OÖ. Heimatblätter 1987, 41. Jahrgang, Heft 2

funktioniert auch hier, für die meisten Menschen sogar besser, weil ausschließlicher (siehe Kopf hörer). Dies ist nur einer von vielen faszinierenden Gedanken, Überlegungen, wissenschaftlichen Tat sachen, der oben zitiertem Buch entnommen wur de. Vom „Hören der Welt" berichtet der Autor - so der Untertitel - und versucht zunächst zu zeigen, um wieviel genauer unser akustisches Sinnes organ arbeitet als unsere Augen; wie sehr aber auch Natur- und Geisteswissenschaften der west lichen Zivilisation, vor allem seit etwa 300 Jahren, die Welt durch das Auge „erobern". Das Auge ist ein aggressives, teilendes - auch stark „urteilendes" - Sinnesorgan, es teilt seine Wahrnehmung auf einzelne Wahrnehmungs schritte auf, die meist auch wiederholbar sind. Es ist zu einer schnelleren Wahrnehmung fähig als das Ohr, was der Vergleich von Licht- und Schall geschwindigkeit zeigt, jedoch auch sehr viel unge nauer, wie die Vielzahl optischer Täuschungs möglichkeiten beweist. Unser Ohr muß genauer arbeiten, denn es hat keine Möglichkeit der Wie derholung seiner Wahrnehmung: Im Moment des Hörens muß alles gehört werden. Daß ein Kunstwerk in seiner Gesamtheit und Gesamtwirkung mehr ist als die Summe seiner Einzelbestandteile, ist ein oft zitierter Grundsatz der Kunstgeschichte, der auch auf alle Elemente unseres Seins (auch auf dieses) übertragbar ist. Unser Ohr hört ganzheitlich! Das Plädoyer des Autors gilt einer stärkeren Ergänzung unserer optischen Wahrnehmung durch die akustische, nicht wiederum der Bevorzu gung eines Sinnesorgans. Viele Grenzen der vi suell orientierten Wissenschaften haben die Pro bleme unserer Zeit sehr deutlich aufgezeigt, eine geänderte Art der Welterkenntnis, eine mehr ganz heitliche, stärker akustische, weniger aggressive könnte Lösungen aufzeigen. Der Autor berichtet von Erkenntnissen in Na turwissenschaft und Philosophie, die in diese Richtung weisen, er versucht den Hör- und Seh wörtern in den Sprachen nachzugehen (ein für lite rarisch interessierte Leser faszinierendes Kapitel) und präsentiert auch Thesen zur historischen Ent wicklung im Verhältnis der Geschlechter. Wenngleich viele seiner Gedanken zu ma triarchalischen Tendenzen in Gegenwart und Ver gangenheit, für die er eine enge Beziehung zur Ver nachlässigung der akustischen Wahrnehmung herstellt, kein unumstritten endgültiges Bild zeich nen, so markieren sie aber feststehende Argumen tationsgedanken in einem Forschungsfeld, das zu nehmend an breiterem Interesse gewinnt. Nur z. B. zur Frage: Warum unterbrechen laut einer Unter suchung Männer sprechende Frauen 24mal öfter als Frauen Männer? Der Weg dieses Buches, einem „Hörfluß" vergleichbar, mündet in der Harmonie, die gleich zeitig Quelle dieses Fließens ist. Es ist jedoch nicht so sehr die Harmonie der Erfahrung, sondern mehr die noch nicht erfahrene, verborgene Harmonie; die Ordnung, die hinter jedem noch so „augen scheinlichen" Chaos steckt. „Dieses Buch ist... auch ein persönliches Buch. Es wäre anders... ausgefallen, hätte ich nicht ständig beim Schreiben das Gefühl und das Be wußtsein gehabt, über Dinge zu schreiben, die ich selbst erlebt habe: die für mich wichtig waren - und sind - und deshalb vielleicht auch für andere wichtig werden könnten." So der Autor über sein Werk, das den Leser nicht „fesselt", sondern in seiner Faszination genau das Gegenteil bewirkt. Peter Assmann Christoph Wagner und Johannes Kittel: Auf den Fährten der Wallfahrer. Eine Erkundung der Pilger stätten im Alpenraum. Salzburg: Univ.-Verlag Anton Pustet 1986. 208 Seiten mit 110 Farbbildern. S 490,-. ISBN 3-7025-0241-6. Es ist ein Buch besonderer Art, sowohl von der Aufmachung wie auch vom Inhalt her, das in ansprechender Weise in das Wallfahrtswesen ein führt. „Es kann und soll nicht Aufgabe dieses Buches sein. Aussagen über die theologische Wertigkeit und Bewertung von Wundern... zu treffen. Ebenso würde eine Allgemeingültigkeit an strebende Würdigung dieser Phänomene aus volkskundlicher, historischer oder naturwissen schaftlicher Sicht den Rahmen sprengen." So schreiben die Autoren über ihr Werk. Es ist aber dennoch viel mehr daraus geworden, da sehr wohl vor allem viele volkskundliche Aspekte behandelt werden, und zwar in sehr ausgewogener Weise (was allerdings nicht unbedingt auch auf die Aus wahl der im Literaturverzeichnis angeführten Pu blikationen zutrifft). Vielleicht sollte man sich bei der Lektüre des vorliegenden Werkes zunächst durch die Betrach tung der größtenteils hervorragenden Farbbilder von Johannes Kittel einstimmen lassen. Aufnah men von Wallfahrern, Wallfahrtsorten, Gnaden bildern, Votivgaben usw. stellen eine gelungene

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