OÖ. Heimatblätter 1987, 41. Jahrgang, Heft 3

rung Österreichs..." zu belegen (S. 34, Anm. 37); ob dagegen die Aussage, die Bauern seien dem Nationalsozialismus „weniger aufgeschlossen" (als wer?) gegenübergestanden, ohne Beleg (S. 35) akzeptiert werden kann, scheint zweifelhaft. Eine auffallende Nonchalance des Autors im Umgang mit Terminologie, Volksmeinung und Er gebnissen zeitgeschichtlicher Forschung zieht sich durch das ganze Buch. „Unheimlich rasch und geordnet erfolgte der Einmarsch der National sozialisten (!) in Österreich" (S. 56), „das wahre Ver hältnis des Waldviertlers zum Juden (!) kann schwer erforscht werden" (S. 144), „in den grausa men Theorien dieser Ideologen fand sich kein Platz der Gerechtigkeit und Menschlichkeit für alle Österreicher" (S. 164) usw.; gerade in den allge meinen Passagen häufen sich derartige Stilblüten. Mehrmals fällt die völlige Gleichsetzung von Na tionalsozialismus und Deutschem Reich auf: z. B. „Nach dem Einmarsch in Österreich begannen sie (die Nationalsozialisten) Stützpunkte in den Bun desländern anzulegen. Damit wollte man dem Volk die wahre militärische Macht des National sozialismus zeigen und man schuf sich zugleich zahlreiche Ausbildungslager" (S. 46). Solche For mulierungen dürften einem „gelernten" Historiker nicht unterlaufen! Auf derselben Linie liegt die Beobachtung, daß oft NS-Terminologie verwen det wird, ohne sie durch Anführungszeichen als solche auszuweisen, und daß - leider - auch die deutsche Grammatik recht stiefmütterlich behan delt wird. Die Schilderungen der Einzelschicksale stüt zen sich im wesentlichen auf Akten des DÖW (Do kumentationsarchiv des österreichischen Wider standes) sowie verschiedene Pfarrchroniken und bieten einen Querschnitt durch alle Stufen der Re pressalien, denen vermeintliche und wirkliche, passive und aktive Gegner des Nationalsozialis mus in den Jahren 1938 bis 1945 ausgesetzt waren. Unberechenbarkeit der Justiz und Allmacht der Partei kommen ebenso zum Ausdruck wie die un menschliche Grausamkeit des Vollzugsapparates. Leider haben sich auch in diesen Teilen des Buches die oben angesprochenen Unzukömmlichkeiten eingeschlichen, die zusammen mit störenden Wie derholungen und unpassenden Exkursen (z.B. S. 53 f., die Geschichte Eggenburgs ab 1120!) die Wirkung der Darstellung stark beeinträchtigen. Es fällt schwer, das Buch zusammenfassend zu beurteilen; zu kraß stehen Engagement und Naivität, berechtigtes Anliegen und unzulässige Pauschalierung, fachgerechtes Quellenstudium und formale Mängel einander gegenüber. Beim Rezensenten entstand der Eindruck, der Autor be trachte den Anschluß als eine Art MarsmenschenInvasion. Vielleicht hätte die Mitarbeit eines fach kundigen Lektors bei der Redaktion des Manu skriptes manches verhindern können. In der vor liegenden Form aber ist das Buch leider nicht das, was es sein könnte: ein Beitrag zur „Vergangen heitsbewältigung", die wir noch immer recht nötig haben. Gerhard Marckhgott Dietz-Rüdiger Moser: Fastnacht - Fasching - Kar neval. Das Fest der „Verkehrten Welt". Graz - Wien - Köln: Verlag Styria (Edition Kaleidoskop) 1986. 382 Seiten mit vielen Schwarzweißabbildungen, 32 Farbtafeln. S 695,-. ISBN 3-222-11595-8. Der Volkskundler und Germanist D.-R Mo ser, Ordinarius für Bayerische Literaturgeschichte an der Universität München, bereichert mit dieser an Illustrationen reich ausgestatteten Unter suchung die ohnehin nicht spärliche Literatur zum Thema mit zum Teil durchaus neuen Erkenntnis sen und Ansichten. Eine fast zwanzigjährige Be schäftigung mit dieser Thematik, zu der er bereits einige Einzeluntersuchungen vorgelegt hat, sichert eine wohlfundierte Darstellung, die die verschie densten Facetten dieses regional mitunter sehr unterschiedlich ausgestatteten Brauchtums - auch der Ebenseer Fasching wird mehrmals in Wort und Bild erwähnt - ausleuchtet. Dementsprechend um fangreich sind daher auch die Anmerkungen und die Literaturangaben. Der Autor beschränkt sich aber nicht auf eine Kompilation bisheriger Untersuchungen und Brauchtumsschilderungen, sondern bringt zum Teil völlig neue Aspekte in den Brauchinterpreta tionen. Im Gegensatz zur Literatur vor 1945, in der - zu Unrecht - nicht nur die Faschingsbräuche meist als heidnische (germanische) Relikte erläu tert werden, führt sie der Verfasser geradezu aus nahmslos auf einen religiös-christlichen Ursprung zurück. Das beginnt bereits bei der weithin ge bräuchlichen Bezeichnung „Fastnacht", die er mit der „Fastenzeit" in ursächlichen Zusammenhang bringt; auch das bei uns gebräuchliche „Fasching" leitet Moser einfach vom Ausschank vor der Fa stenzeit ab. Andere Deutungen werden kaum ge boten, sondern als unzutreffend und durch „ideo logische Vorgaben" bedingt abgetan. Die enge Verbindung von Fastnacht und Fa stenzeit kommt bei Moser vor allem in seinem 284

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