Christoph Bertsch: . . . und immer vrieder das Bild von den Maschinenrädem. Beiträge zu einer Kunst geschichte der Industriellen Revolution. Berlin: Ernst, Verlagßr Architektur u. techn. Wiss. 1986. 158 Seiten. ISBN 3-433-02032-9 Die Industrielle Revolution veränderte die ge samte Lebenssituation des Menschen und prägt sie bis in die Gegenwart. Die Ursachen und Folgen im sozialen und wirtschaftlichen Bereich sind in jüng ster Zeit vermehrt untersucht worden, ausgeklam mert wurde bisher jedoch fast völlig der Bereich der Kunst. Der Autor versucht mit seinem Buch, Bei träge zu einer noch zu schreibenden Kunstgeschich te der Industriellen Revolution zu liefern. Betont wird hier Kunstgeschichte nicht als esoterische Leh re der Formsprache aufgefaßt, sondern in einem ganzheitlichen Sinne, also auch ein klarer Bezug zu sozialen und wirtschaftsgeschichtlichen Zusammen hängen hergestellt, ohne sich aber darauf zu be schränken. Der Frage nach dem „warum" bestimm ter Formen wird mit allen Methoden der Kunstwis senschaft nachgegangen. Eine Schilderung der Situation Europas um 1800 steht am Beginn des Buches; einige Literaturzitate versuchen, die geistige Verarbeitung der beginnen den Industrie anzudeuten. Sodann wird am Beispiel zweier charakteristischer Kunstwerke der Zeit — die hier gewählten Künstler Ledoux und Goya sind bis weit in unser Jahrhundert von bleibendem Ein fluß geblieben — aufgezeigt, wie die barocke Ein heit einer neuen Form weichen mußte. Aufgegliedert auf einzelne Problemkreise erhält der Leser im folgenden immer mehr Gesichtspunk te zu intensiveren Erfassung jener Veränderung - die endgültige Ablöse der Machtstrukturen und Denkschemata, die seit dem Mittelalter gültig wa ren. Klarer wird auch, wie diese Veränderung vor sich ging. So im Bereich der Kunst: Wie das Ideal, die hohe Bedeutung, abgelöst wird von einer erfah renen Bedeutung; um so einen Prozeß sehr verein facht zu formulieren, der sich das ganze 19. Jahr hundert hindurchzog. Konkreter nimmt der Autor dann Bezug auf die neuen Bauaufgaben, Fabriken, Bahnhöfe, Arbei tersiedlungen z. B., und auf die Darstellung des ar beitenden Menschen. Wie diese Industrie die Lebensumstände der Menschen in ihrer Umgebung neu gestaltete, wie die Künstler auf die neuen Auf gaben und Voraussetzungen reagierten, wie Indu strielandschaften entstanden, wie alles auf den Pro duktionsprozeß hin ausgerichtet wurde. Vorarlberg zählt zu den frühesten Industriegebie ten Europas; der Autor bringt im folgenden Ab schnitt des Buches eine genaue Bearbeitung der in dustriellen Entwicklung dieser Region. Gegenstand seiner Untersuchung sind nicht nur die augen scheinlichen Zeugnisse dieser Zeit, also Fabriksge bäude und Arbeitersiedlungen, auch Firmenbrief köpfe, Rechnungen, die Darstellung der Industrie auf Gemälden werden in diesem Gesamtkomplex betrachtet. Die Darstellung von Fabriken, meist ei ne Dokumentation der Macht ihrer Besitzer, findet sich ja beispielsweise sogar auf Altarbildern. Der Leser kann sich von der Vorarlberger Situa tion im wahrsten Sinn des Wortes selbst ein Bild ma chen, denn in den Text eingefügt sind nicht nur über 160 Abbildungen, am Ende des Buches sind zudem einige Quellentexte abgedruckt, so z. B. die Statu ten einer Arbeiterkrankenkasse oder einer Fabriks ordnung, beide aus der Mitte des vorigen Jahrhun derts. Das vorliegende Buch ist die Habilitations schrift des Autors, der derzeit am Kunsthistorischen Institut der Universität Innsbruck arbeitet. Die Formen künstlerischer Gestaltung, die ent standen sind aus den Aufgaben, die die industrielle Massenproduktion ihnen gab, sind erst seit wenigen Jahren Gegenstand der kunstwissenschaftlichen Forschung; nicht nur in Vorarlberg gibt es hierzu untersuchenswertes Material. Peter Assmann Marina Tichy: Alltag und Tranm. Leben und Lek türe der Wiener Dienstmädchen um die Jahrhun dertwende. f= Kulturstudien. Band 3) Wien-Köln-Graz: Böhlaul984. 164 Seiten. ISBN 3-205-08853-0 „Die Lektüre erfüllte für die Dienstboten eine der bedenklichsten Funktionen, die Literatur haben kann: Sie machte das Unerträgliche erträglich." Dies ist Schlußsatz und gleichzeitig Leitgedanke der Arbeit „Alltag und Traum" über das Leben und den bevorzugten Lesestoff der weiblichen Dienstboten um die Jahrhundertwende in Wien. Die lokalen Be züge ergeben sich aus dem verwendeten Quellen material, die geschilderten Lebensumstände einer bestimmten Arbeitnehmerschicht hatten aber si cher für die gesamte Monarchie ihre Gültigkeit. Diesen Hausangestellten war vor allem ein Mas senlesestoff zugänglich, der Kolportageroman, der in kleinen Fortsetzungen geliefert, allwöchentlich in kleinen Dosen für Spannung sorgte. Denn dieses Lesen erfüllte vor allem einen bestimmten sozialen Zweck: Es war ein Mittel, dem grauen alltäglichen Einerlei zu entfliehen. Denn gerade in den Haus halten der finanziell oft nicht sehr gut gestellten Mittelschicht, hatten diese Dienstboten meist einen Arbeitstag „rund um die Uhr", mußten teilweise hungern und, so entnimmt man es der vorliegenden Arbeit, wurden fast wie Leibeigene gehalten: sie durften nur mit Erlaubnis die Wohnung verlassen, teilweise überhaupt keinen Besuch empfangen und
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