OÖ. Heimatblätter 1987, 41. Jahrgang, Heft 3

Wert mit höheren Zwecken und Mitteln über den einzelnen oder verbundenen Perso nen steht, die ihn bilden. Auch Hammerstein dürfte - so wie etwa Hoftnannsthal - dieser Staatsauffas sung gewesen sein: In seiner Rede vom 12. März 1932 zur Goethe-Feier des Landes Oberöster reich und der Stadt Linz^ mahnt er, damals noch Bezirkshauptmann in Braunau am Inn, dann während der Februar-Geschehnisse des Jahres 1934 Sicherheitsdirektor von Oberösterreich, später Staatssekretär, Justizminister und bis zum Anschluß „Bundeskommissar für Kulturpropaganda", es sei Zeit, daß wir uns einmal darüber klar werden: was wir heute erleben, das ist die Dämmerung der Persönlichkeit und der Freiheit. Die Per sönlichkeitgeht unter in der Mechanik der Masse. Der einzelne hat keine Stimme mehr. Nur die Masse gilt und ihr Wahn... Zwar ist noch nie soviel von der Freiheit geredet und geschrieben wor den. Aber es ist auch eine Erfahrung, daß, je mehr von einem Ding geredet wird, desto weniger von ihmvorhanden ist... Und wir sehen in der allgemeinen Entpersönlichung und Vermassung zugleich eine wilde Knechtseligkeit, einen schlechthin sadistischen Drang, sich zu unterwerfen, sich weg zuwerfen an Personen und Ideen, die nur Glaube haben, weil sie Masse haben, sich hinzuschmeißen unter andere ohne Gedanken, ohne Urteil, ohne Erlebnis, ohne Überzeugung. Und zugleich umgellt uns der hysterische Massenschrei nach dem Führer. Die mechanisierte Masse erlaubt kein Urteil, keine Freiheit, keine Persönlichkeit mehr, aber sie schreit nach dem Tyrannen und sieht einen Gott schon in mancher sehr subalternen Erscheinung, wenn nur Redeschwall von ihr ausgeht. In diesen Worten kommt zweierlei zum Ausdruck: die Warnung vor den Gefahren des über steigerten Führerkultes dieser Zeit knapp vor der „Machtergreifung" und eine all gemein kulturkritische Haltung, der es vor der Masse und ihrem Wahn graut. (Ortegas „Aufstand der Massen" war gerade in deutscher Übersetzung erschienen.) Als Dichter wird man Hammerstein jenen Dichtern verwandt sehen können, die nach dem Schock über den Zusammenbruch einer jahrhundertelangen hierar chischen Ordnung im Ersten Weltkrieg mit der Rückbindung an die Tradition einen Neubeginn suchten. Als ihren Ideologen nimmt man heute - trotz des ÖsterreichZyklus von Hermann Bahr und der berühmten Österreich-Rede von Wildgans - Hugo von Hofmannsthal an. Schon im Ersten Weltkrieg hatte er unter dem Eindruck der Existenzbedrohung des österreichischen Staates und seiner Gesellschaft die „österreichische Idee" entworfen, die Idee von einem Österreich, das „der katholi schen Kirche, der großen Fortsetzung des römischen Imperiums, verwandt sei", getra gen von den „Ideen der Versöhnung, der Synthese, ein wahrer Organismus"..., durchströmt von der inneren Religion zu sich selbst. Die Österreich-Idee tragen aber auch andere: Das Juni-Heft 1923 der „Neuen Rundschau" ist mit Beiträgen u.a. von Bahr, Nadler, Karl Renner, Schnitzler und Stefan Zweig „Österreich" gewidmet. Und Bahr rühmt bereits Ende 1920 am ersten Band von Josef Redlichs„Das österreichischeStaats- und Reichsproblem"die Mei sterschaft, mit der sein Autor „unsere Idee Österreichs, ,die' Idee Österreichs" dar stelle. ' Abgedruckt in dem unter Anm. 1 angeführten Bd. 95 der Stiasny-Bücherei. 263

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