Unser Geschichtsbild - ein Bild unserer Geschichte? Weltanschauungen, Ideologien und selbst kurzfristig wirksame Einstellungen sind in historischen Perspektiven veran kert, die gegenwärtige Ansichten stützen und dementsprechendes Verhalten recht fertigen. In allen Konfliktsituationen beru fen sich daher die einander gegenüber stehenden Gegner auf Bilder der Ver gangenheit, in denen die Splitter in den Augen der Gegner die Balken in den eigenen überschatten. Die profilierte Selbstgerechtigkeit militanter Extre misten beruht immer auf einfachen und kristallklaren Bildern der Vergangenheit, die den kompromißlosen Einsatz für ein fache und kristallklare Ziele und Zu kunftsvisionen motivieren. Es ist bekanntlich für totalitäre Re gimes charakteristisch, daß sie in ihrem Machtbereich Geschichtsbilder soweit als möglich den jeweiligen politischen Erfor dernissen anpassen und bei unerwarteten Schwenkungen und Umstellungen ihre Unfehlbarkeit durch entsprechende Kor rekturen der Geschichtsbilder bestätigen. Das Motiv für die ständige Anpassung von Geschichtsbildern zum Zweck der Bestäti gung der Unfehlbarkeit des Regimes wird von George Orwell in seinem Werk „1984" eingehend behandelt und auf die Einsicht zurückgeführt, daß eine Kon trolle der Zukunft eine Kontrolle der Ver gangenheit durch dementsprechende Prä gung des Vergangenheitsbewußtseins in der Gegenwart vorausgesetzt.® Geschichte hat in unserer Gesell schaft drei Funktionen zu erfüllen: 1. Sie ist unentbehrliche Gedächtnisstütze für alle 2. Sie ist kollektives und wissenschaftlich nachprüfbares Gedächtnis der Bürger eines Staates - ist durch Vernunft und Erkenntnis gesiebte Erinnerung 3. Sie bewirkt historisches Lernen, also Begegnung mit Gewesenem.^® So verstanden - und wie das auch im vorliegenden „Braunauer Album" deutlich wird - kommt der Geschichte als Inhalt je der dynamischen und zukunftsorientierten Bildungs- und Kulturarbeit ein ganz beson derer Stellenwert zu. „Reisen in die Vergangenheit" zum Entdecken der eigenen Geschichte seien daher mit Nachdruck empfohlen. Die Ahhiiciungen stammen aus dem „Braunauer Album". Max EitzImayr: Braunauer Album. I. Teil, Bilder und Texte aus Vergangenheit und Gegenwart. Braunau: Landesverlag-Druck 1985. 228 Seiten und 360 Bilder. S 380,-. ® Simon: Splitter und Balken. Dazu: Karl Heinz Ruffmann: Auf der Suche nach Identität. Aufgaben und Schwierigkeiten der Geschichte im geteilten Deutschland. In: Lessing-Fischer. S. 37ff.
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