Die Jesuiten in Steyr 1632-1773 Nach Überwindung vieler Schwierigkeiten konnten am 3. November 1632 die Residenz des Ordens und das Gymnasium eröffnet werden. Die Schule, die zunächst in einigen Bürgerhäusern untergebracht war, hatte bis Ende des Jahres 40 Schüler. In den Jahren des Bestandes erreichte die Schülerzahl nur zehnmal den Höchststand von 150 bis 187. Von 1657 bis 1680 wurden traktweise die Gebäude für Kolleg und Gymnasium fertiggestellt. Zwar wurde bereits 1635 der Grundstein für die Kirche gelegt, aber der Bau konnte erst 1638 zielführend weitergeführt werden. 1648 wurde die Kirche, obwohl noch unvollendet, durch den Fürstbischof Ulrich von Passau geweiht. Der Hochaltar wurde 1665 errichtet, und erst mit dem Bau der Dop peltürme war 1677 die Kirche fertiggestellt. Das Gymnasium wurde nach der Stu dienordnung des Ordens (ratio studiorum) geführt. Unterrichtssprache war haupt sächlich Latein. Noch bis in das erste Viertel des 18. Jahrhunderts dienten lateinisch verfaiSte Lehrbücher der Wissensvermittlung auf verschiedenen Gebieten, so z. B. Geographie, Geschichte, Rechnen usw. Deutsch als Unterrichtssprache ist zwar noch unbekannt, aber ab 1735 wird auf „gutes Deutsch" im Unterricht Wert gelegt. Das Theaterspiel wurde eifrig gepflegt und war integrierender Teil des Lehrplans. In der Zeit des Bestehens des Kollegiums gab es mehr als 300 Aufführungen. Unter dem Einfluß der Jesuiten wurden auch die liturgischen Feiern in Steyr wie früher auf genommen und durch neue erweitert. So konnten die Handwerksverbände wieder zur Teilnahme an der Fronleichnamsprozession gewonnen werden. Die Patres such ten vor allem die Glaubensfreudigkeit durch Predigten zu heben. Fastenpredigten wurden in der Jesuitenkirche und bei den Nonnen gehalten. Es gab einen Sonntags-, einen Festtags- und einen Frühprediger. Von den Marianischen Kongregationen wer den vor allem die für die Studenten und die Bürger und die sogenannte Schutzengel kongregation erwähnt. Ebenso die sogenannte Todesangstbruderschaft. Die Kom munionen erreichten 1702 die Zahl 30.000,1768 55.000. Ein Pater war auch Seelsor ger für die drei Armenhäuser. Von der Aufhebung des Ordens wurde dem Kollegium und der Stadt Steyr am 18. Dezember 1773 durch ein Dekret der Landeshauptmann schaft Mitteilung gemacht. Nach der Aufhebung konnte der Orden in Rußland ungehindert fortbeste hen. Die Zarin Katharina widersetzte sich der Verkündigung des Aufhebungsbreves. Klemens XIV. billigte angeblich in einem geheimen Schreiben an die Zarin den Fort bestand der weißrussischen Ordensprovinz. Pius VI. gab mündlich seine Zustim mung, und Papst Pius VII. erkannte 1801 die Gesellschaft in Rußland in aller Form öffentlich an. An der Rechtlichkeit dieses Fortdauerns der Gesellschaft besteht also kein Zweifel. Als im Jahre 1814 Papst Pius VII. den Orden auf der ganzen Welt wie derherstellte, gab es in Rußland unter der Leitung eines Generals 358 Jesuiten. 1820 wurde dieser Rest durch Zar Alexander aus Rußland verwiesen. Kaiser Franz von Österreich gab diesen Flüchtlingen Aufenthaltsgenehmigung in Galizien. Und von dort kamen die ersten Jesuiten wieder nach Österreich, und zwar nach einem kurzen Aufenthalt in Gleisdorf an der Raab im November 1829 nach Graz.
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