OÖ. Heimatblätter 1986, 40. Jahrgang, Heft 2

Spuren in die Vergangenheit Von Andreas Maislinger Schon als kleines Kind hatte ich vom Putsch gehört und von Jägerstätter und der Entstehung des über die ganze Welt ver breiteten Liedes „Stille Nacht"; und daß nicht weit entfernt von meiner Heimatge meinde St. Georgen an der Salzach Hitler geboren wurde. Das klang alles faszinierend bedeu tungsvoll, verstanden habe ich es erst Zug um Zug. Am frühesten erfuhr ich mehr über die Entstehungsgeschichte von „Stille Nacht, Heilige Nacht". Schließlich wird auch jedes Jahr in Oberndorf in der Stille Nacht-Kapelle daran erinnert. Über den Führer Adolf Hitler hörte ich - wenn auch nicht viel — in der Schule, und auf dem Dachboden fand ich eine Postkarte "Brau nau. Die Geburtsstadt des Führers". Die beiden anderen prominenten Er eignisse meiner engsten Umgebung blie ben, außer in kurzen Andeutungen meiner Eltern, verborgen. Wenn ich mit meinem Vater arbeiten oder spazieren ging, berich tete er mir manchmal über den Bauern aus St. Radegund. Seine Frau und die drei Kin der leben noch, und bis jetzt wird er nicht verstanden, weil er seine Familie im Stich gelassen hat, um seiner religiösen Über zeugung zu folgen. Den Wortlaut weiß ich nicht mehr, denn ich war erst fünf oder sechs Jahre alt, aber mein Vater sprach im mer voller Sympathie für Franz Jägerstät ter. Meine Mutter hingegen berichtete mir vom Putsch. „Der Putsch", wie die ver suchte Machtübernahme der SA in Lamprechtshausen im Juli 1934 noch immer ge nannt wird, war am geheimnisumwittert sten. Es soll geschossen worden sein. Tote gegeben haben und ein Verwandter, Sepp Maislinger aus Michaelbeuern, wurde im Theatersaal des Gasthauses Stadler er schlagen. Die Schuld am ganzen hatten die „G'studierten" des Ortes, welche die jun gen Bauernsöhne verführt hatten und sich anschließend herausredeten und frei gin gen. Bei diesem Wissen blieb es bis zum Film „Der Fall Jägerstätter", welcher im Fernsehen gezeigt wurde. Axel Corti, der sich den alten Pfarrhof in Arnsdorf herge richtet hat und durch den „Schalldämpfer" und „Club 2" bekannt ist, hatte diesen Film gedreht. Die Bedeutung des Bauern und Mesners aus dem wenige Kilometer ent fernten Dorf hatte ich damit jedoch noch nicht begriffen. Die meisten in unserer Ge gend wissen es bis heute nicht. Ich begriff es durch das Buch „Er folgte seinem Ge wissen - Das einsame Zeugnis des Franz Jägerstätter" des amerikanischen Wissen schaftlers Gordon C. Zahn. Durch Profes sor Zahn, welcher in den sechziger Jahren einige Monate in St. Radegund verbrachte, wurde Jägerstätter einer der bekanntesten Österreicher in den USA. Erst kürzlich hat

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