7 - OBEROSTERREICHISCHE ,nT 41. Jahrgang 1987 Heft 3 Herausgegeben vom Landesinstitut für Volksbildung und Heimatpflege in Oberösterreich Aldemar Schiffkorn Herman von Schmid. Ein bayerischer Volksschriftsteller aus Waizenkirchen. 1815-1880 175 Malvine Stenzel Kurwesen und Fremdenverkehr am Beispiel von drei oberösterreichischen Gemeinden 236 Josef Demmelbauer Der Staat der zwanziger Jahre im Spiegel von Dichtung und Staatslehre 262 Walter Zettl Die Donau und ihre mitteleuropäische Dimension 269 Fritz Feichtinger „Gustav" aus Adalbert Stifters „Condor" ist nun bekannt 274 Josef Demmelbauer Ortspolizeiliche Maßnahmen gegen Religionsstörung 278 Buchbesprechungen 281 173
Medieninhaber: Land Oberösterreich Herausgeber: Landesinstitut für Volksbildung und Heimatpflege in Oberösterreich. Leiter: W. Hofrat Dr. phil. Dietmar Assmann Zuschriften (Manuskripte, Besprechungsexem plare) und Bestellungen sind zu irchten an den Schriftleiter der Oö. Heimatblätter: Wiss. Oberrat Dr. phil. Aldemar W. M. Schiffkorn, Landesinstitut für Volksbildung und Heimatpflege in Oö., 4020 Linz, Landstraße 31 (Landeskultur zentrum Ursulinenhof), Tel. 073212705 17-0* Jahresabonnement (4 Hefte) S 160,- (inkl. 10% MwSt.) Hersteller: Druckerei Rudolf Trauner Ges.m.b.H., 4020 Linz, Köglstraße 14 Für den Inhalt der einzelnen Beiträge zeichnet der jeweilige Verfasser verantwortlich Mitarbeiter; W. Hofrat Mag. Ing. Herbert Bezdek, Leiter der Abteilung Landeskontrolldienst des Amtes der oö. Landesregierung, Schubertstraße 4, 4020 Linz W.Hofrat Dr. Josef Demmelbauer, Bezirkshaupt mann, Parkgasse 1, 4910 Ried Prof. Fritz Feichtinger, Finkstraße 2, 4020 Linz Dr. Gerhard Marckhgott, Oö. Landesarchiv, Anzengruberstraße 19, 4020 Linz W.Hofrat Prof. Dr. Aldemar Schiffkorn, Stockhof straße 33a, 4020 Linz Mag. Elisabeth Schiffkorn, Akaziengang 8, 4040 Puchenau Dr. Malvine Stenzel, Johann-Herbst-Straße 11, 5061 Salzburg-Glasenbach W.Hofrat Prof. Dr. Walter Zettl, Riesgasse 5,1030 Wien Alle Rechte vorbehalten Für unverlangt eingesandte Manuskripte über nimmt die Schriftleitung keine Haftung ISBN 3-85393-041-7 Titelbild: Herman Schmid. Aus: Die Gartenlaube. Illustrier tes Familienblatt. Nr. 32. Leipzig 1867
Hertnan von Schmid Ein bayerischer Volksschriftstefler aus Waizenkirchen 1815-1880 Von Aldemar Schiffkorn Die Biographie solUe einen großen Vorrang vor der Geschichte erwerben, indem sie das Individuum lebendig darstellt und zugleich das Jahrhundert, wie auch dieses lebendig auf jenes einwirkt. Die Lebensbeschreibung soll das Leben darstellen, wie es an und für sich und um seiner selbst willen da ist. J. W. V. Goethe Es ist ein Verdienst des Heimat- und Kulturwerkes Waizenkirchen, daß es im Sinne einer umfassenden Heimatpflege das Andenken an bedeutende Persönlich keiten, die in Waizenkirchen geboren wurden, wachhält und ehrt. So findet sich im Gasthof Mayrhuber, dem Geburtshaus des Tondichters Wilhelm Kienzl, ein Gedenkraum mit Erinnerungsstücken aus dem Nachlaß des Opernkomponisten, der von Frau Friedericke Mayrhuber sachkundig betreut wird. Die 1982 in Waizenkir chen veranstalteten Kienzl-Gedenktage sind den oberösterreichischen Musik freunden noch in guter Erinnerung, bedeuteten sie doch einen wertvollen Beitrag zur musikalischen Heimatkunde. Seit dem 22. September 1985 erinnert ein vom Heimatund Kulturwerk errichteter Gedenkstein bei der Pfarrkirche von Waizenkirchen an den einst gefeierten Volksschriftsteller Herman von Schmidt der in diesem Gottes haus getauft worden war. Ein Festabend des Heimat- und Kulturwerkes im Mayrhuber-Saal leitete am 21. September 1985 die Herman-von-Schmid-Gedenktage ein. Von Darbietungen des „Kienzlchores Waizenkirchen" und des Ensembles „Flauto traverso" umrahmt, wurden Leben und Werk Herman von Schmids in Grußworten und Ansprachen von Dr. iur. Herman von Schmid schrieb seinen Taufnamen stets mit einem „n". Im Taufbuch lautet die Eintragung „Anton Ferdinand Hermann". In Nachschlagewerken, Literaturgeschichten und Nach rufen findet sich die allgemein übliche Schreibung „Hermann", wogegen auf den Titelseiten von Schmids Büchern sein Taufname in der von ihm gebrauchten Schreibweise wiedergegeben wird. In Briefen und Eingaben zeichnete der Dichter häufig auch als Dr. Herman Theodor Schmid; so wird in Nachschlagewerken oft auch der zweite Vorname „Theodor" angeführt. Mit der Verleihung des Kronenordens durch König Ludwig 11. im Jahre 1876 war Dr. Schmid in den persönlichen Adelsstand erhoben worden. 175
>cv^'AS^^ Der Gedenkstein an Herman von Schmid bei der Pfarrkirche von Waizenkirchen, Foto: Schifßorn Obmann Fr. St. Auffanger, Bürgermeister LAbg. Franz Haslehner und W. Hofrat i. R. Prof. Dr. phil. Aldemar Schiffkorn gewürdigt^. In den geschmückten Schaufenstern der Waizenkirchner Geschäftshäuser waren die Bücher des gefeierten Volksschrift stellers ausgestellt. Die von Oberschulrat Direktor Straßl redigierte Festschrift^ bietet ein knapp umrissenes Lebensbild Herman von Schmids. Für maßgebliche Mithilfe bei der Beschaffung von Bild- und Quellenmaterial danken Veranstalter und Redaktion den wissenschaftlichen Experten aus dem Freistaat Bayern, Dr. Karl Dachs, Dr. Fritz Fenzl, Archivrat Hecker, Dr. Klemmer, Dr. Sigrid von Moisy und Frau L. Renner. Die feierliche Enthüllung des Gedenksteins erfolgte im Anschluß an den sonntäglichen Festgottesdienst durch den Leiter des Landesinstitutes für Volks bildung und Heimatpflege in Oberösterreich, W. Hofrat Dr. Dietmar Assmann, und Bürgermeister LAbg. Franz Haslehner unter Mitwirkung der Blasmusikkapelle, des Kienzlchores wie des Kirchenchores. Um die Vorbereitung der Schmid-Gedenktage hatte sich Frau Friedericke Mayrhuber durch die Besorgung von biographischen Informationen aus den Archiven und Bibliotheken Münchens verdienstvoll bemüht. Damit hat sie die weiteren Nachforschungen für ein Lebensbild Herman von ^ W. Hofrat Prof. Dr. phil. Aldemar Schiffkorn: Der Volksschriftsteller Dr. Herman von Schmid. Fest vortrag bei den Schmid-Gedenktagen 1985 des Heimat- und Kulturwerkes Waizenkirchen am 21. September 1985. In: Mitteilungen des Oberösterreichischen Volksbildungswerkes, 35. Jg., 4/1985, S. 5 ff.. Hrsg. Landesinstitut für Volksbildung und Heimatpflege, Linz. ^ Schmid-Gedenktage Waizenkirchen 1985. Verleger Heimat- und Kulturwerk Waizenkirchen. Redaktion; OSR Dir. Ludwig Straßl.
Schmids wesentlich geförderte Wertvolle Hinweise auf das Pfarrarchiv in Waizenkirchen sowie die Anregung zur vorliegenden Arbeit danke ich dem Konsulenten der oö. Landesregierung Johann Muckenhumer. Mit so manchen Literaten, die im München des 19. Jahrhunderts Ansehen genossen und einem breiten Leserkreis bekannt waren, teilt auch Herman von Schmid das Los, heute nahezu vergessen zu sein. Sieht man von bio-bibliographischen Daten ab, die sich noch in Lexika und literaturhistorischen Werken finden, so sind die Romane und Erzählungen Schmids heute dem interessierten Leser nur mehr schwer zugänglich. Seine Prosawerke erschienen als „Gesammelte Schriften -Volks- und Familienausgabe'' in Leipzig 1867-1871, in neuer Folge 1881-1884 sowie in wiederholten Nachdrucken. Das Heimat- und Kulturwerk Waizenkirchen besitzt eine dieser Ausgaben der gesammelten Schriften Schmids. Ausführliche Angaben über Lebensweg und Schaffen des gebürtigen Waizenkirchners, der sich in München als Schriftsteller Rang und Namen erwarb, bringen u.a. Wurzbachs „Biographisches Lexikon"^ die „Allgemeine Deutsche Biographie"^ sowie Krackowizer-Bergers Lexikon des Landes ob der Enns^ und Herders Conversations-Lexikon® aus dem Todesjahr Schmids. Knapp und kritisch setzen sich Literaturhistoriker mit dem dramatischen und erzählerischen Werk Herman von Schmids auseinander, so Alfred Klaar^ und Anselm Salzer^^, der, auf das Leben des gebürtigen Waizen kirchners eingehend, die positiven Elemente in Schmids aus dem Bauern- und Volks leben geschöpften Erzählungen und Dramen zu würdigen weiß. Auch in der Weitere Nachforschungen wurden durch das freundliche Entgegenkommen von Frau Dr. von Moisy und Frau Renner (Handschriften- und Inkunabelnabteilung der Bayerischen Staatsbibliothek in München)maßgeblichunterstützt. ^ Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich, enthaltend die Lebensskizzen der denkwürdi gen Personen, welche seit 1750 in den österreichischen Kronländern geboren wurden oder darin gelebt und gewirkt haben. Von Dr. Constantvon Wurzbach. Dreißigster Theil. Schindler - Schmuzer. Mit sieben genealogischen Tafeln. Mit Unterstützung des Autors durch die Kaiserliche Akademie der Wissen schaften, Wien. Druck und Verlag der K.K. Hof- und Staatsdruckerei, 1875, S. 262-265: Schmid, Hermann, auch Hermann Theodor. ^ Allgemeine Deutsche Biographie. 31. Band: Scheller - Karl Schmidt. Auf Veranlassung Seiner Mayestät des Königs von Bayern herausgegeben durch die historische Commission bei der Königli chen Akademie der Wissenschaften. Leipzig, Verlag von Duncker und Humblot, 1890. S. 664-670: Schmid: Hermann v. S. Der Beitrag ist von Hyacinth Holland gezeichnet. ^ Biographisches Lexikon des Landes Österreich ob der Enns. Gelehrte, Schriftsteller und Künstler Oberösterreichs seit 1800. Von Ferdinand Krackowizer und Franz Berger. Passau - Linz, 1931. Institut für ostbairische Heimatforschung. Kommissionsverlag der Ebenhöch'schen Buchhandlung. S. 294: Schmid, Hermann Theodor (von). ® Herders Conversations-Lexikon. Zweite, gänzlich umgearbeitete Auflage. 4. Band. Freiburg im Breis gau. Herdersche Verlagsbuchhandlung 1880. S. 366: Schmid, Hermann Theodor. ^ Geschichtedes modernenDramasin Umrissen.VonAlfredKlaar. Mitneun Porträtsin Holzstich.Leip zig - Prag, 1883. G. Freytag/F. Tempsky. S. 289 f: (Schmid) „fand zwar unleugbar Acczente des Volkstums, blieb aber, was Charaktere und Effekte anlangt, im Theaterkonventionellen zurück". Illustrierte Geschichte der Deutschen Literatur von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart von Prof. Dr. Anselm Salzer. Zweite, neu bearbeitete Auflage. 3. Band von den Freiheitskriegen bis zum neuen „Sturm und Drang". Mit 138 Abb. im Texte und 67 Tafelbildern und Beilagen. Regensburg 1927. Druck und Verlag von Josef Habbel. S. 1.276 f. 177
Deutsch-Österreichischen Literaturgeschichte von Nagl/Zeidler/Castle^^ scheint Schmids Name mehrfach auf, wenngleich mit dem Vermerk: „Nicht in die deutsch österreichische Literaturgeschichte gehört der allerdings in Waizenkirchen 1815 geborene, 1880 in München verstorbene Bayer Herman Theodor von Schmid"^^. Dennoch wird Schmids „Z widerwurz'n" mit Anzengrubers „Trutziger" verglichen. Beide Bauernkomödien waren im Wiener Ringtheater in kurzer Abfolge gegeben worden. (Die „Z'widerwurz'n" am 16. Oktober 1878, die „Trutzige" am 8. November 1878.) Die Kritik gab Anzengrubers „Trutziger" allerdings den Vorzug. Wilhelm Kosch rückt geistes- und stammesgeschichtliche Gemeinsamkeiten bei Schmid und Anzengruber ins Blickfeld^^ Negativ äußert sich der bayerische Historiker Benno Hubensteiner über die „schönfärberische Familienblattschreiberei, wie sie seit Herman von Schmid überall wohlgelesen und wohlgelitten war"^^. Wertschätzung und Aufnahmebereitschaft der Leserschaft beziehungsweise des Theaterpublikums unterliegen wechselnden Geschmacksrichtungen und zeitbedingten Einflüssen. Literatur- und Theatergeschichte erbringen dazu hinreichend Beispiele. So wird es verständlich, daß der zu seinen Lebzeiten weit über Bayern hinaus bekannte und schließlich von König Ludwig II. in Würdigung seiner literarischen Verdienste in den Adelsstand erhobene Schriftsteller hundert Jahre nach seinem Tode wie so viele Dichter seiner Zeit heute kaum mehr genannt wird. Über den Wandel literarischer Moden hat sich Manes Sperber in sehr poin tierter Weise geäußert: „Man weiß, daß jede der einander pausenlos folgenden Moden sich so anbietet, als wäre ihr eine unendliche Dauer bestimmt, doch vergeht sie mit der Saison - und es ist dann, als hätte sie sich schon vor ihrem Beginn jämmer lich überlebt"^^. Vor dem Fehler, die Vergangenheit mit Maßstäben der Gegenwart zu messen, ist auch die Literaturkritik nicht gefeit. Will man Herman Schmids Lebens werk objektiv beurteilen, muß man es wohl aus der Perspektive seiner zeitgenössi schen Leser zu sehen versuchen, denn, so meint Harald Weinrich in seinem Essay „Für eine Literaturgeschichte des Lesers": „Ist es denn wenig, ein Leser zu sein? Der Leser darf doch auch seinen Stolz haben. Um seinetwillen gibt es ja Literatur, und die Autoren haben einigen Grund, ihn in ihren Vorworten anzureden und ihn ,freundlich' oder ,geneigt' zu stimmen"^^. Deutsch-Österreichische Literaturgeschichte. Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Dichtung in Österreich-Ungarn. Unter Mitwirkung hervorragender Fachgenossen nach dem Tode von Johann Willibald Nagl und Jakob Zeidler herausgegeben von Eduard Castle. 3. Band. Von 1848 bis 1890. Verlag von Carl Fromme in Wien. Abgeschlossen 1930. S. 407, 496, 850, 994. Wie Anmerkung 11, S. 407 und 850. Das deutsche Theater und Drama im 19. und 20. Jahrhundert von Wilhelm Kosch. Dritte, völlig umge arbeitete und erweiterte Auflage (5. Tausend). Würzburg. Wächter-Verlag 1939. S 67. Benno Hubensteiner: Bayrische Geschichte. Staat und Volk, Kunst und Kultur. München 1977. Neunte, durchgesehene Auflage 1981. Süddeutscher Verlag. S. 449. Schreiben in der Zeit. Von Manes Sperber. In: Im Blickpunkt. Aus: Kulturbrief 4/1979. Inter Nationes. Bonn. S. 3. Harald Weinrich: Für eine Literaturgeschichte des Lesers. In: Merkur. Deutsche Zeitschrift für Europäi sches Denken. 236. Verlag Kiepenheuer und Witsch. Köln - Berlin. 21. Jahrgang, Heft 11, November 1967. S. 1.026-1.038. Zitat S. 1.026. 178
1. Kindheit und Jugendjahre O Heimailand, so überreich und schön, mit deinen Saaten, deines Waldes Höhn, nie wieder stiegst du meinem Blick empor. Herman Schmid Das Geburtsjahr Herman Schmids verweist uns auf jene historischen Ereig nisse, die zur Besetzung des Innvierteis sowie des westlichen Teiles des Hausruck viertels durch Bayern geführt hatten. Nach der für Österreich verlorenen Schlacht bei Wagram mußten im darauffolgenden Friedensvertrag von Schönbrunn am 14. Oktober 1809 das gesamte Innviertel sowie das westliche Hausruckviertel und damit auch der Markt Waizenkirchen mit den westlich gelegenen Ortschaften an Napoleon abgetreten werden. Die mit Napoleon verbündeten Bayern besetzten daraufhin diese Gebiete. Im Zuge der damit zugunsten Bayerns erfolgten Gebiets erweiterung kam es in Waizenkirchen zur Errichtung eines königlich bayerischen Landgerichtes, zu dessen Sitz das Schloß Weidenholz bestimmt wurde. Besitzer des Schlosses war zu dieser Zeit (1806-1819) Graf Gavasini. llfri immmn pri'jtwaayiiiiiaaayyi m ZIhs; Georg hAafthäus Vischer: Topographia Austriae Superioris Moierme 1674-
i Aus: Matthäus Merlan: Topographia provinäarum Austriacarum... 1649 ir-t^ r\ r Foto: Archiv Muckenhumer
An das Landgericht Waizenkirchen wurde der Jurist Michael Schmid, Sohn eines Bäckermeisters im niederbayerischen Hengersberg, von Dachau aus versetzt. Mit seiner Ehefrau Constanze, geb. Stöger, Tochter eines Beamten aus Laufen bei Traunstein, bezog der junge königl. bayer. Landesgerichtsaktuar Schmid im Schloß Weidenholz eine Dienstwohnung. Hier wurde dem Ehepaar am 30. März 1815 als erstes Kind ein Sohn Herman geboren. Das Taufbuch der Pfarre Waizenkirchen enthält auf Seite 57 folgende Eintragung aus dem Jahr 1815: „Am 30. III. geb., am 31. III. getauft Anton Ferdinand Hermann, k. männl. ehel. Vater Michael Schmid K. b. Landgerichtsaktuar Weidenholz 1. Pate Anton Jaugl K.b. Landrichter. Pf. Ign. Rechberger." Ignaz Rechberger war 1806 bis 1816 Pfarrer von Waizenkirchen. Mit Aus: Taußuch IV, 1811-1823. Pfarrarchiv V\faizenkirchen der Rückgliederung der von Bayern besetzten Gebiete an Österreich am 14. April 1816 endete auch der Aufenthalt der Familie Schmid in Waizenkirchen. Michael Schmids richterliche Laufbahn mündete schließlich in der Residenzstadt des König reiches Bayern. Als Rat am Oberappellationsgericht verstarb er in München, ohne noch die ersten Erfolge seines Sohnes als Bühnenautor erlebt zu haben. Schwer hatte Michael Schmid und dessen beide Kinder Herman und Ludwig der frühe Tod der geliebten Gattin und Mutter im Jahr 1820 getroffen. Der Geheime Legationsrat Dr. Ludwig Trost, der Herman von Schmid nahestand, berichtet von der innigen Verehrung und Liebe, mit welcher Michael Schmid „an der jugendlich schönen Frau gehangen war"'^. Michael Schmid schildert sie in seinen Erinnerungen als eine „zart besaitete, freundlich helle und doch auch wieder elegisch angehauchte Seele mit bedeutendem musikalischen Talente und ausgesprochener Neigung zur Poesie"". Demnach führt man die sich früh bei Herman äußernde poetische Anlage und Musi kalität auf mütterliches Erbe zurück. Auch Hermans Bruder Ludwig zeigte besondere literarische Begabung. Charakterlich unterschied er sich allerdings von Herman durch ein ruhigeres und bedächtigeres Naturell. Wie Vater und Bruder hat auch er die juridische Berufslaufbahn eingeschlagen. Als Appellrat ist er in Neuburg a. d. D. gestorben. Michael Schmids Aufzeichnungen über Herman, als dieser eben in die Volksschule eingetreten war, schildern ihn als guten Schüler, an dem gar nichts Ludwig Trost: Zur Erinnerung an Hermann von Schmid. In: Ludwig Trost. Aus dem wissenschaftlichen und künstlerischen Leben Bayerns. München. M Rieger 1887. S. 84 ff. Zitat S. 87. Die „Erinnerung" war vorerst in der Beilage zur Allgemeinen Zeitung Nr. 159 vom 8. Juni 1881 und Nr. 160 vom 9. Juni 1881 erschienen. Druck und Verlag J. G. Cotta'sche Buchhandlung in Stuttgart und Augsburg. Ebenda. S. 87. 181
tadelnswert sei, „als daß er wie Quecksilber ist und nicht folgen will, wenn man ihm sein ewiges Singen und Sprechen untersagt, weil einem der Kopf oft ganz dumm wird davon. Auf einmal sagt er; ,Jetzt muß ich denken, dann erzähl' ich etwas!' Nachdem er sich eine Zeitlang die Augen verhalten und still gewesen, kommt eine von ihm selbst erdachte Geschichte zum Vorschein, die er mit Pathos und Action declamiert. Seine Geschichten gehen manchmal ganz bunt durcheinander, aber es sind Ideen darunter, die uns ganz in Verwunderung setzen, und Schlüsse, die von einem solchen kind lichen Kopfe wirklich überraschend sind."^' Begreiflich, daß den phantasiebegabten Knaben die Szenen auf der Kasperlbühne gefesselt und beeindruckt haben müssen, wie später ein erster Theaterbesuch der Aufführung des „Beiisar", mit welchem Drama dessenAutor, der bayerischeMinisterEduard von Schenk, 1816 in München einen großen Erfolg erzielte^®. Von einem frühen dramatischen Versuch Herman von Schmids, „Catilina", erfährt man aus Notizen für eine von ihm geplante Autobiogra phie, die allerdings nicht zur Ausführung kam. Gymnasialjahre in München und Straubing, doch besonders dann die Lycealzeit in Amberg und Passau, die Herman in einem Kreis gleichgestimmter Jünglinge verbrachte, begünstigten die Entfaltung seiner schriftstellerischen Begabung, die in ersten dramatischen und lyrischen Versuchen ihren Niederschlag fand. Erste „Gehversuche" auf den Brettern der Amberger Schülerbühne deuteten bereits jene Wegrichtung an, die der künftige Volksschriftsteller zunächst einschlagen sollte, nämlich die eines Dramatikers. Vorerst aber sollte er an der Universität München auf Wunsch seines Vaters das Studium der Rechtswissenschaften aufnehmen. Man schrieb das Jahr 1835. 1826 war die Universität über Verfügung König Ludwigs I., der seinem am 13. Oktober 1825 verstorbenen Vater Max I. Joseph auf den bayerischen Thron gefolgt war, von Landshut nach München verlegt worden. Im ersten Münchner Semester konnte die Universität bereits 1.560 Immatrikulationen verzeichnen. Am 15. November 1826 hatte sich ein festlicher Zug von Professoren und Studenten, angeführt von den Pedellen mit den akademischen Insignien, zum Erölfnungsgottesdienst in die St.-Michaels-Kirche begeben. Am Abend huldigte die Studentenschaft dem König mit einem Fackelzug. Ludwig I. richtete daraufhin an die Studierenden die folgenden Dankesworte: „Ein vormaliger Student der Ludwig-Maximilians-Univer sität dankt vielmals. Religion muß die Grundlage sein und durch das Leben begleiten. Bigotte und Obskuranten mag ich nicht. Auch keine Kopfhänger. Die Jugend soll auf erlaubte Weise fröhlich sein. Raufereien dulde ich nicht. Kleiden können sich die Studenten, wie sie wollen."^^ Provisorisch war die Universität bis 1840 im ehemaligen Jesuitenkolleg an der Neuhauserstraße untergebracht. Hier besuchte der Studiosus Herman Schmid die juridischenVorlesungen. Nach den damals für das Jusstudium vorgesehenen sechs Semestern promovierte er zum Doctor juris utriusque. Ebenda. S. 86. Eduard von Schenk, 1788-1841, Königl. Bayer. Minister unter Ludwig I. Herausgeber des literarischen Almanachs „Charitas", Lyriker und Dramatiker. Verfasser von geistlichen Liedern („Die Kirche"), die, wie sein Drama „Beiisar", großen Anklang fanden (Anselm Salzer, Band 3). Georg Lohmeier: Liberalitas Bavariae. Von der guten und weniger guten alten Zeit in Bayern. Franz Ehrenwirth Verlag KG. München 1971. S. 241 f. 182
mfW'M "3,'" •'--äS m $>5V--'-- *■''' •'•'■■ -v" l;« >.■•.- . .*• ,, " ■■ ■ I (6k S'vf^ ■ Ji' ' ■? . %■ ' % 'S König Ludwig 1. Aus: Hans und Marga Kall: Die Wittelsbacher in Lebensbildern. Graz ~ Wien - Köln: Styria 1986
2. Im Justizdienst Nachdem Dr. Schmid den für die Laufbahn im Justizdienst vorgeschriebenen „praktischen Concurs" 1839 mit Auszeichnung bestanden hatte, wurde er in den königl. bayer. Justizdienst übernommen. Würzburg, Dachau und Tittmoning, wo er seine erste Frau Rosa Dauman kennenlernte, hießen u. a. die Stationen seiner dienst lichen Laufbahn, die ihn auch in so manche Gemeinde des Chiemgaues führte. Aus den Gerichtsakten und dem Studium des ländlichen Milieus wie des bäuerlichen Brauchtums gewann er in dieser Zeit schon tiefere Einblicke in das Volksleben; sie sollten nachmals in seinen zahlreichen Dorfgeschichten ihren Niederschlag erfah ren. In Würzburg schon hat der junge Jurist als sangesfreudiger Poet die Aufmerk samkeit geselliger Kreise auf sich gelenkt. Auch in späteren Jahren erwies er sich als beliebter Gesellschafter, der mit so manchen humorvollen Gelegenheitsversen die Unterhaltung zu würzen verstand. Ein zum Namensfest König Ludwigs 1.183 7 verfaßtes Festspiel „Bayerns Huldi gung" stand noch völlig unter dem Einfluß von Schillers „Huldigung der Künste". Schmid läßt in seinem Festspiel Landleute aus allen Gebieten des Königreiches ihrem Landesherren huldigen, während (so berichtet Ludwig Trost) „die Genien des Han dels, Gewerbes und Ackerbaues sowie die Repräsentanten der Kunst, Wissenschaft und Religion die Verdienste des Königs preisen, worauf die vom Himmel schwe bende Bavaria die Tore der Walhalla öffnet, in welcher der königliche Namen auf leuchtet"^^. Dieses für unser heutiges Empfinden reichlich barocke Finale wird man der Begeisterung des zweiundzwanzigjährigen literarischen Debütanten für seinen kunstsinnigen Landesherren zugute halten müssen. Schon als achtzehnjähriger Kronprinz hatte Ludwig 1. Antiken gesammelt und sich einundzwanzigjährig bereits mit dem Vorhaben getragen, die Walhalla zu errichten. Drei Jahre darauf plante er die Glyptothek. Mit seinem Regierungsantritt setzte dann eine gewaltige Bauperiode ein, entwickelte sich Bayerns Metropole zum „Isar-Athen". Nach Ludwigs I. Willen sollte München eine Pflegestätte der Künste und Wissenschaften werden. Im Gegensatz zu Preußen sollte Bayern eher in den Künsten und Wissenschaften eine Rolle spielen als im Militärwesen. „Ich will aus München eine Stadt machen, die Teutschland so zur Ehre gereicht, daß einer Teutschland nicht kennt, wenn er München nicht gesehen."^^ Die Schäden der Säkularisierungsmaßnahmen unter seinem Vater und dessen kirchenfeindlichem Minister Montgelas suchte Ludwig I. durch Wiederbesiedlung einer Reihe aufgelö ster Klöster zu beheben. Die Restaurierung der Dome zu Regensburg, Bamberg und Speyer und der Bau neuer Kirchen bezeugen den Romantiker auf Bayerns Königs thron auch als Mäzen sakraler Kunst. Im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts beginnt sich München zu einem Zentrum literarischen Lebens zu entwickeln. Neue Zeitschriften entstehen: die Ludwig Trost: S. 89. Lohmeier: S. 258. 184
„Aurora" und als Organ des Görres-Kreises „Eos" sowie die „Historisch-politischen Blätter für das Katholische Deutschland". Ludwigs 1. Minister Eduard von Schenk zeichnet als Herausgeber des literarischen Almanachs „Charitas", zu dessen Mit arbeitern neben Ludwig 1. selbst u.a. Friedrich Rückert, Ludwig Auerbach, der schwäbische Literaturprofessor und Erzähler Melchior von Diepenbrock, Franz Graf Pocci und der Professor für Mineralogie Franz von Kobell, einer der ersten bayeri schen Mundartdichter, zählen. Johann Andreas Schmellers „Bayerisches Wörter buch" sucht nicht nur philologische Materialien zu bieten, sondern auch das Wesen des Volkes und seine Geistigkeit zu deuten. Mit seiner Grammatik hat dieser bedeu tendste Sprachforscher Altbayerns die Grundlagen zur bayerischen Mundart forschung geschaffen^"^. Clemens Brentano lebte 1833 bis 1841 in München, wo er seine Märchen überarbeitete. Ludwig 1. will seinen Sohn, den Kronprinzen Max, deutsch und als Bayern erzogen wissen. In der Anweisung an den Erzieher des Kron prinzen heißt es u.a.: „Abneigung flößen Sie meinem Sohn gegen Frankreich - Teutschlands Erbfeind - ein! Nie kann ein Teutscher Frankreichs Freund sein."^^ Das mag seltsam anmuten, war ja Ludwig 1.1786 zu Straßburg geboren worden und dessen Vater doch französischer General gewesen. Nach seinem Paten, Ludwig XIV. von Frankreich, war der nachmalige Bayernkönig auf den Namen „Ludwig" getauft worden. In diesem geistigen Umfeld, das von der Persönlichkeit Ludwigs 1. und von dessen kulturpolitischen Initiativen geprägt wurde, sollte Schmid als Dramatiker seine ersten Erfolge erringen. 3. Berufung nach München Drei Trauerspiele sind es, mit denen Herman Schmid - noch ganz im Banne Schillers stehend - in den vierziger Jahren die Aufmerksamkeit auf sich lenkt. Am 31. März 1843 geht „Camoes" auf der Bühne des Münchner Hoftheaters in Szene und erfährt beifällige Aufnahme. Das Drama handelt von den wechselhaften Geschicken des portugiesischen Dichters Luis Vaz de Camoes, dessen Nationalepos, die „Lusiaden", in die Weltliteratur eingegangen ist. Am 21. Juli 1843 bringt das Hoftheater das Trauerspiel „Bretislav" zur Aufführung; den Stoff dazu hat die altböhmische Geschichte geliefert. Die Erfolge des jungen Bühnenschriftstellers veranlassen Ludwig L, Dr. Schmid als Polizeiaktuar nach München versetzen zu lassen, um ihm Gelegenheit zu bieten, seine literarische Begabung in Bayerns Kulturmetropole besser zu entfalten. Zudem beruft er den vielversprechenden Dramatiker in den dramaturgischen Beirat des Hoftheaters. Tiefen Eindruck und stürmischen Beifall erzielt dann das 1848 verfaßte und am 20. November 1849 auf der Hofbühne erstaufSiehe dazu Rudolf Katzls Artikel im Bayerischen Sonntagsblatt für die Katholische Familie (München). Nr. 41,13. Oktober 1985,104. Jahrgang, auf den S. 19 und 21: „Sprachein war seine große Leidenschaft. Vor 200 Jahren wurde Johann Andreas Schmeller, der bayerische Grimm, geboren." Lohmeier: S 271. 185
Hof- und Nationaltheater mit Residenz um 1839. Foto: Stadtarchiv München geführte Trauerspiel „Slraßburg" oder „Eine deutsche Stadt". Damit hat Schmid jene schmerzliche Trennung Straßburgs vom deutschen Stammlande dem Theaterpubli kum in Erinnerung gerufen und so an dessen nationale Empfindungen gerührt. Das Werk hat daher auch in anderen deutschen Städten beifällige Aufnahme erfahren. Ludwig I., der nach den Märzunruhen von 1848 zugunsten seines Sohnes Max II. auf den Thron verzichtet hatte, zeichnete den Verfasser des Trauerspiels mit einem Handbillett folgenden Inhalts aus; „Ein in Straßburg Gebohrener spricht, tief ergriffen, seine innige Anerken nung aus dem Verfasser des Trauerspiels ,Straßburg'. So eben habe ich es zu lesen geendigt und Thränen drangen mir aus den Augen. Ernste Wahrheit in herrlicher Dichtung zeigen Sie uns. Ja, Straßburgs Verlust ist ein Trauerspiel, welches nie ver klungen. Dieses dramatische Werk ist des Verfassers des ,Camoens' würdig. Ich kann mir wünschen: fahren Sie so fort. München, 19. November 1849. Der Ihnen wohlgewogene Ludwig."^^ ' Das Billett findet sich unter fünf weiteren Briefen der Könige Ludwig I. bzw. Ludwig II. unter der Signa tur Cgm 7193/2 in der Handschriften- und Inkunabelnabteilung der Bayerischen Staatsbibliothek München.
Dem am 9. Oktober 1845 aufgeführten Trauerspiel „Karl Stuart" war aller dings der erwartete Erfolg versagt geblieben. Auch das am 19. Oktober 1847 zur Uraufführung gelangte Schauspiel „Herzog Christoph der Kämpfer" konnte sich trotz anfänglichen Erfolges nicht lange auf dem Hoftheater behaupten, obgleich der Ver fasser damit ein im Königreich Bayern ansprechendes Sujet gewählt hatte. Das Stück hat den Widerstand Herzog Christophs gegen die Einführung der Primogenitur unter Albert IV. zum historischen Hintergrund. Aus den Jahren 1847/48 datieren das nie aufgeführte dramatische Gedicht „Raphael" und der Theuerdank", ein romantisches Lustspiel, in dessen Mittelpunkt Maximilian, der letzte Ritter, steht. Als Troubadur verkleidet, wandert Maximilian zur Königswahl nach Aachen und erlebt dabei mancherlei Abenteuer. Als Dramatiker hatte Schmid nicht immer eine glückliche Hand. Dennoch blieb er, wie noch zu berichten sein wird, zeit seines Lebens dem Theater verbunden. Schmids leidenschaftliches Engagement als dramaturgischer Beirat des Hoftheaters und später als Leiter des Theaters am Gärtnerplatz entsprach einem zutiefst empfundenen Anliegen. Davon zeugt nicht zuletzt auch seine Denk schrift „Das Theaterwesen - mit besonderer Rücksicht auf München. Ein freimüthiges Wort von Dr. Herman Theodor Schmid. 1849/50"^'^. Schmid erweist sich in seinem 123 Seiten umfassenden Memorandum als erfahrener Theaterfachmann. Zu allen von ihm auf geworfenen Fragen bringt er organisatorische, personelle und sozialpolitische Lösungsvorschläge, die sich als durchaus praktikabel erweisen, zumal sie auch den künstlerischen Belangen eines Theaterbetriebes Rechnung tragen. Er scheut sich auch nicht, bestehende Mißstände auf dem Theater einer freimütigen Kritik zu unter ziehen, Verbesserungsvorschläge bezüglich der Gagenberechnung für das künstle rische Personal (monatliche Grundgage zusätzlich einer jeweiligen Auftrittsgage) anzuregen und desgleichen eine günstigere Gestaltungsmöglichkeit des Abonne mentsystems aufzuzeigen. Dr. Herman Schmid war indessen zum Kreis- und Stadtgerichts-Assessor aufgerückt. Als überzeugter königstreuer bayerischer Patriot sah er dennoch sein Ideal in einem einheitlichen Deutschland, womit er sich keineswegs in einem Gegen satz zu seinem Landesherrn und Gönner fand. Von Ludwig 1. stammt schließlich der Satz: „Wir Teutsche sind ein einig Volk, wenngleich unter mehreren Fürsten!"^® Von romantischer Begeisterung getragen, gründete Schmid mit einigen Freunden 1848 einen „Verein für deutsche Dichtkunst". Dieser Verein ergriff 1849 die Initiative zu einer Feier des hundertsten Geburtstages Johann Wolfgang von Goethes in Neuberg hausen, an der sich sämtliche Gesangvereine Münchens beteiligten^^. Diese Feier ver dient insoferne Beachtung, als das Goethe-Gedenkjahr 1849 unter ungünstigen Auspizien gestanden war. So mußte zum Beispiel in München ein Festbankett aus Anlaß des hundertsten Geburtstages Goethes mangels an Teilnehmern abgesagt Die Denkschrift trägt die Stampiglie der Königlichen Bayerischen Hoftheaterintendanz nebst der Si gnatur „Bibl. Nr. 49" und findet sich unter der Signatur Cod. germ. 8481 und Cgm 8481 in der Hand schriften- und Inkunabelnabteilung der Bayerischen Staatsbibliothek München. Lohmeier: S. 260. Trost: S. 92. 187
werden; der für die Aufführung des „Egmont" vorgesehene Festprolog war wegen darin enthaltener „Anzüglichkeiten" zensuriert worden. Im letzten Augenblick hatte man ihn durch ein billiges Machwerk ersetzt, um die festliche Note des Theater abends zu wahren. In Wien war zwar am 28. August „Tasso" aufgeführt worden, doch zu einer besonderen Feierstunde hatte man keine Veranlassung gesehen. Auch Adalbert Stifter, Hauptschriftleiter der „Linzer Zeitung" und Redakteur des „Wiener Boten", scheint keinerlei Veranlassung gesehen zu haben, dem hundertsten Geburts tag Goethes einen Artikel aus seiner Feder zu widmen. In Goethes Geburtsstadt gar war es am 27. Augustzu turbulentenProtestkundgebungengekommen,als sich der Theaterchor vor dem Goethehaus zu einem Ständchen eingefunden hatte. „Nieder mit dem Fürstenknecht, nieder mit dem Erzaristokraten!", so schrien die protestieren den Demonstranten. Ähnliche Unmutsäußerungen wiederholten sich am Abend des 28. August vor dem Frankfurter Goethedenkmal, wo es sogar zu einer Prügelei mit der Polizei und zu einem Zusammenstoß mit dem Militär kam. Sieht man von Weimar ab, so verliefen sowohl in Berlin wie in den anderen großen Städten die Feiern zu Goethes hundertstem Geburtstag weniger glanzvoll, als man es hätte erwarten dürfen. Die Stimmung nach den Enttäuschungen des Jahres 1848 war wohl kaum dazu angetan, ein literarisches Jubiläum festlich zu begehen^®. Herman Schmid hingegen ließ sich von der gedrückten Stimmung unter den Liberalen nicht entmutigen. Schwärmerisches Pathos und idealistische Begeisterung verraten die Kernsätze seiner Festrede beim ersten Stiftungsfest des „Vereines für deutsche Dichtkunst" am 26. September 1849: „In der Mitte des weiten drohenden und stürmischen Meeres, welches das Leben genannt wird, mitten in Klippen, umtost von der Brandung, liegt, von vielen ungeahnt, eine glückliche Zauberinsel. Da herrscht das Glück in unumwölkter Reinheit; da ist alles edel und erhaben, das Nied rigste verklärt sich - alle schönen Hoffnungen und Träume des Menschengeistes haben hier Gestalt gewonnen, und über den Glücklichen, deren Nachen unzertrümmert an dieses heitere Ufer stößt, herrscht in ungestörter Ruhe, in wolkenloser Glorie eine unsterbliche Königin, schön wie der gestirnte Himmel, erhaben wie die Alpen gipfel unter ihm, gewaltig wie die schaffende Gottheit über ihm - die Schönheit."^^ 4. Eine folgenschwere Wende Für Herman Schmid sollten die politisch bewegten vierziger Jahre in mehr facher Hinsicht entscheidend werden. Hatten die frühen Erfolge seiner Dramen die Versetzung nach München bewirkt und für den aufstrebenden Bühnenautor eine vielversprechende berufliche Laufbahn erwarten lassen, so sollte jedoch nur allzu bald eine zunächst sehr schmerzende Wende im Leben des Kreis- und StadtgerichtsSiehe dazu: Prof. Dr. Max]. Wolff: Die Goethefeier von 1849. In: Velhagen und Klassings Monatshefte. Februar 1932. Berlin - Bielefeld - Leipzig - Wien. S. 578-580. Zitiert aus Trost: S. 93. 188
Assessors eintreten. Ein für die deutschen Katholiken bedeutendes Ereignis erhitzte 1844 die Gemüter nationaler Kreise wie Bonner Professoren und evangelischer Theologen. Die große Kundgebung katholischen Lebens bei der Wallfahrt zum Heili gen Rock (dem Gewand Christi) hatte in der Zeit vom 18. August bis zum 6. Oktober 1844 über eine Million Pilger nach Trier gebracht. Die Wallfahrt war nicht zuletzt eine Protestkundgebung gegen Preußens Kirchenpolitik und die Verhaftung des Köl ner Erzbischofs Droste Vischering. Bürger und katholische Studenten erwiesen daher dem Trierer Bischof Wilhelm Arnoldi anläßlich seines Bonner Aufenthaltes eine demonstrative Sympathiekundgebung^^. Der bereits suspendierte schlesische Kaplan Johannes Ronge hingegen nahm diese Wallfahrt zum Anlaß heftigster Kritik, die sich u.a. in einem offenen Brief an den Diözesanbischof von Trier Wilhelm Arnoldi äußerte. Weitere Schriften Ronges forderten dann zur Trennung von Rom auf und führten schließlich zur Bildung sogenannter „deutschkatholischer" beziehungsweise „christkatholischer" Gemeinden. Schon 1845 wurde ein „Erstes allgemeines deutsch katholisches Konzil" nach Leipzig einberufen, weitere folgten 1847 und 1850 in Ber lin und Köthen. Die Deutschkatholiken zählten im Sommer 1845 bereits 170 meist kleine Gemeinden, die allerdings keinen dauernden Bestand haben sollten, wie die weitere Entwicklung der deutschkatholischen Bewegung und das Schicksal Ronges zeigten^^. Zunächst verhielten sich die Regierungen gegenüber den Deutschkatholi ken neutral, doch als sich deren führende Vertreter 1848 für die Revolution engagier ten, traten sie gegen die deutschkatholische Bewegung auf. Das sollte auch für den Kreis- und Stadtgerichts-Assessor Dr. Schmid nicht ohne Folgen bleiben. Sein En thusiasmus für die deutschkatholische Bewegung war allgemein bekannt, ebenso das Scheitern seiner ersten Ehe. Eine neuerliche, glückliche und dauerhafte eheliche Verbindung mit Wilhelmine Reischl, die er aus deutschkatholischer Überzeugung im Jänner 1850 geschlossen hatte, führte im selben Jahr zu seiner Versetzung in den Ruhestand („Quieszierung") und zugleich zur Entlassung aus dem dramaturgischen Beirat des Hoftheaters. Der mit Schmid befreundete Privatgelehrte Dr.phil. Hyacinth Holland berichtet dazu: „Der Fall wirbelte viel Staub auf und wurde zu einer Parteisache aus geklügelt, wobei man nur vergaß, daß die Staatsgewalt nicht anders verfahren konnte, da Ronges Gemeinde keine anerkannte kirchliche Genossenschaft war und eine (nur als Concubinat betrachtete) Civilehe jeglichen Rechtsschutzes entbehrte. Nach dem Stande der damaligen Gesetzgebung war keine andere Lösung möglich, insbesondere bei einem Richter, welcher täglich in die Lage kommen konnte, in einer ähnlichen Situation strafrechtlich einschreiten zu müssen. Was den Dichter am Siehe dazu: Peter Berglar (Gbg.): Das Kreuz mit der Tradition. Vom schwierigen Selbstverständnis katholischer Studenten in unserer Zeit. In: Academia 2/85. April. 78. Jahrgang. München. Zeitschrift des Cartellverbandes der katholischen deutschen Studentenverbindungen (CV). Siehe dazu: Die Deutschkatholiken. In: Lehrbuch der Kirchengeschichte (als Manuskript gedruckt) von J. Marx, Professor der Kirchengeschichte am Priesterseminar. Trier. Druck der Paulinus-Druckerei. 1898. S. 571, und Herder-Lexikon, 4. Band (wie Anm. 8). S. 254: Ronge Johann 189
schmerzlichsten berührte, war, daß ihm auch seine dramaturgische Stellung am Hof theater entzogen wurde/'^"* Die dem zwangsweisen Frühpensionisten gewährten Ruhestandsbezüge fielen entsprechend kärglich aus. In eine Existenzkrise geraten, suchte Dr. Schmidein Tätigkeitsfeldals Korrespondentund Berichterstatterbei der Allgemeinen Zeitung in Augsburg. In seinem Bewerbungsschreiben, vom 11. November 1850 datiert, heißt es u. a.: „... nach polizeilicher Ausweisung des Dr. A. Budäus ist die Redaktion dem Vernehmen nach in der Lage, für denselben einen anderen Korrespondenten und namentlich einen Berichterstatter über die Kammer verhandlungen anzunehmen [...]. Endlich bin ich seit meiner Quieszierung, die wegen meiner nach deutschkatholischen Grundsätzen eingegangenen zweiten Ehe erfolgte, vollkommen Herr meiner Zeit, so daß ich in meinem Alter von 34 Jahren eine Beschäftigung wie die fragliche mit Freuden willkommen heißen würde."^^ Im Wei teren verweist Dr. Schmid darauf, daß er den „praktischen Concurs" [die für den juri dischen Dienst vorgeschriebene Staatsprüfung, Anm. d. Verf.] 1839 mit Auszeich nung bestanden habe und über entsprechende juridische Erfahrung verfüge. Er biete überdies auf Grund seiner literarischen Tätigkeit die stilistischen Voraussetzungen für eine Mitarbeit. Vergeblich bemüht er sich zudem um seine Rehabilitierung als Richter und um Wiederaufnahme in den dramaturgischen Beirat des Hoftheaters. Selbst eine an König Max II. gerichtete Bittschrift konnte die Zwangspensionierung und Entlassung aus der Dramaturgie nicht mehr rückgängig machen. So sah sich Dr. Schmid ge nötigt, gegen spärlich bemessenes Tagegeld bei einem Rechtsanwalt als Konzipist zu arbeiten. Das Scheitern der ersten Ehe des Gemaßregelten und die gesellschaftliche Achtung, die dessen zweite Gattin erfahren mußte, schildern die zweite, dritte und vierte Strophe des Gedichtes „Gemeinsamer Tod". Mehr als ein sachlicher Bericht kennzeichnen sie die Seelenlage ihres Verfassers: In dumpfen Banden lag ich angekettet, Um Dich zersprengt ich sie mit starker Hand, Und aus dem Aufruhr, der um mich entbrannt, Hab' ich Dich mir wie einen Hort gerettet. Und das Asyl, das uns geheim gekettet. Gefeit mit ernsten Opfern und gebannt. Du hast Dein Dasein ganz auf mich gegründet. Hast mutig dem Verläumdeten vertraut: Verboten ist Dir, des Gebannten Braut, VJas sonst die Welt gesellig hold verbündet. Und über Dir, als Deine Welt sich ründet Die stille Hütte, die wir uns erbaut. Allgemeine Deutsche Biographie. S. 665. Der Brief findet sich in der Cgm 7193/5 signierten Mappe „Varia Hermann von Schmid betr.; Neue Autograph." in der Handschriftenabteilung der Bayerischen Staatsbibliothek München. 190
Fiel ich zuerst den Würmern heim und Motten, Wie ständest Du so wehrlos und allein! Wie bräche da der Haß auf Dich herein! Wie würden die entsetzlich frommen Rotten Dich hämisch drängen, hoshaft Dich verspotten Und Dich dafür bestrafen, weil Du mein}^ Herman Schmid hat nochmals auch die Irrungen und Wirrungen seiner jun gen Jahre in dem Gedicht „Peccavi"^^ [Ich habe gesündigt, Anm. d. Verf.] beklagt. Das Gedicht schließt allerdings im Anklang an die Bibel mit der Aufforderung: „Wer selbst ohne Sünde, der werfe den ersten Stein..." Für Herman Schmid waren es harte Jahre, die er nach seiner Zwangspensio nierung durchzustehen hatte. Sie wurden jedoch für ihn zu einer Zeit der Läuterung und inneren Reife. In den frühen Morgenstunden schon begann er zu schreiben, da er während des Tages im Anwaltsbüro beschäftigt war. Zunächst arbeitete er an der Gesamtausgabe seiner bisher vollendeten Dramen „Camoes", „Bretislav", „Raphael", „Christoph der Kämpfer" und „Straßburg". In zwei Bänden erschienen diese von Hoff mann verlegten Dramen 1853 bei der Arnoldschen Buchhandlung in Leipzig. Eine erste Ausgabe seiner beiden Trauerspiele „Camoes" und „Bretislav" hatte er bereits 1847 König Ludwig 1. gewidmet. Als bereits bekannter Schriftsteller gestand er nachmals einem Besucher: „[...] ich bin nicht der Einzige, den die achtundvierziger Fluth geho ben und seitab geführt hat. - Man hat mich aus meiner richterlichen Carriere heraus gerissen und mich im besten kräftigsten Mannesalter in den Ruhestand versetzt, aber ich ließ darum die Flügel nicht hängen, sondern gedachte die unfreiwillig erlangte Muße zu nützen, und so ist, was vielleicht arg gemeint war, mir doch zum Guten geworden. Jeder Mensch hat seine Sturm- und Drangperiode, die meinige hat mich Besonnenheit und Arbeiten gelehrt."^® Als dann Dr. Schmid als Conzipient zu Hofrat Dr. Henle hinübergewechselt hatte, änderte sich die materielle Lage zu seinem Vor teil, zumal er großzügiger entlohnt und überdies nur halbtags beansprucht wurde. Dies förderte daher auch seine schriftstellerische Arbeit, sodaß in diesen Jahren eine Reihe von weiteren Bühnenwerken entstehen konnte. Das vollständige Gedicht findet sich in: „Nachgelassene Gedichte", Signatur Cgm 7193/1 in der Hand schriften- und Inkunabelnabteilung der Bayerischen Staatsbibliothek München. (Es handelt sich um die 2., 3. und 4. Strophe.) Ebenda. Ein Erzähler der Gartenlaube. In: In die Gartenlaube. Illustriertes Familienblatt. Jahrgang 1867. Nr. 32. Hgb. Ernst Keil. S. 506-509. Zitat S. 507. 191
5. Bühnenschriftsteller Am empfindlichsten litt Schmid in den fünfziger Jahren unter seiner Entlas sung aus der Hoftheaterdramaturgie, hatte er doch das erste Jahrzehnt seiner schrift stellerischen Tätigkeit ausschließlich dramatischen Arbeiten gewidmet, sieht man von seinen Prologen und Gelegenheitsgedichten ab. Nach achtjähriger Pause gelangte am 3. November 1857 wieder ein Bühnen werk Herman Schmids am Hoftheater zur Uraufführung: die Tragödie „Columbus"^'^. Wenngleich das Stück empfindliche Schwächen aufwies, wurde es u. a. auch in Leip zig, Breslau, Altona, Hamburg und Stuttgart gegeben. Eine 1875 erfolgte und bei J. F. Weber in Leipzig erschienene Umarbeitung des „Columhus" konnte dessen Mängel auch nicht beheben, „da der Poet zwischen idealen Coulisseneffekten und plattem Naturalismus keine kunstvollendete Mitte fand"^°. Im Sommer 1857 war Schmid ein von der Mannheimer Tonhalle ausgesetzter Preis für das Libretto zur Oper „Lkbeszugesprochen worden. Zur Siebenhundertjahrfeier der Stadt München erschien dann 1858 das heitere Schauspiel „Fürst und Stadt", das von Kurfürst Ferdinand Marias Ablehnung der deutschen Kaiserkrone handelt. Nachmals überarbeitet, ging das Stück unter dem Titel „Münchener Kindin", mit viel Beifall bedacht, noch häufig über die Bühne des Gärtnertheaters. Die Tragödie „Thassilo", die der Autor zu einem Wettbewerb eingereicht hatte, wurde 1859 am Hoftheater aufgeführt. An einem ersten Preisausschreiben für dramatische Dichtungen aus der Geschichte Bayerns hatte sich Schmid mit seinem Schauspiel in fünf Akten und einem Vorspiel „Maximi lian" beteiligt Es wurde am 19. März 1861 am königlichen Hof- und Nationaltheater uraufgeführt, trug dem Verfasser aber keinen Erfolg ein^l Das Werk hat Bayerns Kur fürsten Maximilian zum Titelhelden und handelt in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Schmids fünfaktiges Lustspiel „Don Quichotte" hingegen fand am 14. Mai 1861 beim Publikum des Hoftheaters Gefallen, „wenn auch die wohl etwas zu kom plizierte Intrigue" die Wirkung beeinträchtigt haben solP^. Von der Kritik wurde das Lustspiel allerdings weniger freundlich aufgenommen^^. Das romantische Lustspiel „Theuerdank", in Berlin uraufgeführt, fand 1863 auch in München beim Publikum freundliche Aufnahme. Nicht unwidersprochen blieb jedoch 1865 das Trauerspiel „Ludwig im Bart". Der realistische Grundton des Dramas dürfte vom Publikum als störend empfunden worden sein. Mit Ernst Possart in der Rolle des Cromwell ging am 8. Jänner 1876 „Rose und Distel" am königlichen Residenztheater in Szene. Cromwells Tochter bewegt ihren Vater, die ihm angebotene Krone abzulehnen. In der Zwischenzeit war allerdings noch eine weitere Reihe von Bühnen werken entstanden und mit unterschiedlichem Erfolg inszeniert worden. Besonderen Über die Aufführung berichtet Julius Grosse in Nr. 266 der Neuen Münchener Zeitung 185 7. (Lt. Deut sche Biographie S. 665.) Deutsche Biographie, S. 665. Siehe dazu: Münchener Tages-Anzeiger 1861.10. Jahrgang. Nr. 78. Trost: S. 96. Anm. 1. Dazu: Abendblatt zur Neuen Münchener Zeitung von Sonnabend, 18. Mai 1861. Nr. 119. 192
Anklang fanden Herman Schmids Volksstücke, bei denen es sich zum Teil um dramatisierte Stoffe aus dem reichen Fundus seiner volkstümlichen Erzählungen handelt. Manche davon wurden noch viele Jahre nach Schmids Tod an verschiede nen Theatern und Vereinsbühnen aufgeführt. So brachte, um ein Beispiel anzuführen, das Brünner Stadttheater am 27. März 1893 „Almenrausch und Edelweiß" und am 25. Dezember 1894 „Die Z'widerwurzn heraus. Ersteres Volksstück gefiel, wie der Chronist des Brünner Stadttheaters vermerkt, sehr, letzteres reiht er unter jene, die „nachhaltige Erfolge" aufwiesen. Nach Schluß der eigentlichen Spielzeit 1898/99 (1.-9. Juni) traten die Schlierseer Volksschauspieler am Brünner Stadttheater u. a. mit folgenden Volksstücken Herman Schmids auf: „'s Lieserl vom Schliersee" (2. Juni), „Almenrausch und Edelweiß" (3. Juni) und „Die Z'widerwurzn" (8. Juni). 1907 (1.-9. Juni) erschienen wieder nach siebenjähriger Pause die stets willkommenen „Schlierseer" mit ihrem unverwüstlichen Xaver Terofal an der Spitze. Von Schmid wurden wieder „'s Lieserl vom Schliersee" (2. Juni) sowie „Almenrausch und Edelweiß" (3. Juni) gegeben^"^. Von der Produktivität Herman Schmids als Bühnenautor zeugt ein im Nach laß befindliches Notizblatt, das u. a. eine Aufstellung weiterer dramatischer Werke enthält, und zwar: „Auswanderer", „Beethoven", „Eine deutsche Frau", „Der Liehe Rache", „Gift und Gegengift", „Der Loder", „Mädchenherz", „Poesie und Prosa", „Der Selbstmörder", „Stein der Weisen", „Das Schwalberl", „Der Tatzelwurm" oder „Das Glöckl von Birkenstein", „Die Türken in München", das Zaubermärchen „Vineta" oder „Die versunkene Stadt" (Musik von Suppe) und das Libretto für Perfalls Oper „Raimondin". Auch „Almenrausch und Edelweiß" sowie „Die Brautschau" oder „'s Lieserl vom Schliersee" und „Die Z'widerwurzn" finden sich auf dem Notizblatt vermerkt. Letzteres Lustspiel erfuhr seine Uraufführung auf der Bühne des königlichen Theaters am Gärtnerplatz am 29. Jänner 1878"^^ und erlebte dort am 2. November 1890 seine 100. Aufführung^^. Das Stück ist eine im bäuer lichen Milieu Bayerns spielende „Zähmung der Widerspenstigen". Manche von Schmids Erzählungen boten findigen Stückeschreibern, deren es damals viele gab, willkommene Anregung, diese zu dramatisieren. Schmid hatte daher berechtigte Ursache, vor „Theater-Piraten" zu warnen, wie er sich in seinem an den Verleger des „Columbus", J. F. Weber, gerichteten Brief vom 15. März 1875 aus drückt. Beim Erscheinen seiner Geschichte aus dem bäuerlichen Leben, „Der Loder", in der „Gartenlaube" sieht er sich zu folgender einbegleitenden Warnung veranlaßt: „Vielen meiner Erzählungen (nahezu zwanzig) ist die (mitunter sehr zweifel hafte) Auszeichnung zu Theil geworden, von fremder Hand dramatisiert zu werden, meistens ohne mich, wenn auch nur anstandshalber, um Erlaubnis zu fragen, nicht selten sogar ohne Angabe der Quelle. Für den Fall daher, daß auch ,Der Loder hierzu ausersehen werden sollte, erkläre ich hiemit, daß ich die Dramatisierung, falls sie 25 Jahre Eigenregie. Geschichte des Brünner Stadttheaters 1882-1907. Zu dessen fünfundzwanzigjäh rigem Bestandsfeste herausgegeben von Gustav Bondi, städtischer Theatersekretär. Brünn 1907. Selbst verlag des Verfassers. Druck von Friedrich Irrgang. S. 102, 115, 147, 207. Dazu: Neueste Nachrichten, München 1. Februar 1878. Dazu: Bayer. Kurier, 3. November 1890. 193
nötig werden sollte, selbst vornehmen werde, gegen jede solche ohne mein Wissen und meine Genehmigung vorgenommene Bearbeitung aber protestiere und mir alle Rechte vorbehalte. München, im Juni 1873 Herman Schmid"^^ Wie einige seiner Prosawerke hat Schmid auch den „Loder" dramatisiert. Die Bühnenfassung wurde dann am Gärtnerplatz-Theater inszeniert. Andere der Erzäh lungen von Herman Schmid, wie etwa die „Brauischau" oder „Die Türken in Mün chen" wurden in Zusammenarbeit oder im Einverständnis mit ihrem Verfasser für die Bühne bearbeitet (z. B. von Neuert und Fahl). In freier Bearbeitung von Richard Manz ging am 13. August 1894 am Gärtnerplatz „Der rote Hannikel", die dramatisierte länd liche Kriminalgeschichte Schmids „Die Huherhäurin", mit dem Schlierseer Bauern ensemble in Szene. Aus dem Ensemble des Theaters am Gärtnerplatz hatte sich am 1. April 1879 unter Leitung Max Hofpauers eine Gruppe von Schauspielern („Die Münchner") gebildet. Sie gastierten u. a. auch mit Stücken von Schmid erfolgreich auf vielen deutschen Bühnen. Ihr erstes Gastspiel fand am 23. April 1879 in Berlin statt. Mit wechselndem Glück hat sich Herman Schmid in allen Gattungen drama tischer Dichtung versucht. Bei Preisausschreiben ging er gelegentlich als Sieger her vor. Wie es aber oft zu geschehen pflegt, enttäuschte das eine oder andere Stück bei seiner Aufführung. Einige von Schmids Bühnenwerken sind - neben den bereits frü her veröffentlichten - in der Klassikerbibliothek bei Hoffmann in Stuttgart bezie hungsweise in Reclams Universalbibliothek erschienen. Nach dem Tode König Maximilians II. am 10. März 1864 folgte ihm sein Sohn als König Ludwig II. auf Bayerns Thron. Von ihm sollte Schmid als Bühnenschriftsteller besondere Wert schätzung und Förderung erfahren. Nach der am 22. Jänner 1867 erfolgten Ver lobung König Ludwigs II. mit Prinzessin Sophie, Tochter des Herzogs Max in Bayern, verfaßte er für die zu erwartende Hochzeit ein „Festspiel zur Feier der Vermählung seiner Majestät des König Ludwigs II. von Bayern mit Ihrer Königlichen Hoheit Sophie Charlotte, Prin zessin in Bayern". Im Spiel, das den Titel „Kranz und Krone"führt, huldigen alle Stände und Berufe dem Königspaar. Zur Aufführung gelangte es jedoch nicht, da bereits am 10. Oktober 1867 die Auflösung der Verlobung des Königs mit Prinzessin Sophie erfolgte^^. Für König Ludwigs II. bekannte Separatvorstellungen wurden von Herman Schmid drei Schauspiele und ein Trauerspiel verfaßt und vom König großzügig honoriert. Für „Unter den Lilien" (aufgeführt am 30. Oktober 1874) erhielt der Autor 100 Dukaten am 30. Dezember 1874 überwiesen, für „Dur oder Moll" (aufgeführt am 4. November 1878) den Betrag von 1.500 Mark am 30. Dezember 1878, für „Aus dem Die Gartenlaube. Illustriertes Familienblatt. Jahrgang 1873. Nr. 28. Hgb. Ernst Keil. Bayerische Staatsbibliothek. Handschriften- und Inkunabelnabteilung. Cod. germ. 7827. 20 Seiten Handschrift samt Titelseite. Zum hundertsten Todestag König Ludwigs II. erschien im W. Ludwig-Verlag das Buch von Heinz Gebhardt „KönigLudwigII. und seine verbrannteBraut". Auf Grunderstmals veröffentlichterDoku mente schildert der Verfasser die Umstände der mißglückten Hochzeit und den tragischen Tod der „verschmähten Königsbraut" Sophie Charlotte bei einem Großbrand in Paris. 194
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