OÖ. Heimatblätter 1987, 41. Jahrgang, Heft 1

erscheinung sich in letzter Zeit verstärkt mit dem „fin de siede" in Wien beschäftigt hat, wollen sich die Autoren mit der Situation der Unterschichts angehörigen zur damaligen Zeit auseinanderset zen. Die Vorstellungen von der „guten alten Zeit" sollen ein wenig zurechtgerückt werden: „Das Bild vom Backhendl essenden Wiener stammt jeden falls aus einer Zeit der Massenarmut, der ökono mischen Krisen, der großen Epidemien und Kin dersterblichkeit." Im Beitrag von Hannes Steckl über die bürger liche Kindheit, der als Quellen zeitgenössische Autobiographien auswertete, wird das Bild der heilen bürgerlichen Familie ein wenig zerpflückt. So muß man z. B. bei dem Lebensbericht des späte ren Unterrichtsministers Heinrich Drimmel aus seiner Zeit als Nachhilfelehrer in Herrschaftshäu sern auf ein distanziertes, kühles und keineswegs mütterliches Verhältnis der Mutter zu ihren Kin dern schließen: „Einige dieser Schüler hatten eine wunderschöne Mama, aber keine Mutter, sie hat ten Angst, so mit den Eltern zu reden, wie ich es zu tun gewohnt war." Erfreulich ist, daß bei allen Beiträgen nie auf die Darstellung der Rolle der Frau vergessen wur de. Im Kontrast zur „jeunesse doree" der Besserge stellten werden im Beitrag „Vata, derf i aufstehn?" Kindheitserfahrungen in Wiener Arbeiterfamilien um 1900 behandelt, die noch mit Kinderarbeit konfrontiert waren, um die Familie überhaupt fi nanziell einigermaßen über Wasser halten zu kön nen. Es fehlt auch nicht eine Darstellung der Ent stehung der Psychoanalyse, die ja in den gesell schaftlichen Gegebenheiten dieser Zeit ihren Ur sprung und Nährboden fand. Die einzelnen Beiträge bilden in ihrer kon trastreichen Zusammenstellung ein breites Infor mationsspektrum über das Leben aller Bürger der Großstadt Wien an der Wende zu unserem Jahr hundert. Elisabeth Schiffkorn Rudolf Kropf, Wolfgang Meyer (Hrsg.): Andreas Baumkircher und seine Zeit. (= Wissenschaftliche Arbeiten aus dem Burgenland. H. 67.) Symposion im Rahmen der „Schlaininger Gespräche" vom 24. bis 26. September 7982 auf Burg Schlaining. Eisenstadt: Burgenländisches Landesmuseum 1983. 367 Seiten. ISBN 3-85405-085-2. Rudolf Kropf, Wolfgang Meyer (Hrsg.): Kleinland schaft und Türkenkriege. Das südliche Burgenland zur Zeit der Bedrohung durch die Türken im 16. und 17. Jahrhundert. (= Wissenschaftliche Arbeiten aus dem Burgenland. H. 68.) Symposion im Rahmen der „Schlaininger Gespräche" vom 22. bis 25. September 1983 auf Burg Schlaining. Eisenstadt: Burgenländisches Landesmuseum 1983. 280 Seiten. ISBN 3-85405-087-9. Im Rahmen der 1982 begründeten „Schlainin ger Gespräche" finden jeweils wissenschaftliche Tagungen statt, deren erklärtes Ziel die Erfor schung der Region Südburgenland und ihrer Ge schichte als mitteleuropäischer Durchgangsraum an den Nahtstellen unterschiedlicher Kulturberei che ist. Die Ergebnisse zweier Gespräche aus den Jahren 1982 und 1983 liegen als Publikationen der Reihe „Wissenschaftliche Arbeiten aus dem Bur genland" vor und ermöglichen einem weiteren In teressentenkreis den Zugang zu den behandelten Themenkreisen, nämlich der Person des Andreas Baumkircher und der Zeit der Türkenkriege. In beiden Fällen ist es den Initiatoren, dem in Linz wir kenden Universitätsprofessor Rudolf Kropf und Wolfgang Meyer vom Burgenländischen Landes museum in Eisenstadt, gelungen, das Themenge biet in möglichst breiter fachlicher Streuung und von unterschiedlichen „fachspezifischen" Blick winkeln zu behandeln, wobei der geographischen Situation der Region in besonderer Weise dadurch Rechnung getragen wurde, daß neben österreichi schen Wissenschaftern auch Kollegen aus Ungarn und Jugoslawien mit teilweise bemerkenswerten Beiträgen jede „nationale" Einseitigkeit aufhoben. Der Band über Andreas Baumkircher entrollt ein weit über die Person des Ritters hinausgehen des Bild der turbulenten Zeit des 15. Jahrhunderts im Grenzbereich zwischen dem Ungarn des Mat thias Corvinus und den - unter den Linien geteil ten - Habsburgischen Ländern. Heide Dienst gibt in ihrem Einleitungsreferat einen konzisen Über blick über die bilateralen Beziehungen zwischen Ungarn und Österreich bis in die Zeit um 1400 und schafft so gleichsam das Szenario für den zur Dis kussion stehenden Zeitabschnitt, der von Prof. Bruckmüller unter sozialhistorischem Blickwinkel untersucht wird. Sein Beitrag bietet auch dem in die aktuellen Fragestellungen der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte nicht Eingearbeiteten eine verständliche Einsicht in die Komplexität der viel zitierten „Krise des Spätmittelalters" mit ihren um fassenden Wandlungen gesellschaftlicher Struk turen. Eine Reihe weiterer Referate behandelt nun

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