OÖ. Heimatblätter 1987, 41. Jahrgang, Heft 3

Die Frequenz der Badeorte, die entsprechend ihrer Heilwirkung Prädikate bekamen, wurde stark durch die Erweiterung des Bahnnetzes gefördert. Baulich stat tete man sie zum Schutz gegen Witterungseinflüsse mit Wandel- und Trinkhallen aus. Esplanaden und großzügig angelegte Parkanlagen mit Aussichtspunkten nach englischem Muster ergänzten das Ensemble. So entwickelten sich die Heilbadeorte in Fortsetzung der Wallfahrtsorte und der Siedlungen mit bekannten Märkten zu Tourismusmittelpunkten mit einem typi schen Kurrayon und zur Bedarfsdeckung der Geselligkeit mit Theater, Musikpavil lon, eventuell auch Kasino. An diesen Treffpunkten für den Adel und das Großbür gertum pflegte man nicht nur die Gesundheit, sondern knüpfte auch gesellschaft liche, politische und wirtschaftliche Kontakte. Zur Kenntnis des österreichischen Bäderwesens Anfang des 20. Jahrhunderts trug Karl Diem mit seinem „österreichischen Bäderbuch", Wien 1914 (2. Auflage 1924), bei. Unter Mitarbeit des bekannten Geographen Norbert Krebs, des Meteoro logen Julius Hann und vieler Ärzte, Chemiker und Hydrotherapeuten stellte er ein ortsweise gegliedertes Werk über alle Badeorte, ihre Entstehung und Einrichtungen sowie deren Verkehrserschließung vor. Er bezeichnete „Alt-Österreich" als das bäderreichste Land Europas mit seinen 273 Heilquellenorten, 17 Moorbädern und 89 Luftkurorten. Insgesamt betrieb man zu Diems Erhebungszeiten in 165 Kurorten 360 Kuranstalten. Diems Standardwerk wurde zur Grundlage der in den dreißiger Jahren intensiv einsetzenden Bäderforschung in Österreich Zum gleichen Zeitpunkt begann auch die Geographie mit der Forschung über den siedlungsprägenden Ein fluß der Kurorte mit ihren Einrichtungen. Maull^^ bezeichnete die „Bädersiedlung als Rastort des Fremdenverkehrs", Hassinger hebt die landschafts-, Verkehrs- und siedlungsgestaltende Wirkung durch den Kurfremdenverkehr hervor. Grünthal setzte sich grundlegend mit der Bedeutung der naturgegebenen Faktoren wie Klima und künstlichen Mineralwässern für den Tischgebrauch - in den zuerst von Laien (Frießnitz und Kneipp) gewagten Anwendungen von Kalt- und Warmwasserkuren eine erhebliche Konkurrenz. Soziologisch lassen sich die Wirkungen der so bevorzugten reinen Quellen mit der Auswahl mineralischer, die sied lungsbildend wirkten, wohl vergleichen..und weiter erwähnt er die beiden Bäder St. Radegund bei Graz und Bad Kreuzen bei Grein als die «ersten derartigen Unternehmungen in Österreich". Damals gab es in Restösterreich für die 23 % der verbliebenen Bevölkerung durch den Verlust der Bäder in Südtirol, Böhmen, der Südsteiermark und der Adria nur mehr 44 % der Mineralquellenorte, 50 % der Moorbäder und 82 % der Luftkurorte. Aus: österreichische Verkehrswerbung. Hrsg.: Die Heilbäder in Österreich. Wien 1935. O. Maull: Geographie der Kulturlandschaft. Graz 1932, S. 78. H. Hassinger: Anthropogeographie. Wien 1937, S. 380/381: «Den Mineralquellen kommt besondere anthropogeographische Bedeutung zu, weil an den Orten ihres Austritts oft Heilbäder mit eigenarti gen Siedlungsbildern entstehen, das Verkehrsnetz und die Landschaft in ihrem Umkreis besonders ge pflegt wird, um diese Orte für den Fremdenverkehr anziehend zu gestalten. Sie sind ja nicht nur Sam melpunkte Heilbedürftiger, sondern oft auch für die elegante Welt, die Gesellschaft und Vergnügen sucht." " Siehe Anmerkung 2. 240

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