OÖ. Heimatblätter 1986, 40. Jahrgang, Heft 1

ID R Heftl m Ii i 1

'1 r OBEROSTERREICHISCHE-r-, 40. Jahrgang 1986 Heft 1 Herausgegeben vom Landesinstitut für Volksbildung und Heimatpflege in Oberösterreich Fr. Reinhold Dessl OCist und Bernhard Prokisch Ein Oberösterreicher in Dachau und Buchenwald Der Bericht des Pfarrvikars von Gramastetten P. Konrad Just OCist über seine Inhaftierung 1938 - 1945 Hermann Scheuringer Von der Sprache des Pöbels zur dialektalen Variabilität Eine kommentierte Bibliographie zur oberösterreichischen Dialektforschung Willi Weinert Zu den Versuchen der Errichtung einer Technischen Hochschule in Linz (unter besonderer Berücksichtigung des Zeitraums 1938 - 1945) Aldemar W. M. Schiffkorn Eine Reise in die Vergangenheit zum Entdecken der eigenen Geschichte Für ein neues Geschichtsbild von Braunau am Inn Gustav Otruba Die Maultrommeln und ihre Erzeugung zu Mölln Von der Zunft zur Werkgenossenschaft Carl Hans Watzinger Die seltsame Lebensgeschichte von Franz Karl Cura, Hofkaminkehrermeister und Bürger der Stadt Burghausen Buchbesprechungen

Medieninhaber: Land Oberösterreich Herausgeber: Landesinstitut für Volksbildung und Heimatpflege in Oberösterreich. Leiter: W. Hofrat Dr. phil. Dietmar Assmann Zuschriften (Manuskripte, Besprechungsexempla re) und Bestellungen sind zu richten an den Schrift leiter der OÖ. Heimatblätter: Wiss. Oberrat Dr. phil. Aldemar W. M. Schiffkorn, Landesinstitut für Volksbildung und Heimatpflege in OÖ., 4020 Linz, Landstraße 31 (Landeskultur zentrum Ursulinenhof), Tel. (0 73 2) 27 05 17 0* Jahresabonnement (4 Hefte) S 160,- (inkl. 10% MwSt.) Hersteller: Buch- + Offsetdruck Friedrich Karrer, 4020 Linz, Reslweg 3 Für den Inhalt der einzelnen Beiträge zeichnet der jeweilige Verfasser verantwortlich Alle Rechte vorbehalten Für unverlangt eingesandte Manuskripte über nimmt die Schriftleitung keine Haftung Mitarbeiter cand. phil. Peter Assmann, Frau-Hitt-Straße 14, 6020 Innsbruck Fr. Reinhold Dessl OCist, Stift Wilhering, 4073 Wilhering Akad. Maler Prof. Fritz Feichtinger Finkstraße 2, 4040 Linz Univ.-Prof. Dr. Gustav Otruba, Institut für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der Universität Linz, 4045 Linz Dr. Bernhard Prokisch, Christian Coulinstraße 5, 4020 Linz Dr. Hermann Scheuringer, Institut für Germanistik an der Universität Wien, Liebiggasse 5, 1010 Wien Mag. Elisabeth Schiffkom, Akaziengang 8, 4040 Puchenau Prof. h.c. Carl Hans Watzinger, Tungassingerstraße 38, 4020 Linz Dr. Willi Weinert, Grinzingerstraße 145/2/70, 1190 Wien ISBN 3-85-393-036-0 Titelbild Maultrommelspielender Hofnarr. Detail aus dem Blatt „Die Narren" der Holzschnittfolge „Triumphzug des Kaisers Maximilian" von Hans Burgkmayr, um 1515. Bildarchiv des Österreichischen Museums für Volkskunde, Wien Foto: Lichtbildwerkstätte Alpenland, Wien

Ein Oberösterreicher in Dachau und Buchenwald Der Bericht des Pfarrvikars von Gramastetten F. Konrad Just OCist über seine Inhaftierung 1938 -1945 Von Fr. Reinhold Dessl OCist und Bernhard Prokisch Wenn hier mit dem Bericht des Pfarrvikars von Gramastetten, des Wilheringer Zisterziensers P. Konrad Just, über seine Inhaftierung in den Konzentrations lagern Dachau und Buchenwald ein bislang unbekanntes Dokument zur Zeitgeschich te Oberösterreichs vorgelegt wird, scheint es dienlich, einige Anmerkungen allgemei ner Art voranzustellen. Es liegt nicht in der Intention der Verfasser, mit der Publika tion von Schilderungen von solch negativer Dimension wie auch immer geartete ideo logische Positionen einzunehmen oder auch nur mit dem Hochmut der Nachgebo renen den Finger auf kaum verheilte Wun den zu legen. Was uns bewog, die Erlebnis se Justs einer breiten Öffentlichkeit zu gänglich zu machen, war die Unmittelbar keit, die von den einfachen, oft primitiv an mutenden Sätzen mit ihrem unfaßbaren In halt ausgeht. Sie vermitteln Betroffenheit, nicht zuletzt durch die ausgeprägte Subjek tivität der Erlebniswelt Justs, der trotz der unbezweifelbaren Radikalität seiner Per sönlichkeitsstruktur - die biographischen Details geben hierüber reichlich Aufschluß - dennoch eine „Normalerscheinung" blieb: das allein gemäß seinem „Gewissen" handelnde, mit keinem öffentlichen Man dat ausgestattete Individuum im Konflikt mit einer als verwerflich erkannten, in christlichem Sinn mit dem „Bösen" gleich gesetzten Ideologie. So wird der Bericht Konrad Justs neben seiner zeitgeschichtli chen Dimension, die zu beurteilen. Berufe neren überlassen bleibt, zu einem Zeugnis menschlichen Leidens und menschlicher Leidensfähigkeit; als solches mögen Justs, Worte verstanden werden. Just (2. V. rechts) im KZ Dachau beim sog. „Tüten kommando" Der zurückgekehrte Geistliche schrieb seine Erlebnisse in der Chronik der Pfarre Gramastetten nieder, die Hand schrift zeugt von der Intensität der Er innerung, sie wird an den entsprechenden Stellen zur kaum lesbaren, nervösen No tation des Schrecklichen. P. Konrad über ging den Text zu einem späteren Zeit punkt nochmals und fügte weitere kurze Textstellen (v. a. in den Randbemerkun gen) ein; die möglichst getreue Übertra gung der handschriftlichen Fassung in den Druck, die auf alle Korrekturen des Ori ginals verzichtet, nimmt auch diese späte ren Zusätze auf. Einige biographische

Notizen zu P. Konrad Just sollen den Leser mit der Persönlichkeit des Geistlichen näher bekannt machen. Biographische Notizen Pfarrer Konrad Just^ von Gramastetten ist vor allem durch die vielen Anekdoten be kannt, die von seiner Originalität erzählen.2 Durch die Veröffentlichung dieser Pfarrchronikaufzeichnungen über seine Just auf seinem Traktor, mit dem er auch Gäste und Mitbrüder beförderte (hier mit dem Pfarrer von Zwettl, P. Ambros Ganglberger). KZ-Erlebnisse soll ein Abschnitt seines Lebens zugänghch gemacht werden, der vielleicht weniger bekannt ist. Konrad Just hat sich zeit seines Le bens nie ein Blatt vor den Mund genom men und keinen Menschen gefürchtet.^ Von Anfang an war er ein erklärter Feind des Nationalsozialismus und hat ihn vor dem Einmarsch Hitlers in Österreich als eine der katholischen Kirche feindliche Bewegung und Weltanschauung in Pre digten und privaten Gespräehen ange prangert, was der kleinen nationalsozia listischen Clique in Gramastetten ein Dom im Auge war. Fleißig sammelte man NS-feindliche Aussprüche von ihm für eine spätere Anklage. Nach dem Ein marsch der deutschen Tmppen wurde P. Konrad das erste Opfer des National- ' Es handelt sich hier um keine vollständige Bio graphie, sondern um ein Charakterbild, wie es dem Verfasser vor allem auch durch die Schil derungen seiner Mitbrüder vermittelt wurde. Als Quellen standen zur Verfügung: Pfarrchronik Gramastetten. I. Teil. 1878 - 1948 (S. 193 ff.). - Über 100 KZ-Briefe P. Konrads und andere Briefe. Pfarrarchiv Gramastetten. - Profeßkatalog. Stiftsarchiv Wilhering. Literatur: Paulus Nimmervoll: Die Schicksale des Zister zienserstiftes Wilhering während der Zeit des Nationalsozialismus 1938 — 1945. Kirchenge schichtliche Diplomarbeit. Linz 1970. S. 4 f., S. 82 f. (zum Teil abgedruckt im 60. Jahresbe richt des Stiftsgymnasiums Wilhering 1969/70). Johann Mittendorfer: Oberösterreichische Prie ster in Gefängnissen und Konzentrationslagern zur Zeit des Nationalsozialismus (1938 - 1945). Kirchengeschichtliche Diplomarbeit, Linz 1976 (abgedruckt im 72. und 73. Jahresbericht des Bischöflichen Gymnasiums Kollegium Petrinum 1975/76 und 1976/77. Kurzbiographie von Kon rad Just mit weiteren Literaturangaben im Jah resbericht 1976/77. S. 60 f.) 2 Die bekannteste Anekdote ist wohl die: P. Kon rad fuhr in Linz mit seinem Traktor bei Rot über die Kreuzung und wurde von einem Polizisten angehalten und gefragt: „Herr Pfarrer, warum halten Sie sich nicht an die Verkehrsvorschrif ten?" Worauf ihm P. Just prompt die Gegen frage stellte: „Halten Sie immer die Zehn Gebo te?" Diese und andere Anekdoten um Pfarrer Just im Jahrbuch der Diözese Linz 1980. S. 213 f. ^ Während seines Theologiestudiums in der Zister zienserabtei Mehrerau soll es Konrad Just mit den dort gepflegten strengen monastischen Sitten nicht sehr genau genommen haben. Sein ehema liger Professor P. Leonhard schrieb ihm zur Primiz: „Offen gestanden, Sie waren zeit Ihres Hier seins zwar nicht der regulärste, mir aber der liebste von den auswärtigen Klerikern, u. das einfach, weil sie eine ehrliche Haut sind." (Pfarrarchiv Gramastetten)

Sozialismus im Stift Wilhering.'* Noch am Tag der Annexion, dem 12. März 1938, wurde er in Gramastetten verhaftet und ins Bezirksgericht Ottensheim eingelie fert, nach langen Verhören am nächsten Tag aber wieder freigelassen. Er durfte allerdings nicht mehr nach Gramastetten zurück, sondern mußte sich in seinem Hei matkloster dauernd der Polizei zur Ver fügung halten. Am 16. März wurde er offi ziell seines Kooperatorpostens in Grama stetten enthoben. Am 25. März war eine Gramastettner Nazidelegation beim grei sen Abt Gabriel Fazeny (1915 - 1938) in Wilhering, die ihm deutlich machte. Just hätte für den Fall, daß er in Gramastetten noch einmal gesehen würde, mit der Ver haftung und dem Abtransport nach Da chau zu rechnen. Inzwischen sammelte man in Gramastetten weiter Material gegen Just und schreckte nicht einmal davor zurück, Schulkinder zu verhören. Am 10. Jum 1938 wurde er endgültig ver haftet und von Wilhering in das Polizei gefängnis Linz gebracht.® Die Überstel lung nach Dachau erfolgte am 25. Juli * Insgesamt wurden 9 Patres inhaftiert; Abt Dr. Bernhard Burgstaller starb am 1. 11. 1941 an Hunger im Zuchthaus Anrath bei Krefeld im Rheinland; das Stift war vom 16. 11. 1940 bis Kriegsende aufgehoben (vgl. Nimmervoll, a.a.O.) ® F. Robert Kepplinger (Pfarrer in Gramastetten von 1913 bis zu seiner von den Nazis erzwungenen Absetzung am 16. Juni 1938) schrieb in die Pfarr chronik: „Um den 10. Juni wurde P. Konrad wie der in das Gefangenenhaus in Linz eingeliefert u. in strenger Haft gehalten. Ob er in das Konzen trationslager kommt, ist noch ungewiß. In der An klage heißt es, daß die Pfarrbevölkerung wün sche, daß P. Konrad nach Dachau komme, auch seien seine Predigten von den Leuten gemieden worden. Gerade das Gegenteil ist wahr. Und erst jetzt kann man allgemein hören, was P. Konrad vom Nationalsozialismus gesagt hat, das ist genau eingetroffen." (Pfarrchronik. S. 196) I Jusr (4. V. rechts) im Kreise ehemaliger Mithäftlinge zusammen mit Landeshauptmann Dr. Heinrich Gleißner.

1938.® Damit begann sein siebenjähriger Leidensweg, der ihn nach Dachau und Buchenwald führte und erst mit der Be freiungsaktion am 30. 4. 1945 enden soll te. Nach anfänglich sehr grausamer Be handlung^ wurde ihm nach der Rückkehr von Buchenwald nach Dachau am 7. 12. 1940 mit der Zuteilung zum sogenannten „Tütenkommando"® eine gewisse Erleich terung zuteil. Unerschütterliche Glau benstreue, unbeugsamer Wille und seine unverwüstliche Natur ließen ihn Dachau und Buchenwald überleben. Sehr viel Kraft schöpfte er aus der brieflichen Ver bindung mit der Heimat. Er konnte da durch für wenige Augenblicke dem KZAlltag entfliehen und im Geiste am Leben seiner Eltern und Geschwister teilneh men. Seine Briefe geben Zeugnis von der Sorge um jeden einzelnen und besonders auch um das Schicksal seiner Mitbrüder aus dem inzwischen aufgehobenen Stift. An dem nach Gramastetten heimge kehrten P. Konrad Just war der Eindruck der Schrecken und Grauen des Konzen trationslagers sicher nicht spurlos vor übergegangen. Er, der Zeuge solchen Un rechts geworden war, wurde noch sensib ler für das kleinste Unrecht und konnte sein von Natur aus kämpferisches Tempe rament selten zügeln. Zugleich war er von einer sehr innigen Frömmigkeit beseelt, die sich besonders in einer inbrünstigen Liebe zur Muttergottes von Fatima und einer hohen Wertschätzung des Meß opfers und des Gebets ausdrückte. Pfarrer Just segnete gerne und konnte auch fürch terlich fluchen. Er wird als niveauvoller Prediger geschildert, dessen Predigten sich aber auch zu unvorstellbaren Wutausbrü chen entwickeln konnten. Mit Behörden, geistlichen und weltlichen Vorgesetzten lag er grundsätzlich im Kampf, konnte Just beim Segnen aber zu armen, einfachen Leuten sehr zu vorkommend und mildtätig sein.® Auch mit Kaplänen und Köchinnen führte er an dauernd Krieg, sodaß es kaum jemand länger bei ihm aushielt. Just konnte sehr zornig werden und ist mit den Leuten oft ® Mittendorfer gibt fälschlich den 25. Juni 1938 an. ^ Die 49 Tage Dunkelhaft waren die Folge einer Denunziation wegen Politisierens. (Nimmervoll. a. a. O. S. 82) ® Es war dies ein Vorzugsplatz für Priester, ein be neideter Arbeitsplatz für Dachauer Verhältnisse. Diese kleine Gruppe von Priestern mußte die Pa piertüten für den ganzen Arbeitsbereich kleben. Da zeitweise ein Bischof unter ihnen war, nannte man sie auch das „Dachauer Domkapitel". P. Johannes Lenz, ein Mitarbeiter im „Tüten kommando", bezeichnete P. Konrad Just als „originelle Kampfnatur und unermüdlichen Ar beiter". {P. Johannes Lenz: Christus in Dachau. Wien 1956. S. 251) ® So wird erzählt, daß Just regelmäßig Sägespäne aus dem Stiftssägewerk nach Gramastetten trans portierte, um sie an arme Leute als Heizmaterial auszuteilen. Einmal soll er sogar einige Festmeter Brennholz für ein armes Ehepaar aus dem Stifts forst gestohlen haben und einen Zettel hinter lassen haben mit der Aufschrift: „Nicht gestohlen, sondern organisiert. Just."

\'V Just als Don Camilla im „Mühlviertier Boten " nicht gerade zimperlich umgegangen.^" Er war ein äußerst belesener und gebildeter Mann, der aber zugleich die einfache Arbeit liebte und mit Leib und Seele Bauer war. Wenn er in seiner schäbigen Arbeitskleidung den Mistdünger mit sei nem Traktor auf die Felder fuhr, hätte man ihn für den Knecht des Pfarrers halten können (was auch tatsächlich geschehen ist). Pfarrer Konrad Just hat nicht viel aus seiner Person gemacht. Es ging ihm nicht um Ruhm und Anerkennung, sondern um den schonungslosen Kampf für das, was er der Wahrheit und Gerechtigkeit schuldig zu sein glaubte und wofür er auch bereit war, Opfer zu bringen. Daß er selbst unter seinem Wahrheits- und Redlichkeitsfana tismus oft und schmerzlich gelitten hat, können viele Mitbrüder bezeugen, die ihn gekannt haben. Josef Just wurde am 19. 3. 1902 in Hruschau in Schlesien als Kind einer Ei senbahnerfamilie geboren. Nach dem Zu sammenbruch der Monarchie wanderte die Familie 1919 nach Walding in Ober österreich aus. Just beendete 1921 seine in Schlesien begonnenen Gjmmasialstudien in Linz, trat am 19. August 1921 in das Zisterzienserstift Wilhering ein und erhielt den Ordensnamen Konrad. Das Theolo giestudium absolvierte er in den Haus lehranstalten der Stifte Mehrerau und St. Florian. Am 20.8.1925 verband er sich in der Feierlichen Profeß für immer mit dem Stift Wilhering. Im Jahr darauf wurde er am 29. Juni zum Priester geweiht, feierte Primiz in Walding und trat am 16.10.1926 seinen Dienst als Kooperator in der Pfarre Gramastetten an, die abgesehen von der siebenjährigen Unterbrechung durch die KZ-Haft sein einziger Seelsorgsposten blieb. Nach der Rückkehr aus dem KZ war er Provisor und wurde dann am 6. 10. 1946 feierlich als Pfarrvikar installiert. Gestorben ist er am 22. 10. 1964 nach einem Schlaganfall beim Singen der Oration der Messe zu Ehren der Gottesmutter Maria, die er sosehr verehrt hatte. Einem Bauern, dessen Hühner auf den frisch be stellten Acker des Pfarrers hinüberwechselten, versetzte Just einmal eine kräftige Ohrfeige. Der „Mühlviertier Bote" griff diese Begebenheit auf und brachte sie am 11. Juli 1953 auf dem Titel blatt mit einer Karikatur unter dem Titel „Es war vielleicht der Don Camillo", ohne P. Konrad aus drücklich zu nennen, aber so, daß sich jeder aus kannte. (Auch am 16. Dezember 1952 sorgte Just für eine Schlagzeile und eine Karikatur im „Mühlviertler Boten". Diesmal machte man sich unter dem Ti tel „Bestrafte Neugier. Das rasende Butterfaß" über mangelndes technisches Können P. Justs lustig.) Die Auseinandersetzung Konrad Justs mit Ing. Rudolf Pitrovsky anläßlich der Errichtung eines FKK-Bades in Gramastetten, die zum Kirchen austritt Pitrovskys führte, hat sich in dem Artikel „Landpfarrer schreibt an Bundeskanzler und for dert ein Verbot der FKK im Mühlviertel" (Der Sonnenmensch Helios. Nr. 95. 1961. S. 4 f) nie dergeschlagen. " Traktorfahrend hat Konrad Just auch in die Li teratur Eingang gefunden, nämlich als „Pater Ka jetan, der Karrer von Pirkham", in dem Roman von Fritz Flabeck: Der Piber. Wien - Hamburg 1965. S. 262 ff.

Sein Bericht^ ^ 1. Sept. 1945 Pfarrübernahme als Pfarrprovisor P. Just Konrad 1938-1945 Dachau Buchenwald Leidenszeit KZmarter geschlagen Dunkelhaft Besondere Foltern Nachtstehen Strafkompanie am Ende ihrer Kraft Buchenwald Ruhrkrank am Rande des Grabes Hunger Folgen des Hungers Am 1. September übernahm ich die Pfarrei als Pfarrpro visor. Vom Jahre 1938, 10. Juni bis 30. April 1945 hielten mich die Fesseln des 3. Reiches in den Konzentrationslagern Dachau, Buchenwald und zuvor in Polizeihaft Linz fest. Mein Leidens weg kurz umrissen: 10. Juni -25. Juli 1938 Polizeihaft Linz. 25. Juli 1938 bis 28. September 1939 Dachau. 27. Sept. 1939 bis 6. Dezember 1940 Buchenwald, 7. Dez. 1940 bis 26. April 1945 Dachau. 26. April 1945 - 30. April auf dem Totenmarsch nach dem Ötztal. Am 30. April 1945 durch Jesuitenkleriker Kreis und den kurz zuvor befreiten P. Otto Pies S.J. befreit. Vom 25. Juli 1938 - 25. August hatte ich Einzelhaft im Arrest (Bunker) zu Dachau. Vom 15. Oktober-2. Dez. 1938, also 7 Wochen Dun kelhaft. Am 19. Oktober 1938 bekam ich die gefürchteten 25, an solchen Schlägen starben auch Leute oder wurden die Nieren abgebaut. Während der 7 Wochen Dunkelhaft bekam ich nur jeden 4. Tag etwas zu essen, hatte hartes Lager. Auch frohr ent setzlich. Keine Decken! In Buchenwald hatte ich die Ruhr vom 1. Nov. - 18. Nov. 1939. Am 23. Jänner 1939 war ich in der Kiesgrube in Da chau bereits ohnmächtig zusammengebrochen. In der Nacht vom 23. Jänner 1939 auf den 24. Jänner standen wir (das ganze Lager) und den Tag darauf bis abends, weil ein Häftling (Übrig, ein Rotspanienkämpfer) geflohen war. Solche Nachtstehereien machte ich im ganzen 3 mit. Das kostete vielen Häftlingen das Leben und ungezählten die Gesundheit. Der Gesundheitszu stand im Strafblock Dachau war schon im Frühjahr 1939 so ge schwächt, daß der Zug der 1000 Häftlinge einem Leichenzuge glich. Es brach die Ruhr aus. Dann wurde es etwas besser. Wir kamen Ende 39 nach Buchenwald. Vom Regen in die Traufe. Zustände aller Beschreibung spottend. Wieder brach die Hun gerruhr aus. Auch mich befiel sie. Vom 1. -18. November 1939 lag ich im Revier (Spital). 160 Pulsschläge. Die Grenze des Er träglichen war erreicht. Ich kam aber, wie ein Wunder war es, wieder auf. Als ich genesen war (was überhaupt in Buchenwald schon Genesung war!) kam ich gerade zu einer drastischen Hun gerkur im Lager zurecht. 8 Tage lang bekam das Lager nichts zum Essen. Nur am 4. Tage sah man sich notgedrungen veran laßt, den Häftlingen etwas Brot zu geben, sonst wären alle draufgegangen. Das Hungern war einer angeblich gestohlenen Sau wegen angeordnet worden. Die Folgen unter den Häftlin gen waren entsetzlich. Buchenwald war fürchterlich, die Schüs se saßen sehr locker. Mit Prügeln wurden die Häftlinge traktiert. In: Pfarrchronik Gramastetten I. Teil 1878 - 1948, S. 210ff.

viele zu Tode gedroschen. Bekleidung war mangelhaft. Essen unterm Hund. Am 6. Dez. 1940 kamen alle Priester aus Buchen wald fort, nach Dachau. Am 7. Dez. 1940 abends kamen wir an. Der Empfang: Fußtritte. Wir sollten in Dachau eine Kapelle be kommen. Anfangs wurde alles sabotiert. Endlich am 21. Jäner 1941 erster Kirchgang. Noch keine eigentliche Messe, da der Be fehl zur Messe zu spät gegeben, keine Vorbereitungen hatten getroffen werden können. Am 22. Jäner 1941 erste hl. Messe in Dachau. Von da ab hatten wir bis zum Schluß Tag für Tag das hl. Meßopfer. Der Herrgott hatte uns nicht verlassen. Wie dankten wir Ihm dies! Unser tägliches Gebet, unsere ganze Sorge galt nur dem einen: Herr erhalte uns die Kapelle. Und der Herr war und blieb bei uns. Ja sogar noch auf dem sogenannten „Todesmarsch ins Ötztal" hinein, auf den auch mich das Schicksal geworfen hatte, war der Heiland in der hl. Eucharistie mit uns. Im Walde von Tegerndorf bei Wolfratshausen in der Nähe des Starenbergersees erhielt ich aus der Hand des Hochw. Herrn Pf. Steiner Heinrich (Mesner in Dachau) jetzt wieder Pfarrer von Steinerkirchen bei Kematen die hl. Kommunion. In der Nacht vom 29. auf 30. April 1945 schlug die Befreiungsstunde. Doch zuvor noch Eini ges vom Kreuzweg, den wir im Lager zu gehen hatten. In Da chau zunächst viel Hunger, Schläge, Schikanen. 1943 am 26. Jä ner kam ich Bauchtyphuskrank ins Revier. Lag dort bis 15. Juli 1943. Hatte Bauchtyphus in schwerster Form. Bewußtseinsstö rungen bis zu völliger Bewußtlosigkeit bis zum 13. Mai. Puls meist 140. Fieber um 40 °. Fieber hatte ich durch 80 Tage. Dr. Blaha, später Zeuge im Dachauer und Nürnberger Prozeß gab mir nur noch 6 Tage Entscheidungszeit. Er erklärte, mein Herz wäre nur mehr ein Waschhader. Im Priesterblock wurde viel für mich gebetet, besonders zur kleinen hl. Theresia. Wie ein Wun der war es, daß ich auch von dieser schweren Krankheit genas. Viele Häftlinge auch Priester erlagen dieser tückischen Epide mie. Eine Rettung waren für uns die Lebensmittelpakete, die endlich erlaubt wurden. So konnten wir und auch ich mich doch wieder erholen. An den Folgen des Typhus (wassersüchtiges rechtes Bein) hatte ich über ein Jahr lang zu leiden. Auch hohe Pulsfrequenz trat immer wieder ein. Nach 7 Leidensjahren sonder gleichen schlug endlich im Jahr 1945 die Stunde der Erlösung. Ich und 18 Priesterkamera den, darunter die österreichischen Priesterkameraden: Franz Mayr, Pfarrer in Gutau, Anton Burger aus Niederösterreich, Alexander Seewald, Pf. von Mürzsteg in Steiermark, Neuhold Karl aus Steiermark, Sindler Alois, Pfarrer aus Steiermark, Alois Mayer aus dem Stifte Schlegl, Auer Gottfried, wurden aus dem Walde bei Tegemdorf durch ein kühnes Husarenstück eiNichts zum Essen, mangelnde Beklei dung Kälte Wieder Dachau 21. Jäner 1941 1. hl. Messe Kapelle in Dachau Christus zieht im KZ ein Todesmarsch nach dem Ötztal Tegemdorf 30. IV. 1945 Befrei ungsstund e schlägt Bauchtyphus Ärgste Lebensgefahr Dem Tode nahe In Todesgefahr Rettung in entschei dender Stunde Folgen des Typhus Österreichische Geist liche wurden befreit Befreiung

Providentia divina! In Freiheit Amerikaner kommen Am 1. Mai alle befreit Wakirchen letzter Zufluchtsort Erholung in Percha am Starenbergersee 5. Juli 1945 über Freilaßing heim nach Österreich Schwierigkeit der Heimreise Pfarrer von Herberts hausen geht unsretwegen in den Tod Pfarrer Garsteger Andreas opfert sein Leben. Das 1. Meßopfer auf heimatl. Boden. Liefering Warme Anteilnahme des Volkes nes Jesuitenklerikers aus dem Jesuitenexerzitienhause Rott mannshöhe befreit. Bei Nacht drang dieser mit einem LKW Wagen mit Proviant für die Häftlinge in den Wald, wo wir lager ten ein. Er hatte sich verstellt. Er war nämlich im Kriege Ober leutnant, mußte aber als Jesuit aus dem Heeresverband aus scheiden und so konnte er uns helfen. (Providentia divina!) Er überlistete die wachstehende SS. Und fort ging es dem grauen den Morgen mit der goldenen Freiheit entgegen. Am Morgen des 30. April waren wir frei. Am Nachmittag desselben Tages kamen schon die Amerikaner. Bald waren auch die übrigen Ka meraden der Fesseln los. Das Allerheiligste, das wir mitgeführt hatten, wurde in der Pfarrkirche zu Wakirchen deponiert. Ich und die befreiten Kameraden bekamen auf der Rottmannshöhe eine kleine Stärkung und 16 Geistliche, darunter auch ich kamen zu den Josefsschwestern nach Percha am Starenbergersee. Ich blieb dort 2 Monate zu ausgezeichneter Erholung. Am 2. Juli fü ren unser 5 österr. Geistliche auf gut Glück in die Heimat ab. Ein Bummelzug (Güterzug) brachte uns nach vielen Unterbre chungen (Übersee - Traunstein) endlich nach Freilaßing. Zu Fuß über die Grenze, Handkarren ausgeliehen. Endlich in Salz burg. Wallfahrt nach Maria Piain. Am 5. Juli traf ich in Ober österreich ein. Bei der Heimreise waren wir nicht ganz vom Glücke begünstigt. Es waltete überhaupt, wie uns dünkte, über unserer Heimreise. Wir hatten immer wieder versucht, Heim reisemöglichkeiten ausfindig zu machen, was uns auch gelang. Aber jedesmal wurde immer wieder eine mühselig aufgestöber te Reisegelegenheit wieder zunichte gemacht. Zu guter Letzt noch mußte unserer Reise wegen ein junger Pfarrer in den Tod gehen. Der Pfarrer von Herbertshausen bei Dachau, Garsteger Andreas, verunglückte auf einer im Dienste unserer Heimreise unternommenen Fahrradtour nach Salzburg in der Nähe von Traunstein am Donnerstag, den 2LVL1945 tödlich. Man fand ihn mit zertrümmerter Schädeldecke, ausgetretenem Gehirn und eingedrücktem Brustkorb tod auf. Die Tragik des Schick sals wollte es, daß Garstecker in der Nähe seines Geburtsortes getötet wurde. So fand er, fern seiner Heimat angestellt, das Be gräbnis in seiner Heimat. Wir waren natürlich auf die Hiobsbot schaft hin aufs tiefste beeindruckt. Alle österr. Geistlichen zele brierten für Ihn am 27. Juni die hl. Messe. Ich las auf österreichi schem Boden das 1. hl. Meßopfer in der Freiheit am Herz Jesu altar in Liefering. Das 2. Meßopfer in Maria Piain am Gnadenal tar, das 3. bei den Kreuzschwestern in Linz. In Percha im St. Josefsheim bei den Schwestern vom hl. Josef in der Nähe von Starenberg am Starenbergersee erholte ich mich durch 2 Monate glänzend. Dort schrieb ich auch meine

ersten Erinnerungen nieder. Wir wurden ausgezeichnet betreut. Nicht nur die Schwestern, auch die Geistlichkeit nahm sich un ser warm an. Auf dem Todesmarsch hatten wir allerhand mitzu machen. Hunderte von Kameraden blieben am Wege liegen. In Tegerndorf im Walde erlebten wir in der Nacht auf den 29. April eine wilde Schießerei. Auflösungserscheinungen zu Mittag am 28. April unter der SS hatte uns kurze Zeit in frohe Hoffnung ge wiegt, dann kam bald die Ernüchterung. Wilde Flüche und Schießereien versetzten uns sehr schnell wieder in die rauhe Wirklichkeit. Auf dem Marsche häuften sich die Fluchtfälle und wir Hinterbliebenen überlegten bereits, ob ein weiteres Verblei ben nicht Torheit wäre. Während der 7 Jahre KZaufenthalt und dann bei dem Transport konnte ich ergriffen oft und oft das wunderbare Walten der göttlichen Vorsehung mit Händen grei fen. Ausgezeichnete Er holung hei den Schwestern Tod vieler auf dem Marsch Wilde Schießerei Tolles Leben Über alles gepriesen die göttl. Vorsehung Einiges vom Terror in den KZ Strafen: Auspeitschung. Über einem Gestell, Bock ge nannt, wurden dem auf dem Gestell niedergehaltenen oder nie dergeschnallten 25 oder auch bedeutend mehr Schläge mit star ken Kabelwülsten oder mit Ochsenfieseln verabreicht. Es wurde so fest zugeschlagen, daß die Geschlagenen oft schwere Ver wundungen, Nieren Verletzungen, Nierenblutungen, oft auch tödliche Verletzungen davontrugen. Die SS nannte diese Proze dur: Arschaufreißen. Der Häftling mußte mitzählen. Jammern, Brüllen, Stöhnen, Anrufen aller Heiligen, das war das Begleit konzert so grausamer Mißhandlung, daß vielen beim bloßen Zu sehen schlecht wurde. Öffentliche Auspeitschungen waren gar nicht so selten. Auspeitschungen auch zur Musik, zum Gesang von uns Häftlingen auf Befehl gesungen kamen nicht vereinzelt vor. Ich bekam die 25 am 19. Oktober 1938. Mein Gesäß war schwarz und grün. Ich hatte das Gefühl des Auseinanderrei ßens. Ich schrie nicht. Nur beim 13. Schlag schlug meine Stimme beim Mitzählen etwas um. Da wurde ich verhöhnt. Ein Arzt wohnte der Prügelei zum Schein bei. Ich hatte zugleich 49 Tage Dunkelarrest. Es war furcht bar, zum Verzweifeln. Damals faßte ich den Entschluß, alles aufzubieten, um ein guter Priester fürderhin zu sein. Ich dachte oft an die Hölle. Wenn das in dieser Finsternis, in diesem Toll haus schon so entsetzlich war. Der Hunger war so stark, daß ich öfters versucht war, meinen eigenen Kot zu essen. Der Gedanke ans sacerdotium hielt mich ab. Im kleinen Lager zu Buchenwald fraßen die Häft linge im unerträglichen Hunger ihren eigenen Kot. Terror in den KZ tödliche Prügelstrafe sadistische Orgien 19. Okt. 1938 49 Tage Dunkelarrest Gedanken an die Hölle Hunger Kotfreßen verzweifel ter vom Hunger Ge quälter

2. Art der Strafen: Aufhängen tolle Willkür 3. Strafexercieren, Strafarbeiten 4. Strafstehen, Tor stehen Sachsengruß Arbeit Hunger Einige Kostproben, Leckerbissen aus der Abfalltonne Kapitalistenkom mando Schweinestall Versuche Häftlinge Versuchs kaninchen Tödliche Luftwaffen versuche Dr. Ra schers Invalidentransporte in den Tod 3 deutsche Geistliche euthanisiert Todes Angst Erschießungen Morde am laufenden Band Krematorium Gaskammer Wüstestes Dachau Ekliger Eleischverbrennungsgeruch Stehzelle Aufhängen mit nach hinten verdrehten, durch Ketten gefesselten nach oben durchgedrehten Händen, l'^ war die Min destzeit. Da brüllten auch die Häftlinge vor Schmerz. Sie hingen ganz frei da auf Aufhängevorrichtungen, wie sie der Fleisehhauer zum Aufhängen schwerer Fleischstücke benützt. Alle Strafen wurden der geringsten Lagervorsehriftsübertretungen oder auch ganz willkürlich erteilt. Strafexercieren, Strafarbeiten nach Arbeitsschluß eines an Mühsal, harter Arbeit und Mißhandlung leidensreichen Ta ges. Strafstehen, Torstehen. Stehen mit erhobenen Händen, mit nach hinten, hinter dem Nacken verschränkten Händen (letzteres war der Sachsengruß). Das ist so eine kleine Auswahl aus dem von sadistischen Hirnen ausgebrüteten Strafregister. Arbeit. Die Arbeit wurde durch unmögliche Forcierung des Tempos, Schläge und Schikanen zur wahren Hölle. Hunger. Der war bis zum Jahre 1943 entsetzlich. Alles fraßen die Häftlin ge; Gras, Unkraut, Düngerabfälle. Abfälle aus der Kehrichtton ne waren die reinsten Leckerbissen. In Buchenwald war das Schweinestallkommando ein begehrtes „Kapitalisten"-Kommando, für gewöhnliche Häftlinge nicht zum Erreichen. An den Häftlingen wurden verschiedene Versuche un ternommen: Phlegmone-, Malaria-, Fleckfieberversuche. Die schrecklichen Versuche für die Luftwaffe: Kaltwasserversuche, Luftverdünnungsversuche, zum Schluß Blutgerinnungsversu che. Letztere Luftwaffenversuche wurden vom Hauptmann der Luftwaffe Dr. Raseher durchgeführt. Invalidentransporte waren überaus gefürchtet. Es ging in den sicheren Tod. lOOOde von Häftlingen wurden auf diese Weise umgebracht. 433 polnische Priester starben den Tod durch Einspritzungen. 3 deutsche Geistliche gingen so in den Tod, Heinzmann, Bioly ausTeschen und Hunerieh. Einige wur den in letzter Minute befreit. Wie ein ungeheures Schreckge spenst lag diese traurige Möglichkeit des Verschicktwerdens auf den Todestransport über uns allen. Wir kamen oft aus akuter Todesangst nicht heraus. Erschießungen. Solche fanden zeit weise am laufenden Bande statt. Und zwar im Arresthofe oder am Truppenschießplatz oder im Krematorium statt. Das Kre matorium ist ein Kapitel für sich. Viele tausende wurden darin verascht. Doch spielten sich auch fürchterliche Folterszenen ab. Ich habe mir die Gaskammer zu Dachau im Krematorium ange sehen. Ein scheußlicher Ort. Es wurden auch Menschen bei le bendigem Leib hier verbrannt. Der Gestank verbrannten Flei sches lag uns oft tagelang in der Nase. Jedes Lager hatte dann noch seine besonderen Spezialitäten. Dachau z.Bspl. die Steh zelle. Viele Priester hatten diese als Strafe mitgemacht eines

kleinen Vergehens wegen. Die Lebensbedingungen waren in Dachau zum Schluß katastrophal. Man schätzte die Lebensdau er eines frisch eingelieferten Häftlings auf ca. 2 Monate. Das Es sen war unterm Hund. Bauchtyphus, Reckfieber, Dissenterie, Ruhr, Cholera rissen tiefe Lücken. Es wurden in der schlechte sten Zeit täglich bis zu 3 große Plateauwagen voll beladen mit Leichen nach dem Krematorium gefahren. Medikamente waren gar keine mehr vorhanden. Die Häftlinge halfen sich durch Or ganisieren oder durch die Pakete. Seit dem 22. Jänner 1941 hatten wir in Dachau eine im Block 26 eingerichtete Kapelle. Zum Schluß war die Einteilung so, daß jeder Priester einmal dazukam Messe zu lesen. Es war so genormt, daß im Allgemeinen die Jahre der Haft die zulässige Celebrationsanzahl bestimmte. Ich konnte Beispielshalber 7 mal Messe lesen. Mit welcher Andacht taten wir dies. Die Ka pelle war unser Schmuckkästchen. Wir waren unermüdlich im Herrichten und Ausschmücken. Ein Lagerpfarrer war zur Lei tung bestimmt. Die erste Kapelle wurde im Lager Sachsenhau sen am 5. August 1940 (Maria Schnee) eingerichtet. Dort hatte der polnische Pfarrer Brabutzky die Leitung. Er war auch La gerpfarrer in Dachau, nachdem alle Pfarrer nach Dachau zu sammengezogen waren. Er starb in Dachau an Hunger. Vorher war er abgesetzt worden, da man den polnischen Pfarrern die Privilegien wieder genommen hatte. Nach Ihm war Lagerpfar rer Ohnmacht Dr. Franz bis zum März 1943, dann wurde es Ge org Schelling, Redakteur des Vorarlberger Volksblattes und nach denen nur einige Monate vor im Ende erfolgter Entlassung im Jahr 1945 Kaplan Andreas Rieser, nach dem Abmarsch der deutschen Geistlichen aus Dachau am 26. April 1945 Ploika, ein tschechischer Geistlicher. Wir nahmen auf den sogenannten To desmarsch nach dem Ötztal das Allerheiligste und einige Paramente mit. Zum geplanten Messelesen auf dem Marsch kamen wir nicht. Wir wurden jedoch abgespeist. Heldentaten: Die kath. Geistlichen, aber auch kath. Laien waren eifrig seelsorg lich tätig. Caritativ wurde enorm viel geleistet. Von unseren Pa keten gaben wir fortlaufend an hungrige Kameraden und an das Revier ab. Durch von Geistlichen gespendete Medikamente konnte lOGOden das Leben gerettet werden. Blut wurde gespen det um ganz Schwache noch zu retten. Hauptsächlich Geistliche waren Blutspender. In die verseuchten Blocks begaben sich Geistliche freiwillig zu Pflegediensten und viele starben so als Märtyrer der Caritas. Die beiden Pfarrer Matthias Spanlang und Neururer aus Götzis in Tirol starben den Martyrtod (vielleicht sogar durch Kreuzigung) in Buchenwald weil sie das Beichtsiegel im Zusam menhang mit einer Konversion nicht preisgeben wollten. Am Nur Lebensaussicht auf 2 Monate Alle Seuchen wüten Berge von Leichen Keine Hilfe, Ärzte mit Revolvern Meßopfer Wir konnten celebrieren. Unsere Kapelle Im Lager Sachsen hausen die 1. Kapelle Maria Schnee 1940 Brabutzky Hungertod Brabutzkys Dr. Ohnmacht Georg Schelling Andreas Rieser Ploikar im Lager Todesmarsch nach dem Ötztal. Das Allerheiligste zieht mit uns. Heldentaten kath. Geistl. u. Laien Die Geistlichen der große Segen für das Lager Blutspenden aus ver hungerten Körpern Märtyrer der Caritas 2 österr. Geistliche sanctimart. Matthias Spanlang u. Rud. Neururer Märtyrer des Beichtsiegels.

Prominente Österrei cher starben im Stein bruch zu Buchen wald. Einige Laienmärtyrer Buchen waldlied von einem jüdischen Häftling komponiert ergreifend schön, traurig Gesang auf Kom mando auch zu unge legensten Umständen. 7 Jahre Grauen Die Lehren aus den KZ Heimat enttäuscht uns Salzburg nieder schmetternd Keine Aufmerksam keit. Wie Bettler gestoßen Mangelnde Erkennt28. Mai 1940 kamen beide in den Arrest von Buchenwald, wo sie beide innerhalb von 8 Tagen ermordet wurden. Viele prominen te Österreicher starben im Steinbruch zu Buchenwald den Er schießungstod, welcher gewöhnlich am Ende einer Kette von Mißhandlungen stand. Auf solche Weise gingen zu Grunde: Baron Winterstein, Hauptmann Stäkl, Adjutant des Fey, Di rektor Trunser, Gerdes, der zukünftige Schwiegersohn des Miklas, Steidle und andere. Viel gäbe es zu berichten über die Kameradschaft. In Buchenwald sangen wir eine eigene von einem jüdischen Häft ling komponierte Hymne, das berühmt gewordene Buchen waldlied. „Wenn der Tag erwacht und die Sonne lacht die Kolonne zieht zu des Tages Mühen hinein in den grauenden Morgen. Und die Steine sind schwer aber fest unser Schritt und wir tragen den Pickel und Spaten mit und im Herzen im Herzen die Sorgen. O Buchenwald ich kann Dich nicht vergessen, weil Du mein Schicksal bist. Wer Dich verließ, der kann es erst ermessen, wie schön die Frei heit ist. O Buchenwald, wir jammern nicht und klagen und was auch unser Schicksal sei, wir wollen trotzdem ja zum Leben sagen, denn ein mal kommt der Tag, dann sind wir frei." Wir mußten oft singen auf Kommando, auch wenn wir noch so müde waren und es uns ganz gegen den Strich ging. Die 7 Jahre KZ waren so angefüllt von Grauen und von häßlichen Scenen, daß wir froh sind, nur wieder das alles zur Vergangen heit zu zählen. Wir haben aber auch sehr viel erhebendes ken nen gelernt. Wir KZler wissen daher aber auch besser, wo dem Volke der Schuh drückt. Ein Abrücken von der Verbürgerli chung und ein Zurückkehren zur Evangelischen Einfachheit tut äußerst not. Die Heimat enttäuschte uns mancherseits. Schon in Salzburg waren wir 5 österr. Geistliche über den Empfang und die Behandlung tief betrübt. Die Heimat hat zum Teil nichts oder sehr wenig gelernt. Wir verlangten keinen Triumph oder sonst dergleichen. Aber nicht einmal die Aufmerksamkeit, die man Bettlern schuldig ist aus christl. Nächstenliebe fanden wir mancherorts. Manche schlafen noch! Das war eine bittere Enttäuschung für uns. Man hat nicht den Eindruck, daß man die volle Gefahr des Hitlerismus erkannt hat. Alle Abbildungen wurden der Redaktion von den Verfassern zur Verfügung gestellt.

Von der Sprache des Pöbels zur dialektalen Variabilität Eine kommentierte Bibliographie zur oberösterreiebiscben Dialektforschung Von Hermann Scheuringer Innerhalb der sprachwissenschaftlichen Disziplin Dialektologie, einem tradi tionsreichen und - trotz aller Lücken und Desiderata - sehr gut erforschten Teilbereich der germanistischen Linguistik^, erscheinen vor allem jene (geographischen) Gebiete als bevorzugt, die im Einflußbereich bzw. Bearbeitungsgebiet einer der sogenannten dialek tologischen Schulen liegen und so oft stärker als andere Gebiete das wissenschaftliche In teresse auf sich lenken - und sei es auch nur mittelbar als praktisches „Testgelände" theo retischer Überlegungen. Schon allein der scheinbar nebensächliche Faktor der Herkunft der das Fach Studierenden ist hier ein gewichtiges Element im Verhältnis Universität - Umland und so auch von Einfluß auf den Gang der Forschung. Im Falle der beiden klei nen Nationalstaaten im Süden des deutschen Sprachgebiets, also der Schweiz und Öster reichs, deckt sich der Einflußbereich derartiger wissenschaftlicher Schulen mit dem Staatsgebiet, das zu erforschen man sich besonders verpflichtet fühlt. In Österreich ist es die Wiener Dialektologische Schule, die im Bereich dieses Faches die Forschung in diesem Jahrhundert geprägt hat, mit allen Vor- und Nachteilen, die traditionsreiche Schulen eben mit sich bringen.^ Trotz des in unserem Fall fehlenden universitären Forschungszentrums im Lande selbst konnte so im Laufe der letzten Jahrzehnte in der dialektologischen Forschung für Oberösterreich viel getan werden. Nach einer materialintensiven Phase in den sechziger und siebziger Jahren, als deren Ergebnis viele Dissertationen in Form sogenannter Ortsmonographien vor uns liegen, scheint in den letzten Jahren das Interesse von stu dentischer Seite wieder geringer zu werden, wobei rigorosere Studienvorschriften und der angespannte akademische Arbeitsmarkt das „Abgleiten" von den nicht direkt lehramtsbezogenen Fächern verhindern dürften. So stehen wir weiterhin vor einem Puzzle mit vielen leeren Feldern, und das Abdecken dieser Felder durch weitere Forschungen wird angesichts überall einsparender öffentlicher Geldgeber zunehmend schwieriger. Bedauerlicherweise trifft dies im Falle der Dialektologie bzw. des zugrunde liegenden Forschungsgegenstandes Dialekt mit einer Phase rapider sprachlicher Ver- ' . . . und — vom Standpunkt des Verfassers — nur der germanistischen Linguistik bzw. deutschen Sprach wissenschaft. Wie sehr die Dialektologie/Mundartkunde/Mundartforschung immer noch als Anhängsel von Volks- und Landeskunde (an sich hier notwendige Hilfswissenschaften) gesehen wird, zeigt schon der nur flüchtige Blick in die Indices und Inhaltsverzeichnisse einschlägiger Periodika - eine für die landläufige Einschätzung des Faches immer noch symptomatische Zuordnung. 2 Vgl. Wiesinger (1983a).

änderungen und Umschichtungen zusammen, die es gerade jetzt notwendig machen würde, intensiver und ausgiebiger zu forschen als zuvor. Beim Stichwort Dialekt fällt vielen noch immer nur die Mundartdichtung ein, doch Heerscharen von Mundart dichtem wie in Oberösterreich zementieren nur die vorherrschende Heimattümelei und bestärken zudem viele im Glauben, daß es um die Befassung mit Dialekt ja ohnehin nicht schlecht stehen könne. Vielleicht aber ist es auch die Tatsache, daß von der universitär betriebenen dialektologischen Grundlagenforschung allzuviel nicht „nach außen" dringt und dadurch das einseitig geprägte Bild vom Dialekt nicht korrigiert wird.^ Es ist jedenfalls an der Zeit, bestehende Informationslücken zu verkleinem und mit diesen Informationen gegebenenfalls für jene eine Einstiegshilfe zu schaffen, die an der sprach lichen Realität im Lande und an ihrer Erforschung interessiert sind. Es ist auch an der Zeit, zum Teil großartige wissenschaftliche Leistungen einem größeren Publikum bekannt zu machen und damit weitere Arbeiten anzuregen.'* Dies ist keine Regionalbibliographie Der vorliegende Beitrag versteht sich als subjektiv wertender und auswählender Leitfaden zur dialektologischen Forschungsgeschichte zu Oberösterreich, mehr als bibliographischer Kommentar denn als kommentierte Bibliographie. Die subjektiv aus wählende Vorgangsweise bringt es mit sich, daß vieles auch Interessante und teilweise Wichtige nicht aufscheinen mag, was nicht als willkürliches Vorgehen gedeutet werden sollte, sondem eher als zwingend notwendige Maßnahme, um den Blick auf das Wesent liche nicht zu erschweren. So gesehen kann dieser Beitrag keine Regionalbibliographie sein, denn gerade eine Regionalbibliographie sollte alles in einem bestimmten Raum zu einem bestimmten Thema Gesagte - soweit greifbar - erfassen.® Für den gesamten deutschen Dialektraum liegt seit 1982 zum Teilbereich Grammatik, also Laut-, Wortund Satzlehre, nicht aber zum Wortschatz, eine alle wissenschaftlich wertvollen Arbeiten erfassende große Bibliographie von Peter Wiesinger und Elisabeth Raffin (1) vor,® die zumindest regionale AuswahlbibUographien in nächster Zeit als nicht notwendig er scheinen läßt. Johann Laehinger hat aus dieser Gesamtbibhographie den Großteil der Oberösterreich betreffenden dialektologischen Arbeiten exzerpiert und in einer Zu sammenstellung, die 1983 veröffentlicht wurde (2), besonders angeführt. Auch der vor liegende Beitrag verzichtet auf die Anführung von Klein- und Kleinstbeiträgen, insbesondere aus die Sprache nur peripher berücksichtigenden Wissensgebieten wie der Volkskunde oder der Geschichte. Der wissenschaftliche Wert vereinzelter Beiträge ^ Zusätzliche Faktoren sind zu berücksichtigen: z. B. die medial einseitige Behandlung des Themas Dialekt in Rundfunk und Femsehen, wo einer immensen Zahl an Unterhaltungssendungen praktisch keine Infor mationssendungen gegenüberstehen. * Schiffkom (1985), S. 193: „wissenschaftliche Institutionen verlieren nicht an Würde, wenn man für sie wirbt ..." ® Als hervorragende Regionalbibliographie (zum Nordbairischen) vgl. Harnisch (1983). ® Hier unmittelbar zum Thema genannte Literatur, also Primärliteratur, wird mit fortlaufenden Zahlen ver sehen und in dieser numerischen Reihenfolge im Anhang im Verzeichnis der Primärliteratur aufgeführt.

stünde in keinerlei akzeptablem Verhältnis zur Mühe des Bibliographierens und des Autopsierens diverser Heimatzeitungen und deren Beilagen. Damit sei der v. a. kultur geschichtliche und landeskundliche Wert vieler regelmäßig erscheinender und erschie nener Zeitungsbeilagen aber nicht bestritten.^ Auch ein regionaler „bibliographischer Kommentar" kann auf die Aufnahme einzelner überregionaler und grundsätzlicher Abhandlungen zur deutschen und zur bairischen Dialektologie aber nicht verzichten. Verschiedene im folgenden genannte Werke sind für die Erklärung der Wissen schaftsgeschichte unabdingbar. Vor dem eigentlichen Beginn Genau mit dem Beginn des 19. Jahrhunderts, im Zeitalter der Napoleonischen Freiheitskriege, veröffentlicht Matthias Höfer, zu diesem Zeitpunkt Pfarrer in Steinhaus bei Wels, seine erste wichtige sprachwissenschaftliche Abhandlung zur „Volkssprache in Österreich ob der Enns" (3). Höfer (1754 -1826), aus Waizenkirchen stammend und ab seinem zwanzigsten Lebensjahr Benediktinerpater in Kremsmünster, publiziert damit schon zwei Jahrzehnte vor dem nach allgemeiner Auffassung in den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts angesetzten Beginn der deutschen Dialektologie ein Werk, das vieles an wissenschaftlicher Erkenntnis in späteren Jahrzehnten vorausnimmt bzw. zu mindest andeutet. Trotzdem ist das Buch weithin unbeachtet, es sei denn, als quasi prä wissenschaftliches Exotikum. Erst in jüngster Zeit beginnt die Forschung damit. Höfers Bedeutung am Beginn der Germanistik höher einzuschätzen.® Nicht nur der sprach historische Wert der um 1800 gemachten Aufzeichnungen zu Wortschatz, Laut- und Formenlehre verdient unser Interesse, sondern auch Höfers — wie wir es heute nennen — soziolinguistische Bemerkungen.® So charakterisiert schon er das Sprachverhalten des „gemeinen Mannes" damit, „daß Niemand weniger geneigt ist, sich eine neue Sprache zu formen, als eben dieser" (Höfer 1800, im „Vorbericht"), und auch er unterteilt die Schichtung der gesprochenen Sprache schon grob in drei Stufen, bezeichnet als „Muster der dreyfachen Sprech-Art" (S. 56), wobei er „hochdeutsch", „bürgerlich" und „pöbel haft" unterscheidet. Der Vergleich mit der heute weitverbreiteten Dreiteilung in Standardsprache/Hochsprache, Umgangssprache (ein weithin Undefiniertes und undefi nierbares Feld) und Dialekt drängt sich auf.^® Es ist jedenfalls an der Zeit, Höfers Rolle in der Geschichte der Germanistik neu zu beschreiben. Neben seiner Bedeutung für die Dialektologie ist sein Einfluß oder zu mindest sein Mitwirken im Prozeß der Entstehung der neuhochdeutschen Schriftsprache noch gänzlich unbeachtet. Wie andere Gelehrte seiner Zeit im süddeutschen Raum ^ So z. B. die „Unterhaltungsbeilage der Linzer Tages-Post" 1901 - 1914. 8 So vgl. Hutterer (1984), S. 4 f, und Scheuringer (1985), S. 7. Eine größere Arbeit von mir zu Höfers Werk und seiner wissenschaftsgeschichtlichen Einordnung befindet sich in Vorbereitung. 8 Auch Hutterer (1984), S. 4, spricht von einem „sehr zu Unrecht vergessenen Vorläufer des sprachsoziolo gischen Gedankens". ^8 Wie weit hier unser wissenschaftliches Denken im Käfig der ewigen Dreiteilung (heilige Trinität!) gefangen ist, sei dahingestellt.

beklagt er die Vorherrschaft mittel- und norddeutscher Formen, wenn er sagt, „daß vielmehr wir selbst es sind, die von der Sprache unserer Vorfahren um so weiter abge wichen sind, je mehr wir anfiengen, uns einer fremden, nehmlich der Meißnischen oder Hochdeutschen, zu nähern" (wieder im „Vorbericht"). Überhaupt ist die Rolle der Benediktiner im Kampf zwischen Süden und Norden um die neuhochdeutsche Schrift sprache beachtenswert. Jahrzehnte vor Höfer tritt hier z. B. Johann Siegmund Valentin Popowitsch hervor, und auch in Bayern greifen Benediktiner in die Auseinander setzungen ein." Dies nur am Rande; im Rahmen des vorliegenden Beitrags würde diese Diskussion zu weit von unserem Thema wegführen. Nach jahrzehntelanger Vorbereitung erscheint 1815 - zu dieser Zeit ist er Pfarrer in Kematen an der Krems - Höfers Hauptwerk, ein dreibändiges Wörterbuch (4). Auch dieses Wörterbuch wird bislang nur als interessante Quelle abgekommenen oder ver alteten Wortschatzes oder Sprachgebrauchs (und auch unzulänglicher Etymologien) ge sehen - was es zweifellos auch ist - und auch v. a. als volkskundliche Quelle.Doch auch dieses Werk dürfte zumindest mittelbar im schon oben angesprochenen Zusammenhang mit dem Kampf um die neuhochdeutsche Schriftsprache zu sehen sein. Im ersten Band, Kapitel 4 der „Vorrede", schreibt Höfer: In Ansehung der hochdeutschen und meißnischen Mundart, haben schon mehrere die gute und richtige Anmerkung gemacht, die ich Anfangs zu wenig überdacht hatte; daß nämlich Oberdeutschland überhaupt nur die Schreibart der Sachsen, als ein Muster der eigenen angenommen hat. Aus diesem folget nun freylich nicht, daß das Sächsische platthinfiir das Hochdeutsche gilt: oder daß man die verschiedenen Ausdrücke und Benennungen der Dinge, nur aus einem fremden Boden her hohlen soll, wenn man zu Hause selbst eben so gute, und manchesmal vielleicht noch bessere hat; noch weniger aber, daß die dortigen Provinzial-ausdrücke ein Gesetz für ganz Deutschland werden sollten. In der Folge führt er dann den Genusgebrauch in die Asche, die Butter, die Fahne, der Koth als sächsisch an, der heimischem der Aschen, der Butter, der Fahn, das Koth gegen übersteht. Die „sächsische" Seite hat ganz offensichtlich gesiegt." In vielen Wortartikeln streut Höfer Anekdotisches bis Zeitkritisches ein - eine Art des Wörterbuchmachens wie sie auch Johann Andreas Schmeller (1785 - 1852), quasi Stammvater der bairischen Dialektologie, betreibt. Die Rolle Schmellers in der Wissenschaftsgeschichte der Germanistik ist ungleich gewichtiger als jene Höfers, und gerade in den letzten Jahren wurden viele Aktivitäten gesetzt, um seine lange Zeit ebenfalls verkannte Position gebührend zu würdigen. So besteht seit einigen Jahren in Schmellers oberpfälzischer Heimatstadt Tirschenreuth eine Johann-Andreas-Schmeller-Gesellschaft, und als Zentrum der Schmeller-Forschung und -(neu)rezeption hat sich die junge Universität Bayreuth etabliert." Noch heute ist Schmellers großes Wörter- " Vgl. V. a. Schaller (1981) und Wiesinger (1983b). " Vgl. Gugitz (1933). " Als letzte mir bekannte ausführliche Abhandlung zu Höfers Wörterbuch, aus einer Wiener Hausarbeit hervorgegangen, vgl. Pitschmann (1969 und 1970). Siehe dort auch ein Verzeichnis der weiteren sprach wissenschaftlichen Arbeiten Höfers, die nur handschriftlich (in der Stiftsbibliothek Kremsmünster) über liefert sind. " Vgl. V. a. Brunner/Dünninger/Hinderling (1985).

buch, gemeinhin „der Schmeller" genannt (5), auf dem Schreibtisch fast jedes bairischen Dialektologen zu finden, und erst langsam beginnen die als Schmeller-Neubearbeitungen konzipierten neuen großen Wörterbücher neben ihn zu treten (s. u.). Ähnlich wie Höfer greift Schmeller über das engere (Alt)bayerische aus, ganz selbstverständlich auf das Fränkische und Schwäbische im Königreich Bayern, natürlich aber auch auf das Bairische in Österreich. Und noch stärker als Höfer ist Schmeller ein früher Soziolinguist, der in seine Wörterbuchartikel genügend Sozialkritik einbringt. Auch diese Seite seines Schaffens ist erst in den letzten Jahren eingehender beleuchtet worden.is Ganz allgemein kann die oft geäußerte Ansicht, die früheren Zeiten seien die Zeiten des reinen, unbeeinflußten Dialektlebens gewesen, nicht mehr aufrecht erhalten werden. Auch Benedikt Pillwein, „kaiserl. königl. Provinzial-Staats-BuchhaltungsIngrossist", sagt in seiner Beschreibung Oberösterreichs (6);^® Ueberhaupt findet man in dem Kreise wieder eine verschiedene Mundart. Jene an der Gränze Bayerns kommt der bayer'schen Mundart näher und ist die rauheste, an der böhmischen Gränze ähnelt sie der singenden Mundart der Deutschböhmen, an der unter österreichischen Gränze klingt sie besser und reiner. Daß dabei vor fast 160 Jahren schon der niederösterreichische Dialekt als „besser und reiner" eingestuft wird, wirft ein bezeichnendes Licht auf soziolinguistische Verhältnisse und Haltungen, die, wenn auch nicht explizit ausgesprochen, auch die gegenwärtigen sprachlichen Entwicklungen im österreichischen Donauraum charakterisieren. Eine historische Soziolinguistik hat hier noch einige Arbeit vor sich. Obwohl der noch im 18. Jahrhundert begonnene „dialektologische Faden" im ganzen 19. Jahrhundert weitergesponnen wird - hauptsächlich in volks- und mundart kundlicher Sammeltätigkeit - ist erst in den frühen Jahren unseres Jahrhunderts der eigentliche Beginn einer kontinuierlich aufbauenden, sich weiterentwickelnden und fruchtbringenden Dialektforschung zu sehen. Im beginnenden 20. Jahrhundert Mit der Gründung der Kommission zur Schaffung des Österreichisch-Bayerischen Wörterbuches und zur Erforschung unserer Mundarten der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien im Jahre 1911 und der Einrichtung der Arbeitsstelle, der soge nannten Wörterbuchkanzlei, im Jahre 1913 ist der formelle Anfang der neueren österreichischen Dialektologie gesetzt. In Zusammenhang und oft auch in Personalunion mit der schon 1899 gegründeten Phonogrammarchivs-Kommission beginnen aber schon 1901 die Aufnahmen deutscher Mundarten im damaligen Osterreich, und zwischen 1908 und 1918 veröffentlicht Joseph Seemüller (1855 - 1920), seit 1905 Professor in seiner Heimatstadt Wien, vorher in Innsbruck, in der Reihe „Deutsche Mundarten" (gemeint: vomehmUch Mundarten der deutschsprachigen Gebiete der ÖsterreichischUngarischen Monarchie) auch Umschriften oberösterreichischer Dialektaufnahmen, wobei diese Verschriftlichungen von Plattenaufnahmen'^ aus jeweils zwei Teilen beS. Wiesinger (1979) und Rein (1985). 16 In Band 1 (1827): Der Mühlkreis, S. 107. " Vgl. unten die Aufnahmen des Österreichischen Phonogrammarchivs.

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