OÖ. Heimatblätter 1986, 40. Jahrgang, Heft 2

mich wieder ein Professor für Politikwis senschaft der Universität Hawaii bei einer Konferenz in Bonn auf Jägerstätter ange sprochen. Ais ehemaliger Offizier der USArmy im Koreakrieg wurde er zum Pazifi sten und spezialisierte sich auf Kriegs dienstverweigerer in den verschiedensten Diktaturen. Jägerstätter ist unter den vie len von ihm untersuchten Fällen einer der beeindruckendsten. Doch verfolgen wir die Spur weiter, welche uns nach Lamprechtshausen führen wird. Mehr als die wenigen Sätze meiner El tern war auch nach zähem Nachfragen nicht zu erfahren. Außer, daß es in Micha elbeuern während der Nazi-Zeit eine „Sepp Maislinger-Schule" gab und die Weihespiele. Meine Eltern waren aber nie dort, und sonst war nichts Genaueres zu er fahren. Film und Buch gab es jedenfalls nicht darüber, vielleicht ein Hinweis, daß doch nicht soviel dahintersteckt? Daß der Schriftsteller George Saiko seinen Stoff für den erfolgreich verfilmten Roman „Der Mann im Schilf" vom Putsch in Lamp rechtshausen nahm, erfuhr ich erst viel spä ter. Bis — ich war bereits Student an der Universität Salzburg — in Geschichtsbü chern deP Name Lamprechtshausen auf tauchte. Die an eine „Räuber und Gen darm-Geschichte" erinnernde Erzählung meiner Kindheit war also doch historische Wahrheit. Und zwar nicht irgend ein Ereig nis unter vielen, sondern irgendwie etwas Besonderes! Der Putschversuch in Lamp rechtshausen fiel aus dem Rahmen der Er eignisse des Juli 1934.- Inzwischen war ich an der Universität Innsbruck mit einem Forschungsprojekt „Tirol in der NS-Zeit" beschäftigt. Durch die vielen Gespräche über den Nationalso zialismus angeregt, kam ich darauf, mich auch mit den Ereignissen in meiner enge ren Heimat zu beschäftigen. Es war nicht schwer, schon nach wenigen Tagen hatte ich eine Fülle von Belegen in Geschichts büchern und historischen Zeitschriften. Besonders in der NS-Geschichtsschreibung wird dieses „Dorf der Ostmark" an der Grenze zum Deutschen Reich immer wie der erwähnt. Otto Reich von Rohrwig etwa schreibt in seinem Buch „Der Freiheits kampf der Ostmarkdeutschen" über die Aufstandsversuche in Kärnten und der Steiermark ohne auf einzelne Orte aus führlich einzugehen, über Lamprechtshau sen jedoch in einem eigenen Beitrag: „Der Totentanz von Lamprechtshausen". Wegen der Zensur finden sich in den Salzburger Zeitungen dieser Zeit nur die offiziellen Polizeiberichte. Die Stimmung drückt da schon eher die „Neue Warte am Inn" aus: „Die braunen Horden in Lam prechtshausen" übertitelt sie ihren Bericht vom 2. August 1934. Das will etwas heißen, denn sonst ist die „Warte" sicherlich keine Zeitung mit reißerischen Überschriften. Nicht weniger ablehnend, aber sach lich und wissenschaftlich fundiert, setzt sich der ehemalige Lehrer von Lamprechtshau sen, Gottfried Wagner, in der Zeitschrift „Zeitgeschichte" (Juni/Juli 1974) mit dem „Juli 1934 in Lamprechtshausen" auseinan der. Mit diesen Darstellungen und den Ak ten des Militärgerichtsprozesses von Linz im Kriegsarchiv in Wien ist es durchaus möglich, sich ein Bild von den Ereignissen zu machen. Für einen Historiker sind das die entscheidenden Quellen. Wer ehemali ge Beteiligte und Zeugen dieses Putsches kennt und als Politikwissenschaftler arbei tet, den interessiert auch, wie fünfzig Jahre danach über den Tod von acht Menschen gedacht wird. Und mit den sechs getöteten SA-Männern und zwei getöteten Bundesheersoldaten war es der blutigste Putsch versuch des Juli 1934 außerhalb von Wien. Einige Monate vor dem runden Jahres tag, welcher von den Medien begangen

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2