OÖ. Heimatblätter 1985, 39. Jahrgang, Heft 4

sieht. Dieses widerspricht seiner Auffas sung von freier und unabhängiger Erzie hung des Menschen. Sein zweites großes Anliegen ist der Schutz und die Erhaltung der Natur. Durch die immer rascher fortschreitende Zivilisa tion wurde die unberührte Natur gedan kenlos zerstört: . . . die Industrie hat ganze Landschaf ten, darunter kostbarste, brutal zerstört, ver schwelt und verpestet, die Städte sind ein be täubendes Wirrsal von Lärm, Grellheit und Häßlichkeit geworden, die Reklame zer schreit Plätze und Straßen, sie hüpft, ein lä stiges Bettelvolk, in schrillen Lettern und Farben, die grüne Natur beleidigend und unschuldige Dörfer beklecksend, noch stundenweit neben dem Reisenden herf^ Die Zivilisation bemüht sich um kei nen künstlerischen Ausdruck mehr. Was Hammerstein an seiner Zeit so sehr kriti siert, ist das Unechte und Geschmacklose im künstlerischen Ausdruck. Statt eines ei genständigen Stiles sieht er nur mehr Imita tionen der ehemaligen Kunstrichtungen. Diese Kulturlosigkeit ist für ihn ein Zei chen einer sinnentleerten Zeit; er verurteilt romanisch nachempfundene Bahnhöfe oder neugotische Zinskasemen.''^ Zwar werden jetzt ebendiese Zweck bauten der damaligen Zeit neu entdeckt, werden große Bemühungen unternom men, diese Form eines Zeitausdruckes zu erhalten, doch in seiner Forderung nach ei ner neuen, spontanen Kunstauffassung bleibt der Dichter auch heute noch aktuell. Seinem Naturgefühl entsprechen die Anregungen zur sinnvollen Gestaltung der Umwelt. Damit berührt er brennende Zeitprobleme. Bereits in den zwanziger Jahren beklagte er die systematische Zer störung der Natur durch die Industrie und die unmenschlichen Architekturen, deren Tragweite uns heute schmerzlich bewußt werden. Verspätet versucht man nun, vom Fortschrittsgedanken abzugehen und die Werte einer gesunden Umwelt der Gesell schaft bewußt zu machen. Eine weitere Forderung zeugt von sei nem großen kulturpolitischen Verantwor tungsbewußtsein. Immer wieder appelliert er für einen umfassenden Landschafts- und Denkmalschutz. Den Bestand an kunsthi storisch wertvollen Gebäuden und Häu sern sieht er gefährdet. Damals schon emp fiehlt er, Landschafts- und Denkmalschutz nicht allein durch Bürokraten zu organisie ren, vielmehr auch den Künstler und den gebildeten Fachmann in dieser Frage zu Wort kommen zu lassen.'*^ Leidenschaft lich klagt Hammerstein über Schäden, die die Zivilisation an den Kulturgütern ange richtet hat: Was die Zivilisation in den hundert Jah ren ihrer Entwicklung auf-, zu- und ange richtet hat, kann nicht wie die unappetitliche Hinterlassenschaft eines Gastmahles abge räumt, nicht wieder hergestellt, kaum ver bessert wer den Wenn man heute in der Auswahl von Einrichtungsgegenständen vielfach wieder auf das alte, solid gefertigte Möbelstück zu rückgreift und sich eine große Nachfrage nach Antiquitäten bemerkbar macht, so mag dies sicherlich auch als eine Reaktion gegen die seelenlose und gleichförmige Massenproduktion der letzten Jahrzehnte zu verstehen sein. Von allen Kunstschaf fenden verlangt er deshalb: Es muß wieder mit der Seele, die Geist und Gemüt, Verstand und Gefühl umfaßt, es muß mit Kopf und Herz gebaut und ge staltet werden, wenn Kultur und Stil neu ent stehen sollen Die Forderung nach Bildungsreform, Schutz von Natur und Kulturgütern und der Aufruf an die Künstler, wieder „mit der Ebenda. S. 32 - 33. ^ Ebenda. S. 31. Ebenda. S. 38 - 39. Ebenda. S. 37. Ebenda. S. 36.

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