ein starkes Naturempfinden im Menschen verankert sein sollte. Diese Werte kommen bei ihm immer wieder zum Ausdruck. Für ihn bedeutet dies aber keineswegs, daß sich das Indivi duum Normen zu unterwerfen habe. Er be tont die Freiheit des Einzelnen und wendet sich gegen gesellschaftliche Zwänge. Als Naturpoet sieht Flammerstein die Zukunft des Menschen nicht in erstarrter und über kommener Tradition, sondern in einer Po sition der freien Entscheidungen und in na turhaftem Empfinden. Der Mensch soll in Harmonie mit seiner Umwelt leben. Frei und ungebunden soll sich der Einzelne sei ner selbst besinnen und so zu seinem inner sten Wesen gelangen. In seinem Leben hat er jene Grundsät ze und Ideale, für die er sich als Dichter wie als Kulturpolitiker einsetzte, konsequent befolgt. So wird er zu einem glaubwürdigen Kritiker seiner Gesellschaft, vor der er sich auch nicht scheut, offen auf Fehlentwick lungen und Mißstände hinzweisen. Kunst- und kulturgeschichtliche Aspekte Hans von Hammerstein versucht, das kulturelle und künstlerische Schaffen der Gegenwart wieder auf seine ureigensten Wurzeln zurückzuführen. In seinem Wunsch, daß jedem Menschen, insbeson dere dem Künstler, sein eigenstes Wesen wieder bewußt werde, geht er von der Überzeugung aus, daß die erste eigenstän dige Kunstäußerung in Deutschland wie in Österreich im Zeitalter der Gotik erfolgt ist. Man darf jedoch nicht übersehen, daß dies gleichermaßen für Frankreich gilt, wo die Gotik ihren Ursprung genommen hat. Die entscheidende Ursache für das Verschwinden der Gotik sieht er im Auf treten der Renaissance. Für ihn ist sie kei neswegs eine Wiedergeburt der Antike, wie dies vor allem die Klassiker in der Re naissance-Dichtung zu erkennen glaubten. Mit Dürer brach im Zeichen der Renais sance vielmehr die eigenständige künstleri sche Entwicklung jäh ab. Seither hat das deutsche Kunstleben immer wieder vieler lei verschiedenen Formen und Ausdrücken nachgeeifert, hat aber nie mehr ganz ihren eigenen Ausdruck in der Kunst wiederge funden.^® In der Renaissance, einer Stilepoche der lichtvollen und lebensbejahenden Wei te und Heiterkeit, sieht er eine Reaktion, eine Revolution der südlichen Völker. Durch ihre eigene Wesensart, ihre Gestal tungsfreude, war die Renaissance eine Re aktion auf die ehemalige Zerstörung der antiken und klassischen Kunstformen durch die Goten. Hammerstein wendet sich nicht gegen die Kunstrichtungen der Renaissance und des darauffolgenden Barock, sondern viel mehr gepn die Art, wie in Österreich die Gotik dieser neuen Kunstform Platz ma chen mußte: Von unseren alten Kirchen ist zumeist nur noch die äußere Hülle geblieben. Die gotischen Fenster sind gerundet, ihre Maß werke mit Stuck überkleistert, ihre Malerei en in Scherben geschlagen und statt des mit telalterlichen Farbendüsters wurde das helle Licht in klaren Scheiben hereingelassen, die ursprünglichen Altäre hat man ganz roh hinausgeschmissen und zu Brennholz ver kleinert und an ihre Stelle prunkvolle Auf bauten ohne jede Rücksicht auf das gegebe ne Raummaß aus hölzernem und pappenem Marmor gesetzt.^° Auch der Barock mußte dem Wechsel der Kunstrichtung weichen. Es wurde durch die „tragantartigen" und sentimenta len Erzeugnisse der achtziger und neunzi ger Jahre verdrängt. Hammerstein spricht ^ Hans von Hammerstein: Wiedergeburt. In: Lin zer Volksblatt. Linz. Vom 20, 2. 1925. Nr. 4L S. 1. ^ Ebenda. S. 1-2.
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