40. Jahrgang R Heft 2 H
OBEROSTERREICHISCHE-r 40. Jahrgang 1986 Heft 2 Herausgegeben vom Landesinstitut für Volksbildung und Heimatpflege in Oberösterreich Roland Anzengruber Adalbero, Graf von Wels-Lambach Ein Heiliger aus Oberösterreich Elmar Schiffkorn Die Gründungsgeschichte der Innviertier Künstlergilde Herbert Kneifel Der Ennser Georgenberg Eine historische und landschaftliche Betrachtung Gottfried Allmer Oberösterreichische Orgelbauer in der Steiermark Heinz Schöny Der „Bauemphilosoph" Konrad Deubler Epilog zum 100. Todestag Hans Dickinger Die Straßennamen von Schörfling am Attersee Andreas Maislinger Spuren in die Vergangenheit Elisabeth Schiffkorn Ernst Burgstaller — 80 Jahre Buchbesprechungen
Medieninhaber: Land Oberösterreich Herausgeber; Landesinstitut für Volksbildung und Heimatpflege in Oberösterreich. Leiter: W. Hofrat Dr. phil. Dietmar Assmann Zuschriften (Manuskripte, Besprechungsexempla re) und Bestellungen sind zu richten an den Schrift leiter der OÖ. Heimatblätter: Wiss. Oberrat Dr. phil. Aldemar W. M. Schiffkorn. Landesinstitut für Volksbildung und Heimatpflege in OÖ., 4020 Linz, Landstraße 31 (Landeskulturzcntrum Ursulinenhof), Tel. (0 73 2) 27 05 17 0* Jahresabonnement (4 Hefte) S 160,- (inkl. 10% MwSt.) Hersteller: Buch- -I- Offsetdruck Friedrich Karrer, 4020 Linz, Reslweg 3 Für den Inhalt der einzelnen Beitrüge zeichnet der jeweilige Verfasser verantwortlich Mitarbeiter Gottfried Allmer, Attemsgasse 5, 8010 Graz Dr. Roland Anzengruber, Pädagogische Akademie der Diözese Linz, Salesianumweg 3, 4020 Linz cand. phil. Peter Assmann, Frau-Hitt-Straße 14, 6020 Innsbruck OSR Hans Dickinger, 4861 Schörfling am Attersee Obermedizinalrat Dr. Herbert Kneifel, Konsulent, Gröllerstraße 8, 4470 Enns Dr. Andreas Maislinger, Universität Innsbruck, Institut für Politikwissenschaft, Innrain 52, 6020 Innsbruck Mag. Elisabeth Schiffkorn, Akaziengang 8, 4040 Puchenau Dr. Elmar Schiffkorn, Holzgasse 2, 6020 Innsbruck Prof. Dr. Heinz Schöny, Boschstraße 24/7/23, 1190 Wien Alle Rechte vorbehalten Für unverlangt eingesandte Manuskripte über nimmt die Schriftleitung keine Haftung ISBN 3-85-393-037-9 Titelbild Konventsiegel des Stiftes Lambach
Adalbero — Graf von Wels-Lambach Ein Heüiger aus Oberösterreich Von Roland Anzengruber Am 6. Oktober 1090 war Adalbero in Lambach verstorben. Nachdrücklich und kompromißlos vertrat der letzte Sproß ei nes mächtigen Geschlechts in den Wirren des Investiturstreits die Causa Sancti Petri. Sein unerschütterlicher Glaube wurde ihm zur selbstverständlichen Aufgabe, getreu seinem Wahlspruch; „Christus heri et hodie". Die Grafen von Wels-Lambach Das Geschlecht der Grafen von WelsLambach,^ dem auch Adalbero ent stammt, tritt uns urkundlich nachweisbar um 992/93 mit Arnold (1.) entgegen.^ Ihren tatsächlichen Einfluß über Besitzungen zwischen Traun und Enns, sowie nördlich der Traun und Enns,^ übten die Wels-Lam bacher wahrscheinlich aber schon seit dem beginnenden 10. Jahrhundert aus.'* . ^ riK m mSi ' ;■ «- Abdeckplatte der marmornen Tumba Adalberos, die unter Abt Plazidus 1659 errichtet wurde. ' Über die Grafen von Wels-Lambach vgl. Kamillo Trotter: Die Grafen von Lambach und Form bach. In; Genealogisches Handbuch zur bairisch-österreichischen Geschichte. Hrsg. v. O. Dungern. 1. Lfg. Graz 1931. S. 37ff. — Peter Jo sef Joerg: Die Heimat und die Vorfahren des hei ligen Adalbero, Grafen von Wels-Lambach, Bi schofs von Würzburg (1045 - 1090). In: Würz burger Diözesangeschichtsblätter 14/15. Jg. 1952/53. S. 253ff. ^ Urkundenbuch des Landes Oberösterreich (UBLOE). II. S. 691. Über den Rechtsinhalt des Vertrages zwischen Graf Arnold 1. und Bischof Christian v. Passau vgl. Alois Zauner: Die Einforstung der Wälder des Grafen Arnold von Lambach 992/93. In: 23. Jahrbuch d. Musealver eines Wels. S. 115ff. ® Zum Besitz der Lambacher Grafen siehe Kurt Holter: Der Ulsburggau und die Alpenrandgren ze. In: Mitteilungen des oö. Landesarchivs 7 (1960). S. 192ff. '* Vgl. Heinz Dopsch: Die steirischen Otakare. In: Das Werden der Steiermark (= Veröffentlichun gen des steiermärkischen Landesarchivs 10). 1980. S. 100.
Arnold I., der mit Hildiburg, einer zu gesprochenen Aribonin, verheiratet war, starb vermutlich um 1020. Auf ihn folgte sein Sohn Arnold II., der um 1025 in einem kaiserlichen Diplom mit seiner Gattin Re ginlinde genannt wird.® Jener Arnold II. bekommt um 1035 als Nachfolger der Eppensteiner die Karantanische Mark über tragen. In diesem Zusammenhang wird er als A(rnold) de L(ambach) bezeichnet, wo bei hier die Nennung des Geschlechts nach einer Burg als Stammsitz früher als bei den meisten anderen baierischen Adelsge schlechtern nachzuweisen ist.® Der Ehe Arnolds II. und Reginlinde entstammten drei Söhne: Gottfried, Ar nold (III.) und Adalbero. Über Arnold III. schweigen die Quellen, lediglich im Lam bacher Nekrolog wird er als „comes" be zeichnet. Verheiratet war er mit Hazecha, deren Herkunft unbekannt ist. Gottfried, der schon zu Lebzeiten seines Vaters mit dem Titel „marchio"^ ausgestattet war, be gegnet uns als Kriegsheld und als Sieger über die Ungarn bei Pettau im Jahre 1042.® Über weitere Geschehnisse, welche die Familie der Grafen von Wels-Lambach betreffen, schweigen die Quellen bis zum Jahre 1050. In diesem Jahr sterben vermut- ® Urkunde Konrads v. 11. Mai 1025. Im Lamba cher Nekrolog (MGH, Necr. 4, S. 409) wird die Kurzform Regila verwendet. In der Vita Adalberonis wird Regilla als Weinsbergerin bezeichnet („mater Regilla potenti Francigenum fuerunt Weinsberge"). Trotter (S. 40) und Joerg (S. 242), sowie Karl Lechner (Die Babenberger) weisen Regila dem lothringischen Herzogshaus zu, ihr Vater wäre dann möglicherweise Gott fried von Verdun. ® Dopsch: Otakare.S. 100 ^ MCi, DD 6/1,92: „et trater suus marchio Gotetridus", dazu Lechner: Babenberger. S. 70 ® Annales Altah. maior. MG SS XX. S. 191. „per idem tempus aliqui de Ungarin egressi contra Carintheam captivaverunt inumerabilem praedam. Sed Gotetrido marchione superveniente omnes occubuerunt." iiilnnuiiMV Die Grafen von Lambach. Detail aus dem Stifterbild, um 1430. St. A. Lambach
lieh Reginlinde, Arnold III. und dessen Gattin Hazecha eines gewaltsamen Todes. Für alle drei findet sich als Todestag im Lambacher Nekrolog der 1. Februar.® Eine Notiz in den Altaicher Annalen zum Jahre 1050 berichtet von Gottfried, der nach Lambach zurückeilt und hier ebenfalls von Feinden umringt und getötet wird. Zöllner spricht in diesem Zusammenhang die Ver mutung aus, daß um 1050 das Wels-Lam bacher Grafenhaus in einer Fehde mit un bekannten Gegnern, vielleicht den Traungauer Otakaren, untergegangen sei.^° Graf Arnold II. überlebte diesen schweren Schicksalsschlag nicht lange. Als sein Todestag wird der 3. März angegeben, als Todesjahr wird ebenfalls 1050 in "Be tracht gezogen. Somit ist Adalbero, der im Jahre 1045 zum Bischof von Würzburg geweiht wurde, der letzte überlebende Nachkomme der Wels-Lambacher. Der Besitz um Wels und Lambach gelangt an das Bistum Würzburg, das übrige Erbe fällt an die steirischen Otakare und an die Formbacher. Bischof von Würzburg (1045 — 1090) Im Jahre 1045 wurde Adalbero als Nachfolger Brunos von Kaiser Heinrich III. zum Bischof von Würzburg ernannt. Bereits in den ersten Jahren seiner Regie rungszeit entfaltete er eine umfangreiche kirchliche Tätigkeit, deren Reformcharak ter unübersehbar ist. Lothringische Mönche unter der Lei tung von Abt Ekkebert aus der Abtei Gorze reformierten 1046 das bischöfliche Ei genkloster Münsterschwarzach, welches sich aufgrund dieser Maßnahmen zu einem bedeutenden klösterlichen Zentrum ent wickelte. Nach der Reform der Klöster Neustadt am Main und St. Burkhard in Würzburg, die ebenfalls unter der Leitung Ekkeberts durchgeführt wurde, wandelte Adalbero das Kanonikerstift St. Peter, Paul und Stephan in der Sander Vorstadt von Würzburg ebenfalls in ein Benedikti nerstift mit Mönchen aus Münsterschwar zach um. 1057 oder 1058 stiftete und erbau te er mit Unterstützung der Königin Richeza von Polen und des Hochfreien Emehard aus dem Geschlecht der Grafen von Rothenburg-Comburg das Kollegiatsstift St. Maria und Allerheiligen, genannt Neu münster in Würzburg. Tiefe Religiosität, strenge Pflichtauf fassung und ein ausgeprägter Rechtssinn, gepaart mit dem stolzen Bewußtsein der Machtfülle seines bischöflichen Amtes tra ten als wesentliche Charakterzüge Adalbe ros immer deutlicher hervor. Daher darf es nicht verwunderlich erscheinen, daß seine anfängliche königstreue Haltung aufgrund verschiedener Fehlhaltungen Heinrichs in Entfremdung umschlug. Eine dramatische Änderung der Beziehungen zwischen Adalbero und Heinrich setzte mit dem Re gierungsantritt des Archidiakons Hilde brand als Fast Gregor VIT (22. April 1073) ein, der als ein erklärter Vertreter des Re formpapsttums auftrat. Zu diesem Zwecke berief Gregor bereits kurze Zeit später Adalbero von Würzburg, Erzbischof Sieg fried 1. von Mainz sowie fünf weitere Suffraganbischöfe zur Fastensynode nach Rom. Es liegt hierbei die Vermutung nahe, daß Gregor nur jene Reichsbischöfe ein lud, von denen er sicher sein konnte, daß sie sein Reformprogramm unterstützen ® Stiftsarchiv Lambach (STAL). HS 229. vgl. ZöWner; Geschichte Österreichs. Wien 1974.S. 79 " dazu Georg Juritsch: Adalbero, Graf von Wels und Lambach, Bischof von Würzburg und Grün der des Benediktinerstifts Lambach in Ober österreich. Braunschweig 1887. — auch; Alfred Wendehorst: Adalbero von Lambach-Wels (1045 - 1090). In: Die Bistümer der Kirchenprovinz Mainz. Das Bistum Würzburg. Teil 1: Die Bi schofsreihe bis 1254. In: Germania Sacra. N. F. 1. Teil 1. Berlin 1962.
würdenJ^ Gerade, in Adalbero sollte er sich nicht getäuscht haben, vermutlich kam er als einziger nach Rom. Adalberos Verhältnis zu Heinrich IV. scheint vorerst noch neutral, sodaß er nach Heinrichs Sieg über die Sachsen als beson derer Vertrauter des Königs um Vermitt lung eines Friedensangebotes gebeten wird. Der Bruch zwischen Adalbero und Heinrich IV. erfolgte während der Worm ser Synode (1076), auf der Papst Gregor VII. für abgesetzt erklärt wurde. Allein Bi schof Adalbero und Hermann von Metz verwehrten sich gegen die Absetzung Gre gors. Lampert von Hersfeld berichtet in seinen Annalen darüber: „Während alle übrigen dieses Verdammungsurteil ohne Zögern unterschrieben, widersetzten sich die Bischöfe Adalbero von Würzburg und Hermann von Metz eine Zeitlang, indem sie erklärten, es sei ganz ungehörig und verstoße gegen die kanonischen Bestim mungen, daß ein Bischof in seiner Abwe senheit ohne allgemeines Konzil, ohne die vom Gesetz vorgeschriebenen Ankläger und Zeugen, bevor die ihm vorgeworfenen Verbrechen erwiesen seien, verurteilt wer de, und erst recht gelte das vom Papst, ge gen den weder eines Bischofs noch eines Die drei Jünglinge Adalbero, Altmann und Geb hard am Fuße des Göttweiger Berges. Fresko von M. Lackner an der Ostwand im Sommerchor des Stiftes Lambach. Erzbischofs Anklage angenommen werden dürfe. Unter Drohungen der übrigen Anwesenden unterschrieben die beiden Bi schöfe doch auch das Dekret — wenn auch nur mit Protest. Ihr Widerruf (in dem beide Bischöfe ihre Teilnahme an den Wormser Beschlüssen bereuten), traf aber noch wäh rend der Fastensynode in Rom ein. Papst Gregor reagierte auf dieser Synode mit der Bannung Heinrichs (22. Februar 1076). Adalbero tritt von nun an als einer der konsequentesten Gegner des Königs auf und wird eine der Hauptstützen der Gregorianer in Deutschland. Gemeinsam mit den Herzögen von Schwaben, Baiern, Kärnten und den Bischöfen Hermann von Metz, Gebhard von Salzburg und Altmann von Passau bildete Adalbero eine fürstliche Opposition, die bereits am 27. Jänner 1076 Beratungen gegen Heinrich IV. führte. Selbst die inzwischen erfolgte päpstli che Absolution Heinrichs (28. Januar 1077 in Canossa) konnte Bischof Adalbero kei nesfalls zufriedenstellen: er leistete weiter hin Widerstand. Seiner Auffassung nach konnte er die vom König vertretene Ord nung, das karolingisch-ottonische Reichs kirchensystem, nicht als beseitigt anse hen.'"* Am 13. März 1077 traten die Gegner Heinrichs wiederum unter entscheidender Mitwirkung Adalberos in Forchheim zu sammen und wählten Herzog Rudolf von Rheinfelden zum Gegenkönig. Nur in ei ner vollständigen Ausschaltung Heinrichs erblickte die Opposition die Vorausset zung für eine dauernde Lösung des Konvgl. Alfred Wendehorst: Bischof Adalbero von Würzburg (1045 - 1090) zwischen Papst und Kaiser. In: Studi Gregoriani 6 (1959/61). S. 152 Lamperti monachi Hersfeldensis: Annales. Ber lin 1957. S. 347. vgl. Wendehorst: Bischof Adalbero von Würz burg. S. 155
flikts. Den zu erwartenden kriegerischen Ereignissen sollte mit oppositionsnahen sächsischen Kontingenten begegnet wer den. Bittere Enttäuschungen mußte Adal bero bei seiner Rückkehr nach Würzburg hinnehmen: die königstreu gebliebene Bürgerschaft verschloß ihm seine Bischof stadt. In einer ergebnislos verlaufenden einmonatigen Belagerung versuchte Ru dolf von Rheinfelden die Stadt für Adalbe ro zurückzugewinnen. Aber Würzburg blieb fest in Heinrichs Hand, daran ver mochte auch die von Adalbero und dem päpstlichen Legaten ausgesprochene Ex kommunikation der Stadt (12. November 1077) nichts zu ändern. Adalbero verbrachte die folgenden •Jahre im Exil, vermutlich in Sachsen und Schwaben, wo sich enge Beziehungen zu Abt Wilhelm von Hirsau nachweisen las sen. Seine Gegnerschaft zu Heinrich erfuhr auf der Synode zu Mainz (1085) den Höhe punkt. Bischof Adalbero wurde mit weite ren gregorianischen Bischöfen exkommu niziert und abgesetzt.^® Der Bamberger Domscholastiker Meinhard folgte an Stelle Adalberos auf den Würzburger Bischofs stuhl. Hermann von Salm versuchte 1086, Adalbero wieder in seine Rechte einzuset zen und belagerte Würzburg. Heinrich führte daraufhin ein Entsatzheer heran, wurde aber am 11. August bei Pleichfeld vernichtend geschlagen und mußte fliehen. Einen Tag später zog Adalbero nach neun jährigem Exil wiederum in seine Bischofs stadt ein.^® Doch Heinrich gab sich nicht geschla gen. Schon wenige Monate nach seiner ver heerenden Niederlage rückte er erneut ge gen Würzburg vor. Der Kaiser bot dem eingeschlossenen Bischof noch einmal das Bistum an, aber Adalbero lehnte ab. „Ihr könnt mich binden und töten, aber nicht zwingen, mit einem Ausgestoßenen zu verümms WM iu/Äü Begräbnis von Bischof Adalbero. Detail aus dem Stifterbild, um 1430. St. A. Lambach kehren".Diese Worte bestätigen die un beugsame Haltung Adalberos. Adalbero verließ Würzburg ein zwei tes Mal, diesmal für immer. In Franken, Schwaben und vor allem in seiner Heimat Lambach verbrachte er seine letzten Le bensjahre, wo er am 6. Oktober 1090 starb. Heimat und Zufluchtstätte — Das Stift Lambach Schon Arnold II. wandelte seine Burg Lambach in eine Stiftung für 12 weltliche Kanoniker um. Diese Kanoniker wohnten in der Umgebung von Lambach und ka men zu bestimmten Zeiten zum Gottes dienst zusammen. Nach dem Tode Arnolds Bernoldus. Chronicon. ad 1085. MG, SS. V. 443 vgl. Wendehorst: Adalbero von Lambach-Wels. S. 109 Liber de unitate ecclesiae conservanda. II. 29. S. 254
erhob Bischof Adalbero diese Stiftung zu einem Benediktinerkloster Die ersten Mönche berief Adalbero aus dem Kloster von Münsterschwarzach, die der Jung-Gorzer Reform angehörten. Als erster Abt wurde Ekkebert eingesetzt, der, zeitgenössischen Quellen zufolge, über ungewöhnliches Format verfügte.^® Mit ihm gelangte auch die Bauform der Gorzer Bewegung nach Lambach, was vor allem für die Errichtung der Westanlage der Stiftskirche zutrifft. Bischof Adalbero zog sich nach seiner zweiten Vertreibung aus Würzburg zeit weilig auch in seine Eleimatstiftung Lam bach zurück. Gemeinsam mit Altmann von Passau weihte er am 15. September 1089 den Hochaltar®® und den Johannesaltar®^ des Stiftes Lambach. Am 6. Oktober 1090 starb Adalbero in Lambach®® und wurde durch Bischof Alt mann von Passau in der Nähe des von ihm Konventsiegel des Stiftes Lambach, Bischof Adal bero weiht der Muttergottes seine Stiftung Lam bach. geweihten Altares beigesetzt. Der Todes tag ist gleichzeitig der Festtag des Heiligen. krlnpoM öm patrom Detail aus dem Stifterbild Der Stiftsbrief wurde um 1056 ausgestellt (UBLOE, II, S. 69f.) zur Problematik der Stif tungsurkunde siehe Erich Trinks: Die Grün dungsurkunden und Anfänge des Benediktiner klosters Lambach. In: Jahrbuch d. OÖ. Museal vereines. Bd. 83 (1928) Eine Bamberger Quelle berichtet, daß Ekkeberts Grabmal schon zwei Menschenalter nach seinem Tod in Wundertaten erstrahlte und be reits zur beliebten Wallfahrtsstätte der Gläubi gen geworden sei. vgl. dazu: Kassius Hallinger: Gorze-Kluny. In: Studia Anselmiana 22 — 25 (1950/51). S.319ff. Bischof Altmann von Passau weihte den Haupt altar der Kirche („majus et principale altare") zu Ehren der Muttergottes, des hl. Kilian und seiner Gefährten Kolonat und Totnan. Adalbero konsekrierte den Altar zu Ehren des Evangelisten Johannes („altare, quod secundum a principali locum obtinet, beatus presul Albero in honore sancti Johannis evangeliste") STAL. cod. Chart 325. p. 48ff. Von den zahlreichen Hinweisen sei lediglich er wähnt: Annalisto Saxo (741 - 1139) ad 1090: „Obiit pridie Non. Octobris in predio patris sui sepultus in monasterio suo Lambach, ubi in pace requiescit". MGH. Bd. VlII. S. 727
Verehrung und Heiligsprechung Die kultische Verehrung Adalberos^^ . begann schon bald nach seinem Tode und gelangte mit der Aufzeichnung der an sei nem Grabe geschehenen Wunder zu einem ersten Höhepunkt. Schon lange vor den of fiziellen Bestrebungen um seine Beatifikation im 17. Jahrhundert wird Adalbero so wohl von kirchlicher als auch von Seite des Stiftes Lambach als Seliger verehrt. Den ersten diesbezüglichen Urkun denbeweis bringt Bischof Embricho von Würzburg (1125 — 1146), der in einer Ur kunde von 1136 Adalbero als „vir beatus" bezeichnet.^"* Auch Bischof Bernhard von Passau (1285 — 1313), der dem Klostfer Lambach um 1298 einen Ablaßbrief aus stellt, nennt das Kloster „in honore beatissimae Virginis fundatum et beati AdalbeMirakelbild von Matthias Lettenpichler um 1638: „Ein blindes Weib von Regensburg, Ein Mann von Enß, so zwainzig Jahr blind gewesen und ein blindgeborner auß Östereich Werden Sechendt." ronis".^® Hingewiesen sei auch auf die bei den Konventsiegel aus dem 14. Jahrhun dert, die Adalbero als „Sanctus" bezeich nen. In einer Stiftungsurkunde des Land marschalls Wolfgang von Wallsee aus dem Jahr 1463 wird „ . . . allen Heiligen, Sunter in der Ern des Saligen sand Adalbero ... ein ewigs Licht gestifft und geomdt I 5 . MAMA ORA.FBOJ^OBlS...^.ai i i i 9 A Titelkupfer aus der Vita Adalberonis, 1619. St. A. Lambach dazu; Peter Josef Jörg: Die Verehrung des hl. Adalbero in historischer Sicht. In: Würzburger Diözesangeschichtsblätter 13 (1951). S. 206ff. Adalbero wird der Vater der Witwen, der Wai sen, ein Verteidiger der Wehrlosen und in Zeiten der Not und Pest ein Fürst der Freigebigkeit ge nannt. Schon bald wurde sein Sterbetag als Fest tag gefeiert. Die Urkunde ist abgedruckt bei Ignaz Gropp: Lebensbeschreibung deren Heiligen Kiliani Bi schoffens Und dessen gesellen Martyren. Wirtzburg 1738. S. 213ff. UBLOE, Bd. IV. S. 286
ADALBERONEM, 0tiffter beS IJambatfe. .(Töbegriiffe Dict) Durd6 baö •i)«! DU auf Dtfer grDen @03:3? ange# rebm: j'gt aber in Iieo.'^^mmel erböftef bi|I: S)ub((iallctprejl6afffenrtn3:rö(ter/ öüer^erröbten unDöefangoi^ncttKgrt^ fer, SEetlen Du etu gütiger ©dffe^/ urtb ßOugfleroUbeieinSSefcöülerbjjf, 9tt:ö|f" DeÜl @ebett aUeu $u einem Dieb mit retoen ^er|ea 3^ ruffe an DeiiiBroraiwdt/ Itgtcit/Du möllcflfn oreinetafrttfMfeNIt/f« iner @ebre<bll(t>felt'in Deß geibö 0Jotb# tvet^igteit mtriu btlff fornmen: S)u töölldl niiCO nicfef JafTeirju grunCr ge^n? fotiDcrn bitte für miÄÄag unD^Rolfttj'fDamiticb aUbier auf Difer ^rDen aM Ubelübetn>in$ ©ebctt. l3tbittetiDlcl)O0®|)t?«/t f leff unö Deineu 2)ienern j 5 Upn Durd* Die glorwürCIgH-,. feiigen AbALBERoswIö uti^^elebtlgerö/ melcber ünbleflpft @OtttfeOau&rnbet> Damit mit Dur® fän beilige görbitt bon aB<r tEBiöertmJÄeft befebüßctroerDfu. ®ürcb ubferct^ffirtti S^fUm Sb'^ftuw melc6cc,'mit Dir lebtt^/ unbl^les'' öierit tu aacgwIgEeif/ Gebet aus dem 17. Jh. zum hl. Adalbero, Textpro ben. St. A. Lambach, loses Blatt. hat zu des benanten sand Adalbern Altar und Grab im Kloster zu Lambach".^® Von den zahlreichen Weihegeschen ken und Votivtafeln zu Ehren Adalberos bis zum 17. Jahrhundert ist in den Stifts sammlungen nichts mehr erhalten, die Würzburger Chronik von Lorenz Fries (1491 — 1550) berichtet jedoch darüber. Die Verehrung Adalberos erfuhr im 17. Jahrhundert durch neuerliche Wunder heilungen an seinem Grab, durch die Auf findung seines unversehrten Leichnams und nicht zuletzt durch den Druck der Vita Adalberonis von Abt Johannes BimmeE^ einen gewaltigen Aufschwung. So wird ausdrücklich berichtet, wie im Herbst 1626 das fünfjährige Söhnlein eines italienischen Oberstquartiermeisters, ei nes geborenen Mailänders, von seinen Li tern zum Grabe des Heiligen mit einem Opfer verlobt und von seiner Lähmung ge heilt wurde. 1634 und 1660 verzeichnete der Lambacher Konventuale P. Amand Krenner abermalige Wunderheilungen am Grabe Adalberos.^® Ein weiterer Lamba cher Mönch, nämlich F. Ildephons Prandtner, legte über die 1688 erfolgte Heilung der Lambacher Bildhauerin Lva Catharina Seng seine Zeugenschaft ab.^® Schmieder berichtet über Heilungen an Sabina Catha rina Mittermayr aus Lambach (1689), GeOriginalurkunde im Stiftsarchiv Lambach Johannes Bimmel: Vita et miracula S. Adalbero nis Ep. Herbipolensis: Fundatoria Monast. Lambacensis. ... ex Vetustis. Codd. Bibliothecae Lamb. eruta. Aug. Vind. apud Saram Mangiam Viduam 1619. Als Vorlage diente Abt Johannes der Codex Cml. LIV, (Vita et miracula Adalbe ronis), der in Lambach gegen Ende des 12. Jh. entstanden ist. STAL. Cd. 214 a. P. Amandum Krenner, Lam bach oder Unterrichtung aller nothwendigen Ge schichten und auch vom Ursprung Lambachs. Item von dem Leben des Stiffters Adalberonis und seinen Wunderwerkhen . . . . , fol. 69 r. vgl. Pius Schmieder: Argumenta cultus Beati Adalberonis. Viennae 1868. S. 8
r ' J Hl. Adalbero, Kupferstatue um 1636 (Nachbil dung der Holzstatue um 1300), Stift Lambach, Konventtrakt. Foto Diözesanbildstelle org Mayer, Faßbinder in Lambach (1691), Maria Fettinger aus Stadl (1693) und Jo hann Terpeniz, Bürger und Gastgeber aus Stadl (1693) und über eine 1699 erfolgte Heilung am siebenjährigen Sohn Franz des Johann Terpeniz, Bürger und Gastgeber zu Peuerbach.^° Diese überaus erfreuliche Situation wird lediglich von dem Umstand überschattet, daß man nach den jeweils er folgten Wunderhandlungen keine ausführ lichen Zeugenprotokolle anfertigte, um sie später den kirchlichen Behörden vorlegen zu können. Abt Plazidus Hieber von Greifenfels (1640 — 1678) ließ 1652 — 1656 die Stifts kirche Lambach im frühbarocken Stil um bauen. Im Sinne der Barockisierung wurde auch das Grabmal Adalberos einer Verän derung unterzogen. Anstelle der lebens großen Kupferstatue, die Abt Philipp Nagl um 1636 als Nachbildung der ehemaligen hölzernen Statue aus dem 13. Jahrhundert in Auftrag gab, errichtete man ein marmor nes Hochgrab. P. Amand Krenner, der da malige Prior des Stiftes und einer der be deutendsten Historiographen des Klosters, berichtet in diesem Zusammenhang von der Auffindung und Unversehrtheit des Leichnams Adalberos: „Ich . . . begab mich sogleich zu dem zerspalteten theil des Grabstein und befahle mir den Stain aufzu heben. Da dieses geschehen, sah ich daß der ganze heilige Leichnam noch ganz beysamben läge auf der schwarzen erden, und daß die beiner noch mit fleisch überzogen waren . . . In einer Druckschrift erschien diese Begebenheit hundert Jahre später: „ . . . der zerspaltene Grabstein zeiget gleichsam den Weg zu den verschlossenen Heiligthum. Man hebet die zerfallenen Drümer hinweg: alle Anwesenden werden mit einem heiligen Schauder befallen. Alle stehen herum und sehen einen unverwesten Leib. Einige strecken die Hände aus, sie füllen das kirnige Fleisch . . . Aufgrund dieser Entdeckung bemühte sich Abt Plazidus, in Rom die offizielle An erkennung Adalberos als Seligen zu erwir ken. Eine Reaktion auf sein Bittgesuch,^ in dem er das Kardinalskollegium in Rom zu überzeugen versucht, daß die Haltung Bischof Adalberos bei dem großen Streite zwischen Heinrich und Gregor, seine Ver- ™ vgl. Schmieder: Argumenta. S. 9 STAL. Cd. 214 a. fol. 60 r. Dreyfaches Lob Gottes ueber die Wohltaten, welche das Benedictinerische Stift, und Kloster Lambach durch abgewichene sieben Jahrhun dert genossen hat in dem dreytägigen Jubilaeo den 19., 20. und 21. Septembris im Jahre 1756. Eine Abschrift des Briefes ist bei Wolfgang Kol lendorfer: Geschichte des Abtes Placidus Hieber (STAL. Archivhandschrift 225) wiedergegeben.
Das geöffnete Grab Adalberos. Zeichnung von P. Koloman Feiner folgung und Verbannung, die Wunder an seinem Grabmal und die seit 600 Jahren dauernde Unversehrtheit seiner irdischen Hülle dessen Heiligkeit wohl hinlänglich bewiesen hätten, ist jedoch unbekannt, bzw. nicht mehr vorhanden. Seitens des Ordinariats in Passau aber gestattete man schon sehr bald die feierliche Erwähnung Adalberos im Brevier und in der Heiligen Messe.^ Abt Severin Blaß (1678 - 1705) be mühte sich ebenfalls sehr um die Beatifikation Adalberos, aber die inzwischen ver stärkt aufgetretene Bedrohung des Reiches durch die Türken verlagerte die Interessen des Vatikans und ließ die Angelegenheit als nicht dringlich erscheinen. Zwar teilte man am 3. Juli 1700 dem Lambacher Abt mit, daß an einer Führung eines Prozesses kein Zweifel mehr herrschen könne und man eine Beschleunigung des Verfahrens durch den Bischof von Passau zu erreichen versuche,®^ doch es blieb lediglich bei die ser Mitteilung. Neuerliche Wunderheilungen berich tete am 6. November 1777 der Kremsmünsterer Pfarrer von Kirchham, P. Wilhelm Schlutizky, an Abt Amand Schickmayr von Lambach (1746 — 1794).^® Der neunzehn jährige Bauerssohn Simon Pühringer, das Töchterchen von Magdalena Wolf und zwei Bäuerinnen genasen durch die Für sprache Adalberos von ihren Leiden. Abt Amand versuchte ebenfalls wie seine Vor gänger, die Beatifikation voranzutreiben, aber die schwierigen politischen Verhält nisse jener Zeit gestatteten kein Gelingen. Von offizieller Seite wurde hingegen sogar verlangt, das Monument Adalberos aus STAL. Schuberband 18. Fasz. AIWI2t 12. De zember 1676. Diese Erlaubnis ist als Kriterium für das später stattfindende Verfahren von Wich tigkeit, da es sich dabei nach kanonischem Recht nur um ein Prozeßverfahren „via extraordinaria Casus excepti seu cultus" handeln konnte, da Adalbero bereits öffentliche Verehrung genoß. Dazu: Anton Retzbach: Das Recht der katholi schen Kirche nach dem Codex luris Canonici. Wien 1959. S. 448ff. Volkstümliche Verehrung wurde Adalbero schon seit dem hohen Mittelal ter zuteil. Seit Abt Wesegrim (1197 — 1204) sind Prozessionen nach Lambach feststellbar, ebenso die Austeilung eines Almosens („Gspend") an Arme und Pilger. Ein literarischer Hinweis auf die Austeilung dieser Spende findet sich bei dem Barockdichter Johannes Beer in seinem Roman von den Kurzweiligen Sommertäg (1683) S. 763: „Besagtes Lambach ist ein schönes und herrli ches Kloster, gestiftet von dem heiligen Adalbe ro, und wird zum Gedächtnis dessen all Jahr ein großes Almosen ausgeteilet". 35 STAL. Schuberband 119, Fasz. C/I/2a 35 ebenda
der Stiftskirche zu entfernen, was tatsäch lich aber erst am 17. November 1789 ge schah.®'^ Bei dieser Gelegenheit wurde das Grab Adalberos geöffnet und die vorge fundene Lage der Gebeine vom bekannten Lambacher Kupferstecher und Lithogra phen P. Koloman Feiner in einer kolorier ten Zeichnung festgehalten. Es blieb dem Linzer Bischof Franz Jo seph Rudigier (1853 — 1884) vorbehalten, in Rom die Aufnahme des Prozesses um die Kanonisation Adalberos zu erreichen, die seitens des päpstlichen Stuhles 1883 er folgte.^® Am 14. November 1883 teilte das Bischöfliche Ordinariat Linz Abt Johann Lasser von Lambach mit, daß das Grab des, „Heiligen Adalbero" unter Beisein einer bischöflichen Kommission zur „Kenntnis nahme der noch vorhandenen Reliquien" zu öffnen sei.®® Das angefertigte Protokoll vom 19. November 1883 beschrieb den Umfang der Reliquien als „vollkommen vorhanden". Die feierliche Erhebung und Beiset zung der Reliquien gestattete das Bischöfli che Ordinariat am 14. Juli 1884. Papst Leo XIII. erließ für diese Feierlichkeiten ein Ablaßbreve.'^® Dieses lautete folgenderma ßen: „Da wie Uns berichtet worden ist, am 14., 15. und 16. des kommenden Monats September in der Abtei-Kirche des Klo sters Lambach in der Diözese Linz die Fei er der Uebertragung der heiligen Ueberreste des hl. Bischofes und Bekenners Adal bero gehalten wird, so verleihen Wir barm herzig im Herrn " Weit über die Grenzen der Diözese Linz hinaus'^^ wurde an diesen drei Tagen das Gedenken an den großen Bischof Adalbero mitgefeiert als Erinnerung an ei nen Mann, der in bewußter Selbstentschei dung kirchliche Rechte und religiöse Uber zeugungen bis zuletzt hochhielt. Conrad Celtis hatte gegen Ende des 15. Jahrhunderts eine Grabinschrift zu Ehren Adalberos verfaßt. „Quicumque has nostrasperegrinustendisadaedes . . . "Eine Übersetzung besorgte 1884 der Lambacher Prior P. Anselm Hohenegger: Fremdling, wer du auch bist, der unsere Mauern betreten, Wissen willst du vielleicht, wen dieses Grabmal wohl birgt? Graf war ich von Lambach, Adalbero ward ich geheißen, Würzburgs Bischof war ich, löblich, gerühmt und geehrt. Aus der Stadt der Franken verjagte mich Heinrich der Kaiser, Weil ich dem Bischof von Rom blieb in Gehorsam treu. Und so war ich gezwungen zu ziehn in die heimischen Lande, Gründete auf dieser Höh dann dieses heilige Stift. Treu bezeugte Wunder umglänzen diesen Ort, Den Kranken, die dort beten, wird er zum Heilesport. Die Abbildungen wurden der Redaktion vom Ver fasser zur Verfügung gestellt. ebenda Die bischöfliche Kurie in Linz ließ die Eingaben durch P. Franz Hochegger, S. J. vorbereiten, der Adalbero als „Sanctus" einreichte. (Ordinariats archiv Linz. Fasz. Neue Feste I/l, 1883). 1936 wurde der Kult Adalberos für die gesamte Diö zese Linz gestattet. STAL. Schuberband 119. Fasz. Cyi/2a. Abt Jo hann Lasser von Lambach teilte seinem Konvent dies am 15. November 1883 schriftlich mit. ebenda. 17. August 1884 Die Kanonisation Adalberos wurde auch in Würzburg in feierlicher Weise begangen, und zwar am 5. u. 6. Oktober 1884.
Die Gründungsgeschichte der Innviertier Künstlergilde Von Elmar Schiffkorn Am 11. November des, Jahres 1923 versammelten sich in Braunau am Inn einige Maler und Architekten unter dem Ehrenvorsitz des damaligen Bezirkshauptmannes von Braunau, Hans von Hammerstein, zur Gründung der „Innviertier Künstlergilde". Die neue Vereinigung bezweckte, ihren Satzungen gemäß, die Förderung der Kunst und aller künstlerischen Belange im Innviertel. Ordentliche Mitglieder konnten alle jene Künstler werden, die ihren Wohnsitz im Innviertel hatten oder dort geboren worden waren. ^ Mitbegründer dieser Künstlergilde waren unter anderen: die Maler Hugo von Preen, Alfred Kubin und Walter Ziegler, sowie der Architekt Richard Fuchner. Ins gesamt waren es bei der Gründung zum überwiegenden Teil bildende Künstler, die der zu Beginn aus zwölf Personen bestehenden Vereinigung beitraten. Zum Ehrenpräsiden ten und ersten Präsidenten der Künstlergilde wurde Hans von Hammerstein gewählt. Zum ersten Obmann der Gilde wurde der damals 70jährige Maler Hugo von Preen^ bestellt. Diesen angesehenen und verdienten Künstler würdigte Hammerstein in einem Aufsatz zu seinem 75. Geburtstag. ^ Schon zu dessen 70. Geburtstag hatte der Dichter Preens Leistungen gewürdigt." Kunst-, Denkmal- und Heimatschutz In dem Aufsatz zu Preens 75. Geburtstag beschreibt Hans von Hammerstein die besondere Beziehung, die zwischen dem Maler und der Stadt Braunau sowie zu dem ge samten Innviertel besteht. Der Maler, mecklenburgischer Abstammung, war, nachdem er an der Münchner Akademie studiert hatte und einige Zeit auf Reisen gewesen war, wieder in sein Geburtshaus nach Osternberg, nahe Braunau, zurückgekehrt. Die von 1 Hans von Hammerstein: Kunst und Schaffen derGegenwart. Die Innviertler Kiinstlergilde. In: Heimatgaue, Linz. 9. Jg. 1928. S. 202 - 206. ^ Hugo von Preen, 1854 - 1941. ^ Hans von Hammerstein: Die Stadt Braunau und ihr Maler Hugo von Preen. In; Jahrbuch der Innviertler Künstlergilde. Braunau - Ried 1931. S. 9 - 18. Hans von Hammerstein: Hugo von Preen. Zu seinem 70. Geburtstag. In: Neue Warte am Inn. Braunau, vom 23. 5. 1924. Nr. 21. S. 1 - 2.
Preen ins Leben gerufene „Ostemberger Künstlerkolonie" wird von Hammerstein aus drücklich gewürdigt. Die neue Innviertier Künstlergilde stehe nämlich bewußt in der Tradition dieser Künstlerkolonie. Sie hatte sich in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts gebildet. Freunde und Kameraden Hugo von Preens an der Münchner Akademie, heute bekannte Maler wie Stuck, Herterich, Becker-Gundahl, Exter, Dürr und Schlitt, hatten sich zur „Ostemberger Künstlerkolonie" zusammengeschlossen. Aus ihr war dann die Münchner Sezession hervorgegangen. Nachdrücklich hebt Hammerstein Hugo von Preens zahlreiche Innviertier Land schaftsskizzen sowie die vielen Stadtansichten von Braunau als wichtige Bilddokumente aus jener Zeit hervor.® Preen sammelte aber auch alle Gegenstände, die für die Heünatgeschichte des Bezirkes bedeutsam waren: Waffen, Skulpturen, Bilder, Möbel, Alraune und Wetter segen, ebenso auch bäuerliche Gerätschaften, die zu einer wichtigen volkskundlichen Quelle wurden. Selbst Häuserfronten, ganze Höfe, Scheunentore und geschnitztes Bal kenwerk hat der Künstler in Skizzen für die Nachwelt festgehalten. Hugo von Preens Ini tiative ist es zu verdanken, daß die Stadt Braunau dessen heimatkundliche Sammlung übernahm, die zum Grundstock eines reichhaltigen Heimatmuseums wurde.® Ein erstes Angebot hatte die Braunauer Stadtverwaltung noch abgelehnt, sodaß das damals neu gegründete Volkskundemuseum in Berlin Preens erste Sammlung erwerben konnte. Man kann heute die Leistungen des Ostemberger Künstlers, der zugleich auch Konservator des Bundesdenkmalamtes war, nicht hoch genug einschätzen. Dank seiner Dokumentations- und Sammeltätigkeit blieb der Nachwelt vieles erhalten, was unter normalen Umständen unwiederbringlich zerstört worden oder in Verlust geraten wäre. Dazu bemerkt Hans von Hammerstein: Doch Preen sah die Dinge nicht nur mit dem registrierenden Auge des Forschers, sondern auch mit dem gestaltenden des Künstlers. Das bewahrte ihn vor spezialisierender Enge und gelehrter Pedanterie und lenkte ihn zu einer Zeit, da man für solche Erscheinungen noch allenthalben mit der Blindheit des fortschrittlichen Jahrhunderts ge schlagen war, auf jene uralte Historie, die in der Bauweise, im Hausrat, in Brauch und Überlieferung, in Lied, Spiel und Sprache des Volkes noch lebendig ist.'' Prominentester Künstler: Alfred Kubin Ein weiteres bedeutendes Gründungsmitglied der Innviertier Künstlergilde, dem Hans von Hammerstein einen Artikel gewidmet hat,® ist Alfred Kubin.® Obwohl schon berühmt, konnte man ihn damals nicht als populären Künstler bezeichnen. Dem Un- ^ Hans von Hammerstein: Die Stadt Braunau und ihr Maler Hugo von Preen. In: Jahrbuch der Innviertler Künstlergilde. Braunau - Ried 1931. S. 15. 6 Ebenda. S. 16. ' Hans von Hammerstein: Die Stadt Braunau und ihr Maler Hugo von Preen. In: Jahrbuch der Innviertler Künstlergilde. Braunau - Ried 1931. S. 16. ° Hans von Hammerstein: Alfred Kubin. In: Jahrbuch der Innviertler Künstlergilde. Braunau - Ried 1930. o. S (S. 7- 16). ^Alfred Kuhin: 1877 (Leitmeritz/Böhmen) - 1959 (Zwickledt/bei Wernstein).
heimlichen und Abgründigen in seinen Darstellungen standen viele Beschauer verständ nislos gegenüber. Hammerstein versucht das Werk Kubins dem Beschauer verständlich zu machen. Auch er entsinnt sich des Schocks, den er beim ersten Anblick von Kubins Zeichnungen erlebte. Die Darstellungen von Phantomen waren es, die Hammerstein zunächst abschreckten, erinnerten sie üin doch an Traumgesichter aus Fieberträumen seiner Kindheit: Gestaltungen des Grauens, so traumhaft-wirklich und so gräßlich-wahr, daß man sie von nun ab nicht mehr los wurde, daß man sie hinter dämmernden Büschen und Mond schatten von Mauern, ja im blendenden Mittag leibhaft sah, daß sie in der Seele aufstiegen, wenn man die sonst so gleichgültig-gewohnte Unglücks- und Skandalchronik der täglichen Zeitung las, weil eben plötzlich dem bis dahin unbildhaften Gefühl eine Gestalt gewiesen war.^° Hammerstein bezeichnet das Grauen, das besonders in den Frühwerken Alfred Kubins zutage tritt, als Symbole der Schrecken unseres Jahrhunderts. Es war die Stimme der Wahrheit, die aus Kubins Bildern sprach: . . . Den alles niedertrampelnden Krieg, den Wegweiser ins graue Elend, das Hungergespenst, das Schicksal, das mit dem Riesenrechen die Menschenmassen von der Rampe kehrt ins schwarze Nichts hinab. Die zweite künstlerische Phase in Alfred Kubins Schaffen folgte, nach Meinung Hans von Hammersteins, als das drohende Herannahen des Krieges sichtbar wurde. In dieser Zeit begann der Künstler sein Schaffen als Illustrator. Zunächst illustrierte er den eigenen Roman „Die andere Seite". Diese zweite Epoche in Alfred Kubins Schaffen be zeichnet Hammerstein als Kunst, uns hinter Wesen und Ding des Alltäglichen zu füh ren.Das Gespenstische hinter dem Gewöhnlichen sichtbar zu machen, ist nun Kubins künstlerische Absicht. So steht hinter den scheinbar beschaulichen Darstellungen - eine Stammtischrunde etwa oder ein behagliches Familienidyll - die andere Seite, die Nacht seite des Lebens: das Böse, der Neid und die Torheit der Menschen werden plötzlich sichtbar gemacht, obwohl Kubin nur natürliche, menschliche Gestalten zeichnet. Alfred Kubin ist für Hans von Hammerstein ein echter Künstler von faszinierender Gedankentiefe. Weder Hohn noch Verachtung führen Kubins Zeichen stift. Es ist das tiefe Wissen um Fehler und Schwächen der Mitmenschen, das den Künstler leitet. So gesehen, ist für Hammerstein der Maler ein volkstümlicher Illustrator. Auch die deutschen Maler des 15. und 16. Jahrhunderts werden heute als volkstümliche Künstler bezeichnet, obwohl ihre Kunst ebenso das Phantastische wie das Realistische besonders stark zum Ausdruck bringt. Hammerstein erinnert in diesem Zusammenhang an Martin Schongauer, Albrecht Dürer, Mathias Grünewald, Albrecht von Altdorfer oder Hans Baidung Grien. Diese Tradition setzt sich in Alfred Kubin fort.^^ Es ist auch die mit seiner Heimat besonders verbundene Kunst der Donauschule, die den Künstler, trotz der zeitlichen Distanz, geprägt hat. Hans von Hammerstein: Alfred Kubin. In: Jahrbuch der Innviertler Künstiergilde. Braunau - Ried 1930. (S. 7). " Ebenda. (S. 8). Vgl. dazu: Zeichnung von Alfred Kubin, die dieser Hans von Hammerstein widmete. Hans von Hammerstein: Alfred Kubin. In: Jahrbuch der Innviertler Künstlergilde. Braunau — Ried 1930. (S. 13).
Auch eine dritte künstlerische Komponente stellt Hammerstein in Alfred Kubins Schaffen fest: Es ist der skurrile Humor, der in vielen Zeichnungen das Grauen über windet. Seiner Umwelt entnimmt er die Gestalten, die ihn zu den Figuren, die er zeich net, inspirieren: . . . immer ist es irgendwie unser Alltag, den er in heimatlichen Sagengestalten uns sinn- und humorvoll verklärt, die Menschheit, die er mitleidig-freundlich ironisiert, die Übermacht des Schicksals und der Natur, die er sinngebend überwältigt^'^ Alfred Kubin ist mit seinem graphischen Oeuvre wohl der bekannteste bildende Künstler der Innviertier Gilde geworden. Walter Ziegler,^® ein weiterer Mitbegründer der Innviertier Künstlergilde, Sohn wohlhabender Eltern, war ebenfalls Maler. Er stammte aus dem Böhmerwald. Zunächst Chemiker, studierte er an der Münchner Kunstakademie und später in Wien graphische Künste. Ziegler zählte zu den Mitgliedern der „Münchner Künstlergenossenschaft" und der berühmten „Allotria". Mit Ignatius Taschner führte er eine Malschule. Walter Zieg ler lebte und arbeitete in Burghausen auf der deutschen Seite der Salzach, wo er das gotische Schlößchen Wanghausen bewohnte. Seine graphischen Arbeiten, insbeson dere seine hohe Kunst im Kupferstich, machten ihn als Künstler aber auch als Lehrer an der Kunstgewerbeschule bekannt. Architektur im Einklang mit der Natur Der vierte Künstler, ein Gründungsmitglied der Innviertier Künstlergilde, ' Richard Puchner,^^ machte sich als Architekt einen Namen. Zu Tarsdorf im Innviertel geboren, studierte er nach abgelegter Baumeisterprüfung an der Technischen Hoch schule in Wien und an der Akademie der bildenden Künste. Nebenbei war er bei der Dombauhütte zu St. Stephan beschäftigt. Bereits vor dem ersten Weltkrieg führte er Restaurierungsarbeiten im Auftrag der Zentralkommission für Denkmalpflege aus. In dieser Funktion leitete Richard Puchner im Auftrage des Thronfolgers Erzherzog Fer dinand den Umbau des kaiserlichen Schlosses Ambras bei Innsbruck. Nach dem Kriege ließ er sich in St. Pantaleon bei Wildshut im Innviertel nieder, wo er eine rege Kulturtätigkeit entfaltete, besonders auf dem Gebiet des Heimatschutzes und der Denkmalpflege. Als Denkmalpfleger war er auch an den zahlreichen Restau rierungsarbeiten vieler Innviertier BCirchen beteiligt. Seine Bauten sowie seine Umbau ten wurden wegen ihrer harmonischen Eingliederung in die umliegende Landschaft be kannt. Hammerstein weiß diese Vorzüge des Architekten anerkennend hervorzuheben: . . . Wenn Richard Puchner baut, so ist es sein Ziel im Werk die Persönlichkeit seines Auftraggebers zum Ausdruck und diesen zugleich mit dem Ausdruck der Land schaft in Einklang zu bringen. Zur Erreichung solcher Ziele läßt er sich keine Mühe verEbenda. (S. 13). 15 Walter Ziegler 1859- 1932. 15 Hans von Hammerstein: Walter Ziegler (gestorben). In: Jahrbuch der Innviertler Künstlergilde, BraunauRied 1933. S. 7 - 8. 1' Hans von Hammerstein: Richard Puchner. Zu seinem 50. Geburtstag. In: Linzer Volksblatt. Linz, vom 24. 3. 1933. Nr. 70. S. 3.
drießen, und es kann vorkommen, daß er wochenlang den Mann, der ein Wohnhaus von ihm wünscht, und die Landschaft, in der es entstehen soll, studiert, ehe er einen Strich am Entwürfe tut.^^ Von den aus dem Innviertel stammenden Malern der Gilde verdienen weiters genannt zu werden: Hammersteins Altersgenosse Wilhelm Dachauer aus Ried im Inn kreis, naturhaft in seinen monumentalen Landschaften und der um neun Jahre jüngere Franz Xaver Weidinger, ebenfalls aus Ried, dem wir ein Porträt Hans von Hammersteins dankend® Was veranlaßte diese Künstler, sich zu einer Gilde zu vereinigen? Jeder von ihnen war doch schon Mitglied großstädtischer Künstlervereinigungen und hatte sich be reits einen Namen in der Kunstwelt gemacht. Bei der Innviertier Künstlergilde handelte es sich also nicht um ein provinzielles, großstadtfernes Dilettantentum. Bereits im Jahre 1928 war die Zahl der ordentlichen Mitglieder auf dreißig angewachsen. Es scheint auch bemerkenswert, daß ein relativ kleiner Landstrich, wie das Inn viertel, eine so große Zahl bedeutender Künstler hervorgebracht hat: Das uralte Kulturland des Inn-, Salzach- und Mattiggaues, das, wie seine schönen Kirchenbauten zeigen, manchen unbekannten Künstler der Gotik und im Barock (die Künstlerfamilien der Zürn und Schwanthaler) hervorgebracht hat, scheint ein besonders schöpferischer Boden zu sein, der Künstler erzeugt und anzieht. Die widrigen Verhältnisse der Nachkriegszeit hatten wohl auch nicht zuletzt zur Gründung der Künstlergilde angeregt.Die materielle Not trieb manche Künstler aus der Stadt auf das Land hinaus, um dort mit bescheideneren Mitteln das Auskommen zu finden. So war beispielsweise der Maler Maximilian Liebenwein wegen drohender finanzieller Sorgen von Wien nach Burghausen gezogen und bayrischer Staatsbürger ge worden. Das Besondere an der Innviertier Künstlergilde lag in dem Gedanken, das Land selbst für die Kunst zu interessieren. Diese Künstlervereinigung nahm daher einen be wußt volkserzieherischen Charakter an. Als Mittel zur Erreichung der Vereinsziele dienten periodische Wanderausstel lungen, Konzerte und Vorträge in den Bezirksstädten und Märkten des Innviertels.22 Wie sehr es der Innviertier Künstlergilde um „das Echte, Ursprüngliche und Wahre" in der Kunst ging, zeigt der erste Aufruf der Gilde an die Öffentlichkeit: „Natur haft, ein jeder er selbst und fromm wollen wir sein". Zweck des Vereines war vor allem die Förderung der Kunst und ihrer Belange im Innviertel sowie die Unterstützung aller Mitglieder in künstlerischer und wirtschaftlicher Weise. Die Gilde wollte, anschließend an die hohe Kunst der Gotik, des Barock und auch Wie Anm. 17. Das Bild befindet sich im Familienbesitz. Hans von Hammerstein: Kunst und Schaffen der Gegenwart. Die Innviertler Künstlergilde. In: Heimat gaue. Linz. 9. Jg. 1928. S. 203, 2'' Hans von Hammerstein: Neue Lebensquellen der Kunst. In: Linzer Volksblatt, Linz, vom 26, 2. 1924. Nr. 47. S. 1 - 2, Satzungen der IKG, In: Jahrbuch der Innviertler Künstlergilde, Braunau-Ried 1927. Anhang. 2® Ebenda.
des Biedermeier, eine Renaissance des deutschen Kunstlebens erreichen. Sie trat vor allem gegen Geschmacklosigkeit und Verflachung auf und wollte die bodenständige, die volkstümliche Kunst fördern.^" Bereits damals verfolgte die Gilde denkmalpflegerische Anliegen. Die Zusam menarbeit der Künstlervereinigung mit dem Heimatschutzverein und dem Bundesdenkmalamt zum Schütze der Kunstdenkmäler und des Landschaftsbildes war in Satzun gen ausdrücklich verankert. Ebenso war auch der Ankauf besonders gefährdeter Kunst werke des Innviertels vorgesehen worden.^s Im ersten Aufruf, einer Gründungsansprache der Innviertier Künstlergilde, äußerte der Ehrenpräsident, Mitbegründer und damalige Präsident der Gilde, Hans von Hammerstein, die Vereinigung wolle nicht besseren, vergangenen Zeiten nachhängen, mögen auch gegenwärtig Politik und Wirtschaft darniederliegen. Jeder möge sein Bestes geben, gleich welcher Richtung, nur müsse gestaltet werden, was wahr ist. Kein Stempel modischer Berechnung dürfe die Gilde prägen.Ein schönes Wahrzeichen, führt Hammerstein aus, sei der prachtvolle Kirchturm von St. Stephan zu Braunau, der vom Grund bis zum Knauf und Kreuz die Entwicklung des Stiles von fünf Jahrhunderten um fasse: Breit, wuchtig, quaderschwer in urdeutscher Erde begründet, himmelstürmend zur Tannenschlankheit als einer der höchsten Türme Deutschlands und Österreichs aufge reckt, über gotische Galerien den barocken Helm frei und heiter in den weiten Himmel des Inngaues mit seinen wunderbaren Luft- und Wolkenstimmungen erhebend, sei dieser Turm unser Programm: eine Politik, die sich ohne Enge vertreten läßt, eine Höhe, die staatlicher Grenzen im Geiste wahrer Kunst nicht achtet, eine Freiheit, die aus dem Stamme bester Überlieferung erwachsend kühn das gute Neue auf das beste Alte zu setzen wagt.^'^ In der Folge zeichnete sich die Innviertier Künstlergilde durch Ausstellungen in allen größeren Ortschaften Oberösterreichs aus. Vortragsveranstaltungen trugen maß geblich dazu bei, die Aufmerksamkeit der Bevölkerung auf die Schönheiten der Land schaft des Innviertels und die erforderliche Pflege ihrer Kunstschätze zu lenken. Als Landschafts- und Denkmalpfleger machte sich besonders Hugo von Preen verdient. Mit dem Amte des Schriftführers der Gilde war der Mattighofener Forstverwalter Karl Hosäus betraut, der die Herausgabe der „Jahrbücher"28, dem Organ der Innviertier Künstlergilde, besorgte und die Gildenmitglieder durch Kurzbiographien in der „Ober österreichischen Tageszeitung" der Öffentlichkeit bekannt machte. Hans von Hammerstein, den damaligen Bezirkshauptmann von Braunau, kann man als Mentor und Sprachrohr der Gilde bezeichnen. Er leitete jede Eröffnung einer Gildenausstellung mit einer programmatischen Rede ein, in welcher er die Grundsätze der Innviertier Künstlergilde erläuterte, darüberhinaus aber zu Fragen der Kunst und deren gegenwärtigen Erscheinungsformen Stellung bezog. 2" Ebenda. 25 Wie Anm. 22. 25 Ebenda. 2^ Hans von Hammerstein: Aufruf. Anläßlich der Gründung der IKG. In: Jahrbuch der Innviertier Künstler gilde. Braunau - Ried 1934. o. S. ebenso 1963/64. o. S. (S. 5 - 6). 28 Jahrbuch der Innviertier Künstlergilde. Erschien jährlich von 1924 bis 1933, wurde danach eingestellt, ab 1958 wieder erschienen.
Hilfe zur Selbsthilfe Einige dieser Reden sind erhalten geblieben, da sie in Tageszeitungen zur Gänze wiedergegeben wurden. Darin tritt uns Hammerstein als tiefgründiger Kulturtheoretiker entgegen. Jede seiner Reden verrät den Dichter und dessen außergewöhnliche Per sönlichkeit. In einer Zeit, da staatliche Kunstförderung noch ziemlich ungebräuchlich war, griff Hans von Hammerstein als Präsident der Gilde durch Ausstellungen der Mitglieder zur Selbsthilfe. Alle Veranstaltungen der Gilde besaßen hohes Niveau und bewirkten eine starke künstlerische Ausstrahlung. In einer Übersicht über sechs Jahre Innviertier Künstlergilde,zieht Hans von Hammerstein das Resümee über die mannigfaltigen Tätigkeiten der Vereinigung. Seit ihrem Bestehen hatte die Künstlergilde bis zum Jahre 1929 siebzehn Ausstellungen, davon zwölf in Oberösterreich und drei im übrigen Österreich, zwei in Deutschland, da von je eine in Bayern, die andere in Braunschweig, abgehalten. Über 10.000 Besucher sahen diese Ausstellungen. Den Künstlern wurden hohe Ehrungen zuteil. Sechs Staatspreise und weitere sechs von Körperschaften gestiftete Aus zeichnungen wurden den in der Gilde vereinigten Künstlern allein bis zum Jahre 1927 ver liehen. Neben den siebzehn Ausstellungen veranstaltete die Gilde acht literarische und musikalische Vortragsabende. Bei diesen Veranstaltungen lasen Hans von Hammer stein, Richard Billinger, Gustav von Festenberg und Arthur Fischer-Colbrie, um die be kanntesten Dichter der Gilde zu nennen, aus eigenen Werken. Billinger^o, Prototyp eines Innviertiers, mit den Jahreszeiten der Natur wie mit urwüchsigem Brauchtum verbunden, war schon mit frühen Gedichten „Lob Gottes" und „Über die Äcker" bekannt geworden. Sie hatten ihm 1924 den Literaturpreis der Stadt Wien eingetragen. Die Tänzerin Grete Wiesenthal entdeckte in Billinger den Dramatiker. Die mystisch-erdhafte bäuerliche Welt des Innviertels tritt uns in den Ge stalten seiner Dramen, wie des „Perchtenspieles" (1928), der „Rauhnacht" (1931) und der „Rosse" (1931) entgegen. Hammersteins Freund, Gustav von Festenberg, trat erst verhältnismäßig spät mit seinem Romanerstling „Das stille Tal" (1937) an die Öffentlichkeit. Die 1931 erschie nene Erzählung „Dosi" reiht sich den Kindheitsdichtungen der deutschen Literaten würdig ein. Sie spiegelt die Kultur einer altösterreichischen öffiziersfamilie wider. Meisterhaft komponiert ist sein Roman „Ein Tag wie alle" (1939), worin Festenberg den österreichischen Beamtenalltag schildert. „Das Buch vom Tanz" und „Die Pantomime der Fächer" waren'allerdings schon 1920 und 1921 erschienen. Hans von Hammerstein: Sechs Jahre IKG. In: Jahrbuch der Innviertler Künstlergilde. Braunau - Ried 1930. S. 55 -56. Vgl. dazu: Hans von Hammerstein: Gedichte und Dichter. In: Linzer Tagespost. Linz, vom 31. 5. 1925. Nr. 123. S. 13. - Dasselbe in: Der Wächter. Wien - Graz - München. 10. Jg. 1928. S. 169 - 171. Vgl. dazu: Hans von Hammerstein: Ein Bauemdichter - Richard Billinger. In: Der Wächter. Wien — Graz — München. 9. Jg. 1926/27. 8. 199 — 201.
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