tet werden. Bei gutem Willen auf beiden Seiten müßte es doch möglich sein, sich zu verstehen, ohne begangenes Unrecht zu entschuldigen, oder gar zu rechtfertigen. Darum ging und geht es mir übrigens gar nicht! Es soll nicht erneut Gericht gehalten werden, um alte Wunden aufzureißen. Die meisten meiner Gesprächspartner denken auch so und verstehen das Anliegen: am 27. und 28. Juli 1934 gab es in Lamprechtshausen einen Bürgerkrieg. Daran sollte erinnert werden und darüber sollte nachge dacht werden, seine Ursachen ergründet und mit all seinen operettenhaften Begleit umständen geschildert werden. Daß der damals blutjunge und überzeugte Natio nalsozialist Peter Armsdorfer, als ihn Sol daten aus der Kranzschachtel des Dachbo dens stöberten, „Heil Dollfuß!" rief, ge hört ebenso zur Geschichte dieses Aufstan des, wie die Verhinderung der Hochzeit von Frau Anna Erbschwendtner. Das war alles nicht heldenhaft, sondern folgte der tragischen Dramaturgie dieser politisch un ruhigen Zwischenkriegszeit. Zu Helden wurden die Überlebenden und zu Blutzeu gen die Toten durch die im März an die Macht kommenden Nationalsozialisten. Durch ein überdimensionales Wand gemälde an der Kirche und durch die Auf führung sogenannter Weihespiele wurden sie in religiöser, an Passionsspiele erinnern der Form gefeiert. Der Salzburger Ger manist Gert Kerschbaumer hat mir dazu seinen Artikel „Das Simulationsspiel vom Sterben des ,kleinen Mannes' auf der NSWeihestätte Lamprechtshausen bei Salz burg in der Phase der Kriegsvorbereitung 1938/39" zur Verfügung gestellt. Einer der ehemaligen Putschisten ist zwar stolz, sein Haus auf dem Grund der Stätte des Weihe spieles gebaut zu haben, beeindruckt schie nen die Zuschauer jedoch nicht von diesem Weihespiel. Den Schilderungen zufolge kamen mehr Zuschauer aus der Stadt Salz burg als aus der Umgebung. Aber auch in diesem Punkt will ich die Wertung dem Leser des Buches^ überlas sen. Durch den Abdruck der verschieden sten Dokumente kann er sich selber ein Bild vom Putsch machen. An dieser Stelle sollen nur Entstehungszusammenhang und Besonderheiten aufgezeigt werden. Zurück zur Spurensuche: Weniger er folgreich war ich bei den ehemaligen Heim wehrmännern. Über einen erfuhr ich, daß er gleich am Anfang der Kämpfe, also be reits am Abend des 27. Juli, verwundet wurde. Er war jedoch, obwohl ich ihn als Gast des Wirtshauses meiner Mutter und meiner Tante gut kenne, nicht bereit, mir zu berichten. Meine anfängliche Erfahrung mit den ehemaligen Sympathisanten des Putsches wiederholte sich. Auch dieser ehemalige Heimwehrmann ließ mich nicht ins Haus, um über die Ereignisse vor fünzig Jahren zu sprechen. Auch nach intensiv sten Nachforschungen blieb es daher bei den beiden Schilderungen von Franz Felber und Sepp Reitsamer, beides einfache HW-Männer. Ein ehemaliger HW-Offizier fand sich nicht. Die zum Teil heftigen An griffe gegen die Heimwehr bleiben daher weitgehend unwidersprochen. Mehr noch, auch ein Bundesheerangehöriger äußerte schwere Vorwürfe gegen die brutal vorge henden HW-ler. Auch hier gilt jedoch: Das Urteil soll der Leser nach Prüfung der ver schiedensten Erinnerungen und Doku mente selbst abgeben. Dies soll jedoch keineswegs dazu füh ren, daß irgendein Zweifel an den Folgen des nationalsozialistischen Terrorregimes gelassen wird. Neben den Morden in den Konzentrations- und Vernichtungslagern und den Kriegstoten hatte der NationalsoAndreas Maislinger: Zeugen eines Putsches. Lamprechtshausen im Juli 1934. Salzburg: Ver lag Wolfgang Neugebauer (in Vorbereitung). - Anm. d. Red.
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