OÖ. Heimatblätter 1985, 39. Jahrgang, Heft 4

Zugleich folgte auch auf dem Gebiet der Dichtkunst ein Vorstoß. Autoren wie Ottokar Kernstock, Karl Domanig, Lau renz Müllner und vor allem Enrica von Handel-Mazzetti prägten diese Zeit. In Österreich war es Richard von Kralik,®! der seine Tätigkeit in den Dienst der katholischen Bewegung stellte. Kralik, aus dem Böhmerwald stammend, lebte in Wien und widmete sich vor allem Studien und literarischen Arbeiten. Er bemühte sich eifrig um die Schaffung eines katholi schen Schrifttums, indem er einen beson ders konservativ-romantischen Stand punkt einnahm. Gegen diese Form der Literaturauf fassung wendete sich Karl Muth,®® ein Rheinländer, der in einer 1898 unter dem Pseudonym „Veremundus" erschienenen Schrift „Steht die katholische Belletristik auf der Höhe der Zeit?"®^ diese Frage ne gativ beantwortete. Muth warf den christ lich-konservativen Literaten vor, sich ab seits der modernen Technik der Dichtung zu stellen. Auch mit zeitgemäßen Mitteln in der Dichtung könnten christliche Werte vermittelt werden. Dieser Auffassung wi dersetzten sich vor allem die Dichter der „alten Schule" unter Führung Kraliks. In einer weiteren Schrift „Die litera rische Aufgabe der deutschen Katholiken - Gedanken über katholische Belletristik und literarische Kritik, zugleich eine Ant wort auf meine Kritiker" führt Muth 1899 aus, wichtig sei vor allem, daß sich die katholischen Dichter den modernen Stil zu eigen machten.®® Kralik hielt Muths Literaturtheorie für verfehlt, sodaß sich dieser Streit über einige Jahre hinzog. Die Unterschiedlich keit der beiden manifestierte sich in der von Kralik 1906 begründeten Zeitschrift „Der Gral — Monatsschrift für schöne Li teratur" und in dem von Muth ab 1903 herausgegebenen Periodikum „Hoch land". Beide Veröffentlichungen dienten eine Zeitlang zu einem guten Teil dieser Auseinandersetzung zwischen Wien und München.®® Der Gegensatz in der Anschauung entsprang vor allem gegensätzlichen Be griffen eines katholischen Literaturver ständnisses. Kralik, vor allem dogmatisch eingestellt, betonte immer wieder den Zu sammenhang von Inhalt und Form der Dichtung, während Muth es für möglich hielt, einen modernen Stil, der sich für die Gestaltung eines Inhalts als notwendig er wiesen hat, auf einen spezifisch katholi schen zu übertragen.®^ Zu den Anhängern von Kraliks The sen, die in einer losen Vereinigung, dem „Gralbund", versammelt waren, gehörten unter anderen die Schriftsteller Karl Do manig, Franz Eichert, Adam Trabert, Eduard Hlatky, Norbert Stock und Gaudentius Koch.®® Anm.: Richard Kralik von Meyrswalden, 1852 — 1934. Vgl. dazu: Richard von Kralik: Gral und Roman tik. Eingeleitet und ausgewählt von Moriz Enzin ger. Graz —Wien 1963. (= Stiasny Bücherei: Das österr. Wort. Band 132) " Karl Muth, 1867 - 1944. " Karl Muth: Steht die katholische Belletristik auf der Höhe der Zeit? Mainz 1898. Karl Muth: Die literarische Aufgabe der deut schen Katholiken. Mainz 1899. Vgl. dazu: Eugen Thurnher: Katholischer Geist in Osterreich. Das österreichische Schrifttum im 20. Jahrhundert. Bregenz 1953. Ebenso: Eugen Thurnher: De katholieke Literatuur in Oostenrijk. In: Taels J.: De katholieke Literatuur in de XX. Eeuw. 1. Bd. onder redactie van Dr. J. Taels. Antwerpen 1954. S. 171 -202, besonders S. 172 - 173. Vgl. dazu: Friedrich Funder: Vom Gestern ins Heute. Aus dem Kaiserreich in die Republik. Wien 1952. S. 346 ff. Vgl. dazu: Johannes Mumbauer: Die deutsche Dichtung der neuesten Zeit. Erster Band. Frei burg 1931. S. 118

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