OÖ. Heimatblätter 1985, 39. Jahrgang, Heft 4

Ländern beitrugen, sondern einen kultu rellen und wirtschaftlichen Aufschwung mit sich brachten. Aber auch der österreichische Mensch prägt das Antlitz dieses Landes. Ein cha rakteristischer Zug ist das Maßhalten, das manchmal zur Gefahr wird, weil sich der Österreicher ungern bemerkbar macht. Er wird in einer so lauten Zeit, wie der heuti gen, daher leicht übersehen. recht eigentlich die Seele Europas, die sich in diesem Antlitz ausspricht.^^ In seinem überzeugten Österreichbewußtsein blieb er auch nach dem 13. März 1938 unbeirrt. Seine unerschrockene Äu ßerung vor den Funktionären des „An schluß Kabinetts" ist belegt. Nationalismus - Todfeind des Friedens Kulturidee Österreich Die österreichische Idee ist vor allem eine Kulturidee: Sie setzt Kulturbedürfnis und Bildung voraus, um erfaßt zu werden. Sie ist nichts für den Massenfang, kein hohler Wahl schlager, der in Volksversammlungen reißt, sie hat Inhalt, Tiefe und Gewicht, fast zuviel für eine Zeit der Oberfläche. Eine Definition der österreichischen Kulturidee gibt Hans von Hammerstein mit einem Zitat aus Goethes „Faust", das im höheren, geistigen Sinne verstanden werden muß: „Hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein". In diesem Zusammenhang verweist der Redner auf die nationalisti schen Bestrebungen in Europa, die er scharf verurteilt. Am Beispiele Österreichs habe sich gezeigt, so Hammerstein, daß ge rade das Zusammenwirken verschiedener Völker fruchtbar, schöpferisch und kultur verbreitend war. Das alte Österreich sei schließlich an diesen nationalistischen Be strebungen zugrunde gegangen. Am Schluß dieser bemerkenswerten Rede spricht er von einer ungeheuren Verant wortung Österreichs, sein Antlitz vor dem Gewissen der europäischen Kultur zu wah ren: Denn es ist das Herz Europas, und da der Geist des christlichen Abendlandes ein Geist nicht nur der Verstandesbildung, son dern auch der Herzensbildung ist, ist es In den Reden zu den Paneuropatagen, 1936 und 1937, setzte er sich mit dem Na tionalismus auseinander und bezeichnete ihn als den Todfeind des Friedens in Euro pa. Dabei kam auch Hammersteins per sönliche Anschauung sehr klar zum Aus druck. Es war sein größter Wunsch, daß sich alle Völker und Kulturen gegenseitig respektieren sollten: Jede Nation hat ihre Licht- und Schat tenseiten, die durch Boden, Klima, Ge schichte bedingt und entstanden sind, jede ist fähig großer Taten und Leistungen . . . Es ist bekannt, was Goethe von der dreifa chen Ehrfurcht gesagt hat. Es ist auch be kannt, und leider heutzutage allzu verges sen, mit welcher Achtung er von anderen Nationen sprach, wie er in jeder Nation das Gute, das Eruchtbare und Wertvolle suchte und nur in der gegenseitigen Befruchtung der Nationen den Weg zur Größe der einzel nen sah.^'^ Immer wieder betont er die verbinden de Kulturgemeinschaft Europa, die auf grund der gemeinsamen Entwicklung des Abendlandes eine Schicksalsgemeinschaft sei; die Zukunft Europas könne nur in der gegenseitigen Toleranz begründet sein. A.a.O. S. 15. A.a.O. S. 18-19. Hans von Hammerstein: Kultur- und Schicksals gemeinschaft Europa. 2 Reden. Wien 1937. S. 5 - 6. - Vgl. dazu: Europas Todfeind heißt Natio nalismus. In: Wiener Zeitung. Wien. Vom 18. 5. 1936. Nr. 137. S. 1-2.

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