senschaftliche Themen in allgemein verständlichen Beiträgen behandelt - und damit dem Bildungsinteresse der Leser sowie dem bürgerlichen Fortschrittsoptimismus Rechnung getragen werden. „So wollen wir Euch unterhalten und unterhaltend belehren. Über das Ganze aber soll der Hauch der Poesie schweben wie der Duft auf der blühenden Blume, und es soll Euch anheimeln in unserer Gartenlaube, in der Ihr gutdeutsche Gemütlichkeit findet, die zu Herzen spricht."^® Diese Ankündigung verrät den Geschmack und die Mentalität des deutschen Bürgertums dieser Zeit. Als verantwortlicher Redakteur der „Gartenlaube" zeichnete vorerst Ferdinand Stolle, da der Leipziger Verleger Ernst Keil wegen der revolutionä ren Tendenz seiner Zeitschrift „Der Leuchtturm" 1851 zu neun Monaten Haft ver urteilt und die Zeitschrift verboten worden war. Sie hatte 1848 eine bedeutende poli tische Rolle gespielt. Ernst Keil wie Herman Schmid waren liberale Demokraten von ausgeprägt deutschnationaler Gesinnung, die Deutschlands Einigung herbeisehnten. So äußerte Herman Schmid dem vorhin bereits erwähnten Besucher gegenüber: „[...] erleben werden wir die Zeit der Einigung nicht, der wir mit voller Strömung ent gegentreten - aber ich freue mich bei dem Gedanken an die äußere Ausdehnung und innere Erhebung, welche Dichtung und Kunst dann erfahren werden, wenn sie einmal der Ausdruck einer großen gesamten - Gott gebe auch in ihren religiösen Angelegen heiten einigen Nationalität sein werden, wenn es ihnen gestattet ist, in Gestalt und Inhalt echt volkstümlich zu sein - [.. .1 ich habe kein anderes Streben als für das Volk zu schreiben und etwas beizutragen zu seiner Geistesbildung und Gemüthserfrischung."^^ Wie anders dagegen dachte hundert Jahre zuvor Justus Möser im 1. Teil seiner „Patriotischen Phantasien" (1774-1778) über ein vereinigtes Deutsches Reich. Gerade die bestehende Vielfalt kleiner Staaten erschien ihm als höchst wünschens wert zur Ausbreitung der Kultur. Ernst Keil verstand es auf äußerst geschickte Weise, Wissensdurst, Fort schrittsglauben und gefühlsbetonten Nationalismus liberaler bürgerlicher Leser anzusprechen. So erreichte die „Gartenlaube" alsbald ständig wachsende Auflagen ziffern, insbesondere in den Jahren des Kulturkampfes. Keil mobilisierte die nationa len Emotionen seiner Leser gegen die in politische Defensive gedrängten Katholiken. Scharfe Polemiken richtete die weitverbreitete „Gartenlaube" gegen den Vatikan, die katholische Geistlichkeit und in besonderer Weise gegen den Jesuitenorden. Wenn selbst evangelische Leser sich gegen diesen aggressiven Stil der „Gartenlaube" ver wahrten, wurden sie als rückständig abgetan. Mit verlegerischem Spürsinn hatte Ernst Keil in Herman Schmid einen zugkräftigen, volkstümlichen Autor erkannt. Zwischen beiden entwickelte sich alsbald ein freundschaftliches Verhältnis. So man ches Gedankengut, das Herman Schmid in seine Erzählungen einflocht, entsprach den Ideen und Absichten Keils. Schmids in der „Gartenlaube" veröffentlichte Erzählungen aus dem bäuer lichen Milieu aber verraten kaum kulturkämpferische Tendenzen. Schmid hatte Ebenda. Wie Anm. 67. S. 507, 509. 204
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