OÖ. Heimatblätter 1985, 39. Jahrgang, Heft 1

nate. Im übrigen Diözesangebiet hat sich die Archidiakonatsstruktur bis ins 17. Jahr hundert gehalten. Insgesamt setzte sich im 14. Jh. die Diözese aus vier Archidiakonaten, von de nen jedes zugleich ein Dekanat darstellte, und aus sieben Dekanaten zusammen, also aus elf Großsprengeln. Diese Einteilung ist noch 1540 nachweisbar. Bald nach 1300 hatte das Passauer Großbistum durch die Schaffung eines Offizialates „unter der Enns" (später mit Sitz in Wien) eine faktische Zweiteilung erfah ren. Seit dem Ausgang des Mittelalters gab es jedenfalls auch ein „Offizialat ob der Enns", das seinen Sitz im Normfall in der Bischofsstadt Passau hatte. Die Offizialatsstruktur erhielt sich bis zur Zeit des Jo sephinismus. Nachdem der durch die Reformation bedingte Verlust des Glaubensterrains einigermaßen aufgehalten worden war, straffte man die Zügel auch in organisatori scher Hinsicht. Die Neugliederung wird in den Passau er Bistumsmatrikeln von 1633/43/66 greif bar. Das Offizialat ob der Enns (bayrischer Anteil und Land ob der Enns) zerfiel nun in 17 Dekanate, das Offizialat unter der Enns in deren 15, was die Gesamtzahl von 32 ergibt. Das Pfarrnetz Wir unterscheiden im Mittelalter und in der Neuzeit (bis Joseph 11.) Vollpfarren, die ungefähr den Rang und die Funktion heutiger Pfarren besaßen; dann Doppel pfarren, die durch den Zusammenschluß von zwei Seelsorgesprengeln mit je einer Kirche gekennzeichnet sind; sodann ab hängige Seelsorgestellen, von denen die wichtigsten das Vikariat mit Investitur und das Vikariat ohne Investitur sind. Im Vika riat mit Investitur, das ist die höchste Stufe einer Filiale, wurde der Seelsorger vom Pfarrer der Mutterpfarre präsentiert und auf Dauer angestellt. Die meisten gottes dienstlichen Verrichtungen fanden in der Filiale statt. Das Vikariat ohne Investitur hatte ei nen Seelsorger, der dem Pfarrer der Mut terpfarre, ähnlich einem Kooperator, un terstellt war. Der Geistliche hat in der Filia le residiert oder diese excurrendo betreut. Heute entsprechen dem Vikariat mit Inve stitur ungefähr die Pfarrexpositur, dem Vi kariat ohne Investitur die Kooperatorexpositur. Da in der sogenannten Lonsdorfer Matrikel nur zwei Vikariate, nämlich Gein berg und Geboltskirchen, erwähnt werden, ist anzunehmen, daß diese Seelsorgestellen von der Lonsdorfer Matrikel im allgemei nen unberücksichtigt blieben. Ähnliches gilt von den Stiftspfarren, welche auch nur lückenhaft geführt sind. Die wahre Zahl der bestehenden Seelsorgesprengel war da her im 14. Jh. bereits höher als in der Lons dorfer Matrikel, die 157 Vollpfarren er wähnt, angegeben ist. Berücksichtigt man noch andere Quellen und spätere Matri keln, so kommen für die Zeit bis etwa 1530 noch weitere 30 Pfarren, und zwar 2 Dop pelpfarren und 44 Vikariate, darunter zwei Doppelvikariate, dazu. Genaue Gründungsdaten für einzelne Seelsorgesprengel anzugeben, ist für das Mittelalter nicht unproblematisch, da viele Sprengel erst allmählich ihren Rang er reichten; auch kann die mittelalterliche Terminologie nicht ohne weiteres der neu zeitlichen gleichgestellt werden. Es ist frag lich, ob man in unserem Gebiet vor dem 11. Jahrhundert überhaupt von Pfarren im heutigen Sinn sprechen kann, wenngleich die Anfänge der kirchlichen Organisation weit hinter die genannte Lonsdorfer Matri kel zurückreichen. Die „urkundliche Be zeugung" als „Pfarre" ist darüberhinaus noch kein Beweis dafür, daß es sich um ei ne Pfarre im heutigen Sinne handelte.

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