OÖ. Heimatblätter 1986, 40. Jahrgang, Heft 2

werden würde, machte ich mich auf den Weg, um meinen Teil dazu zu leisten. Die Nachforschungen an Ort und Stelle began nen mit einer Bestätigung meiner Erwar tungen und einer Überraschung. Die Bestätigung: Mit einem Filmteam fuhr ich im Februar 1984 nach Famprechtshausen. Ein alter Bauer reagierte auf mei ne Frage nach dem Haus des Pfarrers freundlich. Wir kamen ins Gespräch und plauderten über Verschiedenes. Bis ich zur Frage nach dem Putsch kam: Ein verschreckter Blick, „da sag i nix, da sag i nix", und weg war er. Woanders wurde mir, nicht unfreundlich, aber sehr bestimmt, die Türe vor der Nase zugemacht. Die Bestäti gung schien perfekt: Lamprechtshausen sei noch immer ein „braunes Nest" und die Einwohner wollten nicht offen über ihre Vergangenheit reden. Die Überraschung: Über Vermittlung meines Vaters, welcher mit einem ehemali gen SA-Putschisten eisstockschießt, kam ich zum aus der Literatur bekannten „Haupträdelsführer" Gregor Gruber. An statt eines „Ewiggestrigen" saß mir ein überlegt sprechender und auskunftsberei ter Herr gegenüber. Gleich zu Anfang drückte er mir neun eng beschriebene Sei ten in die Hand. Ich überflog sie nur, weil ich mir nur eine Rechtfertigungsschrift er wartete und mehr daran interessiert war, seine Antworten auf meine Fragen zu hö ren. Bis ich zum erstenmal steckenblieb: Da begann 1939 der Krieg. Adolf Hit ler, den wir verehrten, dem wir blind ver trauten und für den wir durchs Feuer gin gen, wurde größenwahnsinnig. Er hat alles, was das Deutsche Volk unter seiner Füh rung aufgebaut hat, wieder zerstört und dar über hinaus unsägliches Leid über Europa gebracht. Meine anfänglichen Zweifel nach der Lektüre der Schilderung des wirtschaftli chen Niederganges und der von den offi ziellen Darstellungen abweichenden Schil derung der Kämpfe wichen immer mehr, bis ich zu Grubers Schlußbem'erkung kam: Meine Lehre aus dem Erlebten: Selbst eine schlechte Demokratie ist der besten Diktatur vorzuziehen, aber Massenarbeitslosigkeit (Hunger tut weh) führt früher oder später wieder zu einer Diktatur! Noch eins: Jugend läßt sich verhältnismäßig leicht für eine Idee gewinnen und bleibt dieser aus Überzeu gung oder Trotz treu, wenn sie einseitig be rieselt wird. So spricht kein alter Nazi! Die Überra schung war gelungen: Ein ehemals führen der SA-Mann des Putsches in Lamprechts hausen und einer der Hauptverantwortli chen hatte etwas aus der Geschichte ge lernt. Das Eis der Verschwiegenheit war gebrochen. In der Folge waren auch ande re ehemalige SA-Männer bereit, zu berich ten. Um das Bild zu vervollständigen, war es jedoch notwendig, auch die andere Seite und vor allem unbeteiligten Zeugen zu Wort kommen zu lassen. Erstaunlicherwei se war dies um vieles schwerer. Erst nach einer Radiosendung und einem Beitrag in den „Flachgauer Nachrichten" meldeten sich auch ehemalige Bundesheersoldaten zu Wort. Nachdem die ersten Anrufer im Lan desstudio Salzburg nichts mehr davon wis sen wollten, kamen danach überlegtere und ruhigere Stimmen. Hans Rothenwänder aus Obemdorf, angeregt durch die Ra diosendung, etwa machte sich selbst auf die Suche nach Zeugen des Putsches. Er fand gesprächsbereite Bundesheer-Kameraden und traf sich auf meine Vermittlung hin in Lamprechtshausen mit seinem ehemaligen Gegner Peter Armsdorfer. Ich habe mich sehr darüber gefreut, wie diese beiden Männer fünfzig Jahre später miteinander geredet haben und seitdem gute Freunde sind. Genau das wollte ich auch erreichen mit meiner Arbeit: Die Ereignisse des Juli 1934 sollten nicht länger verschwiegen und verdrängt, sondern gemeinsam aufgearbei-

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