OÖ. Heimatblätter 1987, 41. Jahrgang, Heft 1

Brotbacken am Bauemhof Von Fritz und Thilde Lichtenauer Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es im ländlichen Raum zu einem gewalti gen gesellschaftlichen und wirtschaft lichen Wandel. Landflucht, Entsiedlung peripherer Gebiete, Rückgang der Zahl der in der Landwirtschaft beschäftigten Personen von ca. 40 Prozent in den fünf ziger Jahren auf weniger als 10 Prozent in der Gegenwart sind nur einige Merk male dieser Entwicklung. Gleichzeitig sperrten die kleinen Handwerksbetriebe wie Schuster, Schneider, Wagner, Schmiede, Binder usw. ihre Werkstätten zu. Sie konnten mit den billigeren Industrieprodukten nicht mehr konkurrieren. Viele zogen in die Stadt und suchten in den neuen Fabriken Arbeit. Der technische Fortschritt und der zunehmende Wohlstand veränderten auch die Lebensgewohnheiten und Wertvorstellungen. Alles Alte und Über lieferte galt als rückständig und unschön, alles Neue als schön. Viele neue Produkte kamen auf den Markt, am und im Haus wurde erneuert, „Schöner Wohnen" wur de ein Schlagwort. Alte Kästen, Truhen und sonstiger Hausrat wurden auf den Dachboden oder in eine Scheune ge schafft, wenn nicht verkauft oder zum Müll geworfen. Mit diesen Neuerungen in Haus und Küche änderte sich auch der Arbeits rhythmus. Zeitaufwendige Tätigkeiten wurden durch Maschinen einfacher oder überhaupt überflüssig. Wozu noch But terrühren zum Beispiel, wenn die Molke rei die Milch holt und Butter liefert, wozu noch Brotbacken, wenn der Bäcker mit dem Lieferwagen vor die Haustüre fährt? Dennoch gibt es vereinzelt Höfe, in denen alte Traditionen fortleben, ohne daß ihre Besitzer gleich als „Eigenbrötler" eingestuft werden. So bewirtschaftet mitten im Sau wald, dem höchstgelegenen, waldigen Teil des Innviertels, Familie Reiter, vulgo Gabauer, einen Bauernhof. Jeden zweiten Samstag bäckt die Bäuerin nach alter Tradition Brot für den Eigenbedarf. Am Freitagnachmittag wird in dem schönen alten Vierseithof der große höl zerne Backtrog in die Stube getragen. Die Bäuerin setzt darin den Sauerteig, ge nannt „Ura", an. Von jedem Backvorgang bleibt ein kleiner Rest des Teiges in einem Stein gutgefäß zurück - mit Wasser vermischt ergibt dies den „Ura" für das nächste Backen. Gegen Abend kommen zum Ura etwa 20 Kilo Mehl und die entsprechen-

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