OÖ. Heimatblätter 1985, 39. Jahrgang, Heft 1

titas (Fernhalten alles Unreinen und Welt lichen), b) bonitas (nur das höchste künst lerische Niveau ist würdig des Lobes Got tes) und c) universitas (Forderung nach Allgemeingültigkeit und Gesamtheit). — Wurde auch der gregorianische Gesang als der „eigentliche Gesang der Kirche", als „Kronjuwel der hl. Liturgie" bezeichnet, so schloß doch der Begriff universitas die mehrstimmige Kirchenmusik mit ein. Wenn auch das Motu proprio des gro ßen, 1954 heiliggesprochenen Liturgiepap stes Öffnung und Toleranz gegenüber dem musikalischen Zeitstil initiierte, so brachte die Wiedereinführung des traditionellen Chorals größere Probleme. Die renaissancehaft verstümmelten Choralmelodien der Editio Medicaea (1614) wurden durch die musikwissenschaftlichen Arbeiten der Be nediktiner von Solesmes (vgl. Peter Wag ner) in die gangbarste, durch rechtmäßige Tradition bezeugte Fassung, die Editio Vaticana, übertragen. Dies stürzte den ACV in eine schwere innere Krise, da dieser und F.X. Haberl (1840 - 1910) die Medicaea als Grundlage ihrer kirchenmusikalischen Reformbestrebungen verloren hatten. Für Österreich war das Verbot des Frauengesangs durch das Motu proprio un durchführbar; sogar der Kaiser schaltete sich ein, indem er den Burgpfarrer Bischof Laurenz Meyer mit dem Hofkapellmeister Karl Lunze nach Rom sandte. Am Ende der Privataudienz erklärte Papst Pius X.: „So wollen wir also für Wien (= Öster reich) eine Ausnahme machen." Damit wurde die liturgische Verwen dung der Wiener Klassiker — durch die Duldung des Frauengesanges — sicherge stellt. Eine weitere Forderung des Motu proprio wurde durch die Gründung der Abteilung für Kirchenmusik an der „K.k. Akademie für Musik und darstellende Kunst" im Jahre 1910 erfüllt. An ihr stu dierten und wirkten die bedeutendsten österreichischen Kirchenmusiker des 20. Jahrhunderts. Die österreichische Kirchenmusik hat te durch das Zerbrechen der Donaumonar chie schwere Tage zu überstehen (Choral fragen, a-cappella-Formen, Brucknerpro blem, Auflösung von Kirchenorchestem aus finanziellen Gründen u.a.m.). Wie hoffnungsvoll klangen da versöhnliche Tö ne aus Deutschland, wenn der Generalprä ses des ACV auf der Paderborner Tagung im Jahr 1921 ausrief: „Der Cäcilianismus ist erledigt!" Bei der 1928 in Köln abgehal tenen Generalversammlung des ACV geht man noch einen Schritt weiter mit dem Motto; „Tolerieren, nicht propagieren!'"*^ In der Diözese Linz erfolgte ab 1933 ei ne Intensivierung der liturgischen Arbeit unter Msgr. Josef Huber (1888 — 1976). Schon ein Jahr später begannen Josef (geb. 1910) und Hermann Kronsteiner (geb. 1914) mit volksliturgischen Kompositio nen, wenn sich auch der ältere „mehr der lateinischen Kirchenmusik verpflichtet fühlt".'" Die jungen Blüten wurden jedoch durch den Rauhreif des Zweiten Welt kriegs geknickt. Nach 1945 mußte natürlich auch auf kirchenmusikalischem Gebiet ein neuer Anfang gesetzt werden; der ur sprünglich vorhandene Aufschwung wurde bald durch eine gewisse Verunsicherung (einseitige Betonung des deutschen Volks gesanges - daneben kontrastierend Rhythmus- und Jazzmessen) gebremst; die Kirche hat wohl die Gefahren dieser „Bil derstürmerei" erkannt und Maßnahmen ergriffen, ihnen zu begegnen. Abschließend sollen nun in der chro nologischen Reihe ihrer Aussagen einige oberösterreichische Komponisten zu Wort kommen, die sowohl bestimmend für das Ernst Tittel. a.a.O. S.324. S.329. Hermann Kronsleiner: Vinzenz Goller. Leben und Werk, Linz 1976. S. 171.

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