle kräftige Hebel sind, die an der „Umwertung" arbeiten. Aber daß eine „Ethokratie" auf der Basis dieser Geistesverfassung geschaffen werden könne, glaube ich absolut nicht. Von dem „Ethos", das in dem bolschewistischen Terror... stecken soll, kann ich nichts merken... Es ist kein Zweifel, daß Redlich und Hofmannsthal hier übereinstimmen. Hof mannsthal läßt den Bettler denn auch das Gebäude der tausendjährigen Weltord nung nicht zertrümmern, er macht ihn erleuchtet und weise, ganz in der Art eines geistlichen Spiels, für das die soziale Revolution nichts ist, ja sub specie aeternitatis sinnlos, wo es nur um das Leben nach dem Tode geht. Hofmannsthal kehrt damit zu Calderon zurück, beide rühren nicht an die ständisch-statische Ordnung. Geht es um diese und ihre Ausfprmung im Staat, darf man die Staats(rechts)- lehre jener Zeit nicht seitwärts liegen lassen. Die überzogene Demokratisierungswelle der ersten Jahre nach dem Ersten Weltkrieg, welche vom verarmenden Mittelstand für die wirtschaftlichen Nöte jener Zeit verantwortlich gemacht wurde, erzeugte eine antidemokratische Haltung jener Schichten. Bezeichnend hiefür etwa wieder Josef Redlich, immerhin im Kabinett Buresch I 1931 noch einmal - kurzfristig - Finanzminister, in einem Brief vom 265

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