OÖ. Heimatblätter 1986, 40. Jahrgang, Heft 2

heimlichen und Abgründigen in seinen Darstellungen standen viele Beschauer verständ nislos gegenüber. Hammerstein versucht das Werk Kubins dem Beschauer verständlich zu machen. Auch er entsinnt sich des Schocks, den er beim ersten Anblick von Kubins Zeichnungen erlebte. Die Darstellungen von Phantomen waren es, die Hammerstein zunächst abschreckten, erinnerten sie üin doch an Traumgesichter aus Fieberträumen seiner Kindheit: Gestaltungen des Grauens, so traumhaft-wirklich und so gräßlich-wahr, daß man sie von nun ab nicht mehr los wurde, daß man sie hinter dämmernden Büschen und Mond schatten von Mauern, ja im blendenden Mittag leibhaft sah, daß sie in der Seele aufstiegen, wenn man die sonst so gleichgültig-gewohnte Unglücks- und Skandalchronik der täglichen Zeitung las, weil eben plötzlich dem bis dahin unbildhaften Gefühl eine Gestalt gewiesen war.^° Hammerstein bezeichnet das Grauen, das besonders in den Frühwerken Alfred Kubins zutage tritt, als Symbole der Schrecken unseres Jahrhunderts. Es war die Stimme der Wahrheit, die aus Kubins Bildern sprach: . . . Den alles niedertrampelnden Krieg, den Wegweiser ins graue Elend, das Hungergespenst, das Schicksal, das mit dem Riesenrechen die Menschenmassen von der Rampe kehrt ins schwarze Nichts hinab. Die zweite künstlerische Phase in Alfred Kubins Schaffen folgte, nach Meinung Hans von Hammersteins, als das drohende Herannahen des Krieges sichtbar wurde. In dieser Zeit begann der Künstler sein Schaffen als Illustrator. Zunächst illustrierte er den eigenen Roman „Die andere Seite". Diese zweite Epoche in Alfred Kubins Schaffen be zeichnet Hammerstein als Kunst, uns hinter Wesen und Ding des Alltäglichen zu füh ren.Das Gespenstische hinter dem Gewöhnlichen sichtbar zu machen, ist nun Kubins künstlerische Absicht. So steht hinter den scheinbar beschaulichen Darstellungen - eine Stammtischrunde etwa oder ein behagliches Familienidyll - die andere Seite, die Nacht seite des Lebens: das Böse, der Neid und die Torheit der Menschen werden plötzlich sichtbar gemacht, obwohl Kubin nur natürliche, menschliche Gestalten zeichnet. Alfred Kubin ist für Hans von Hammerstein ein echter Künstler von faszinierender Gedankentiefe. Weder Hohn noch Verachtung führen Kubins Zeichen stift. Es ist das tiefe Wissen um Fehler und Schwächen der Mitmenschen, das den Künstler leitet. So gesehen, ist für Hammerstein der Maler ein volkstümlicher Illustrator. Auch die deutschen Maler des 15. und 16. Jahrhunderts werden heute als volkstümliche Künstler bezeichnet, obwohl ihre Kunst ebenso das Phantastische wie das Realistische besonders stark zum Ausdruck bringt. Hammerstein erinnert in diesem Zusammenhang an Martin Schongauer, Albrecht Dürer, Mathias Grünewald, Albrecht von Altdorfer oder Hans Baidung Grien. Diese Tradition setzt sich in Alfred Kubin fort.^^ Es ist auch die mit seiner Heimat besonders verbundene Kunst der Donauschule, die den Künstler, trotz der zeitlichen Distanz, geprägt hat. Hans von Hammerstein: Alfred Kubin. In: Jahrbuch der Innviertler Künstiergilde. Braunau - Ried 1930. (S. 7). " Ebenda. (S. 8). Vgl. dazu: Zeichnung von Alfred Kubin, die dieser Hans von Hammerstein widmete. Hans von Hammerstein: Alfred Kubin. In: Jahrbuch der Innviertler Künstlergilde. Braunau — Ried 1930. (S. 13).

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